Ein ziviles Opfer US-treuer Außenpolitik

Ein deutscher Ingenieur kam im Zuge einer Geiselnahme auf afghanischem Staatsterritorium zu Tode. Allem Anschein nach wurde er mit Schüssen getötet. Zuletzt wohnte der Mann in Wismar, davor in der Bergringstadt Teterow. Die Betroffenheit in MV und darüber hinaus ist darob sehr groß – egal, ob nun bei Bundeskanzlerin Angela Merkel, Ministerpräsident Harald Ringstorff, Wismars Oberbürgermeisterin Rosemarie Wilcken oder bei jenen, die ihn persönlich kannten. Und niemand wird ihnen ernsthaft die Aufrichtigkeit ihres Mitfühlens absprechen wollen.

Die Tätigkeit deutscher Spezialisten hat in dem Hindukusch-Land eine weitreichende Tradition. Vor 1918 bereits waren in Kabul Fachleute aus dem Wilhelminischen Reiche in verschiedenen Sektoren aktiv. Im Ersten Weltkrieg versuchten kaiserliche Offiziere, den Emir Habibullah für Operationen gegen Britisch-Indien (seit 1947 Pakistan) zu gewinnen. Der Herrscher blieb jedoch eisern und wahrte strikte außenpolitische Neutralität, was auf seine Nachfolger ebenfalls zutraf.

Im Gefolge des erniedrigenden Versailler Diktates von 1919 suchte die außenpolitisch weitgehend isolierte Weimarer Republik auch Kontakte ins bis dato noch weitgehend unerschlossene, geheimnisumwobene und mineralienreiche Land. "Reformkönig" Amanullah (Regierungszeit 1919 bis 1928) wollte sein Land nach der Befreiung vom britischen Imperialismus mit aller Gewalt nach westlichem Vorbild gestalten. Zwar scheiterte er am Widerstand der wertkonservativen islamischen Eliten. Ins Land geholte Spezialisten, darunter wiederum Ingenieure für Brücken- und Wegebau aus dem Weimarer Deutschland und Handwerker aus der Ostmark, blieben dem geostrategisch bedeutsamen Land aber erhalten. Feindseligkeiten gab es so gut wie keine. Mehr noch: Hunderte junger Afghanen studierten in Europa, so auch in Deutschland, um das hier erworbene Wissen zum Wohle des eigenen Landes zu gebrauchen.

Auch nach dem Regierungsantritt Adolf Hitlers wirkten zwischen Herat und Kunduz Fachleute aus Deutschland. Der gute Ruf gerade der Deutschen blieb am Hindukusch lange erhalten. Selbst die frühzeitige Hinwendung der 1949 gegründeten BRD zu den Vereinigten Staaten von Nordamerika ("Transatlantische Brücke") vermochte daran nur wenig zu ändern.

Erst, als die Bundesrepublik vor wenigen Jahren meinte, "Deutschland am Hindukusch verteidigen" zu müssen, geriet das Bild ins Wanken. Um 2003 erhielt der weitgereiste Journalist und Buchautor Peter Scholl-Latour einen Brief von Gulbuddin Hekmatyar. Der Paschtune (größte Ethnie Afghanistans), frühere Ministerpräsident des Landes und Führer der Hezb-e Islami (Islamische Partei) erklärte sinngemäß: Bislang ging es nur gegen die US-Besatzer; bald aber wird jeder, der sie unterstützt, egal, aus welchem Land er kommt, von uns gleichfalls als Feind betrachtet werden. Daß die Warnung nicht in den Wind geschlagen war, zeigen die jüngsten Todesfälle junger deutscher Soldaten, die als US-Hiwis die Kastanien für Washington aus dem Feuer holen sollen.

Letztendlich geht es unter dem Deckmantel freimaurerischer Phraseologie ("Menschenrechte", "Demokratie", "Freiheit") um nichts anderes, als die Sicherung der geostrategischen Herrschaft einer raumfremden Macht. Entwicklungshilfe, egal welcher Art, empfinden so immer mehr Afghanen als mißtönige Begleitmusik einer Kolonial-Politik. Mit Partnerschaft auf gleicher Augenhöhe, wie sie einst für das deutsch-afghanische Verhältnis typisch war, haben die derzeitigen Zustände nichts mehr gemein.

Den Bauingenieur Rüdiger D. aus Wismar dürfen wir mit Fug und Recht als Opfer US-treuer Außenpolitik bezeichnen. Dessen ungeachtet gehört seiner Familie sowie Freunden, Bekannten und Kollegen tiefes Mitgefühl.
Quelle: www.npd-mv.de Erstellt am Dienstag, 24. Juli 2007