Kardinal S. als Historiker - notwendige Anmerkungen
Rechtzeitig vor den Feiertagen mahnte der katholische Erzbischof von Berlin, Kardinal Georg Sterzinsky (70), "seine" Schäfchen zu mehr Dankbarkeit und Ausdauer. Laut Agentur ddp, die sich wiederum auf einen Beitrag der "Super Illu" beruft, erklärte der kirchliche Würdenträger, daß die Mitteldeutschen beim Aufbau in Beitrittsgebiet mehr Geduld zeigen müßten. Was die Westdeutschen in fünf Jahrzehnten durch Fleiß und günstige Umstände geschaffen hätten, sei in 15 Jahren Nachwendezeit nicht zu verwirklichen gewesen. "Daran müssen wir weiter arbeiten. Und nicht so weinerlich sein." Vergessen werde dabei häufig, daß "das total verrottete System der DDR Schuld an der heutigen Misere hat." Mitteldeutschland habe seitens der Alt-BRD derart tatkräftige Unterstützung erhalten, "wie man das gar nicht erwarten konnte."
Auch sollten gerade alle Christen über das Ende der DDR glücklich sein. "Auch wenn wir nicht so blutig und grausam verfolgt wurden wie die Christen in der Sowjetunion, mußten wir als Christen in der DDR schon einiges aushalten, wurden oft schikaniert und ausgegrenzt."
Gewiß, und das steht unumstößlich fest, waren die Christusgläubigen der Basis recht häufig nicht gerade wohlgelitten. Wer aus Glaubens- oder sonstigen Gewissensgründen keine Waffe in die Hand nehmen wollte, hatte ab Ende der Sechziger die Möglichkeit, als sogenannter Bau- oder Spatensoldat zu dienen. Oftmals wurden die jungen Männer zu echten Knochenjobs (z. B. Arbeit im Tagebau oder in der chemischen Industrie) herangezogen. Je stärker die "Rot-Färbung" des Lehrers, desto größer war die Wahrscheinlichkeit, als Kind oder Jugendlicher aus einer christlich geprägten Familie vor versammelter Klasse ein paar verbale Watschen zu bekommen.
Andere aber, zu erwähnen wäre ein Kind des Rostocker Pfarrers Joachim Gauck, durften ein Studium aufnehmen. Die jetzige Bundeskanzlerin Angela Merkel, ebenso Pfarrerszögling, bekam gleichfalls die Möglichkeit eines Hochschulbesuchs eingeräumt.
Und: ein Kirchenfunktionär der DDR hatte, was das Ansprechen von vermeintlichen oder tatsächlichen Mißständen betraf, natürlich einen wesentlich größeren Spielraum als seine "Schäfchen" oder nichtreligiöse Bürgerinnen und Bürger. Unter dem Dach der Kirche, quasi ein Schutzgebiet, ließen sich auch schon einmal ungehindert Interviews mit dem ZDF durchführen. Das relativiert natürlich die Anfang der Neunziger gemachten Aussagen des Pfarrers Oswald Wutzke, nach 1989/90 Minister in M-V. Er habe auf den Synoden stets seine Meinung kundgetan, erklärte Wutzke damals in einem Gespräch mit dem Norddeutschen Rundfunk.
Die Kontakte zwischen Stasi und Kirche gilt es zudem noch umfassend aufzuarbeiten.
Einige weitere wichtige Aspekte ließ Kardinal Sterzinsky gegenüber der "Super Illu" gleichfalls außeracht.
Gewiß, in der DDR der Endjahre knirschte es in jeder Beziehung im Gebälk. Viele Probleme waren hausgemacht (u. a. die Liquidierung des Mittelstandes Ende der sechziger, Anfang der siebziger Jahre, die Doppelmoral vieler SED-Funktionäre, was weiten Teilen der Bevölkerung nicht verborgen blieb; extrem niedrige Mieten, die eine Rücklagenbildung für Sanierungen kaum möglich machten; ein schier unglaubliches, zudem sehr kostenintensives System der Überwachung). Vergessen werden darf aber ebenfalls nicht, daß die DDR, im übrigen ein durchaus völkische Merkmale aufweisender Staat, vom ersten Tag an mit dem Rücken zur Wand stand. Eine großzügige Unterstützung wie die Bundesrepublik (z. B. Marshallplan) oder Berlin-West (horrende Subventionen) erfuhr das Land nie. Im Gegenteil: Die DDR trug die Hauptlast der von der Sowjetunion eingeforderten Reparationen (v. a. die Demontage von Betrieben, Eisenbahngleisen). Zudem litt auch sie unter dem Raub der alten deutschen Ostgebiete, wobei hier in ökonomischer Hinsicht der schlesische Kohlenpott als "Energiespender" oder das traditionell agrarisch geprägte Ostpreußen zu nennen wären.
Thema deutsche Trennung bzw. Teilwiedervereinigung: Könnte man Herrn Sterzinsky bei ein wenig Böswilligkeit unterstellen, die Ex-DDR-Bevölkerung für nicht tüchtig genug zu halten, muß ein anderer Aspekt aber unbedingt noch stärker herausgearbeitet werden. Natürlich flossen ab 1989/90 Milliarden und aber Milliarden in den Wiederaufbau Mitteldeutschlands.
Vergessen werden darf aber auch nicht, daß der Mauerfall für die kriselnde westdeutsche Wirtschaft zum rechten Zeitpunkt gekommen war: Beträchtliche Sparrücklagen der meisten DDR-Bürger, recht großzügige Abfindungen vieler Volkseigener Betriebe (VEB) und der durch nichts aufzuhaltende Drang, Versäumtes nachzuholen, führten zu einem wahren Absatzboom.
Zweitens ließ man Pläne westdeutscher Wirtschaftslenker bewußt in den Schubladen verschwinden. Deutsche-Bank-Chef Alfred Herrhausen und Treuhand-Führer Detlev Karsten Rohwedder hatten für die neuen Länder Pläne entwickelt, die sich unter dem Motto "Sanierung vor Entschädigung" zusammenfassen lassen. Westdeutsches "Know how" und das Facharbeitertum der DDR sollten in diesem Prozeß die Trümpfe sein.
Die Ausgangsposition für die Verhinderung eines Kahlschlags, wie er dann unter Treuhand-Chefin Birgit Breuel zustandekam, wäre somit vorhanden gewesen. Übrigens wurden sowohl Herrhausen als auch Rohwedder erschossen - nach offizieller Lesart gehörten die Täter zur RAF - wers glaubt …
Das Versehen der DDR-Altschulden (LPG, VEB, Kommunen) in Höhe von 400 Mrd. Ost-Mark mit dem (hohen) westlichen Zinssatz mußte als zusätzliches Würgeinstrument wirken. Hinzu kommt die Umrubelung von während der Beitrittsverhandlungen gedrucktem Geld in Westwährung, die auf Banken in Liechtenstein und Luxemburg geparkt wurde - die Banken fragten nicht, da sie daran gut verdienen.
Und nicht zuletzt wurde das Beitrittsgebiet zwangsläufig in den Strudel westdeutscher Vasallen- und schuldkomplexbeladener Politik hineingezogen: Zahlungen an EU, NATO, UN, Weltwährungsfonds, Aufwendungen für Zuwandererintegration und, und werden nunmehr auch von den einstigen DDR-Bürgern mitgetragen - ein weiterer Grund, warum Geld für den zielgerichteten Aufbau von Strukturen nicht vorhanden ist.
Andererseits können wir Herrn Sterzinsky aber beruhigen: Bis 2019 werden die Transfers für das Gebiet zwischen Elbe und Oder eh eingefroren - dann dürfte auch der Kardinal inmitten eines echten Jammertals wohnen. Schon jetzt warten wir in stiller Vorfreude auf den dann seinem Griffel entfließenden Wortbeitrag.
Lutz Dessau
Quelle: www.npd-mv.de
Erstellt am Mittwoch, 12. April 2006
Auch sollten gerade alle Christen über das Ende der DDR glücklich sein. "Auch wenn wir nicht so blutig und grausam verfolgt wurden wie die Christen in der Sowjetunion, mußten wir als Christen in der DDR schon einiges aushalten, wurden oft schikaniert und ausgegrenzt."
Gewiß, und das steht unumstößlich fest, waren die Christusgläubigen der Basis recht häufig nicht gerade wohlgelitten. Wer aus Glaubens- oder sonstigen Gewissensgründen keine Waffe in die Hand nehmen wollte, hatte ab Ende der Sechziger die Möglichkeit, als sogenannter Bau- oder Spatensoldat zu dienen. Oftmals wurden die jungen Männer zu echten Knochenjobs (z. B. Arbeit im Tagebau oder in der chemischen Industrie) herangezogen. Je stärker die "Rot-Färbung" des Lehrers, desto größer war die Wahrscheinlichkeit, als Kind oder Jugendlicher aus einer christlich geprägten Familie vor versammelter Klasse ein paar verbale Watschen zu bekommen.
Andere aber, zu erwähnen wäre ein Kind des Rostocker Pfarrers Joachim Gauck, durften ein Studium aufnehmen. Die jetzige Bundeskanzlerin Angela Merkel, ebenso Pfarrerszögling, bekam gleichfalls die Möglichkeit eines Hochschulbesuchs eingeräumt.
Und: ein Kirchenfunktionär der DDR hatte, was das Ansprechen von vermeintlichen oder tatsächlichen Mißständen betraf, natürlich einen wesentlich größeren Spielraum als seine "Schäfchen" oder nichtreligiöse Bürgerinnen und Bürger. Unter dem Dach der Kirche, quasi ein Schutzgebiet, ließen sich auch schon einmal ungehindert Interviews mit dem ZDF durchführen. Das relativiert natürlich die Anfang der Neunziger gemachten Aussagen des Pfarrers Oswald Wutzke, nach 1989/90 Minister in M-V. Er habe auf den Synoden stets seine Meinung kundgetan, erklärte Wutzke damals in einem Gespräch mit dem Norddeutschen Rundfunk.
Die Kontakte zwischen Stasi und Kirche gilt es zudem noch umfassend aufzuarbeiten.
Einige weitere wichtige Aspekte ließ Kardinal Sterzinsky gegenüber der "Super Illu" gleichfalls außeracht.
Gewiß, in der DDR der Endjahre knirschte es in jeder Beziehung im Gebälk. Viele Probleme waren hausgemacht (u. a. die Liquidierung des Mittelstandes Ende der sechziger, Anfang der siebziger Jahre, die Doppelmoral vieler SED-Funktionäre, was weiten Teilen der Bevölkerung nicht verborgen blieb; extrem niedrige Mieten, die eine Rücklagenbildung für Sanierungen kaum möglich machten; ein schier unglaubliches, zudem sehr kostenintensives System der Überwachung). Vergessen werden darf aber ebenfalls nicht, daß die DDR, im übrigen ein durchaus völkische Merkmale aufweisender Staat, vom ersten Tag an mit dem Rücken zur Wand stand. Eine großzügige Unterstützung wie die Bundesrepublik (z. B. Marshallplan) oder Berlin-West (horrende Subventionen) erfuhr das Land nie. Im Gegenteil: Die DDR trug die Hauptlast der von der Sowjetunion eingeforderten Reparationen (v. a. die Demontage von Betrieben, Eisenbahngleisen). Zudem litt auch sie unter dem Raub der alten deutschen Ostgebiete, wobei hier in ökonomischer Hinsicht der schlesische Kohlenpott als "Energiespender" oder das traditionell agrarisch geprägte Ostpreußen zu nennen wären.
Thema deutsche Trennung bzw. Teilwiedervereinigung: Könnte man Herrn Sterzinsky bei ein wenig Böswilligkeit unterstellen, die Ex-DDR-Bevölkerung für nicht tüchtig genug zu halten, muß ein anderer Aspekt aber unbedingt noch stärker herausgearbeitet werden. Natürlich flossen ab 1989/90 Milliarden und aber Milliarden in den Wiederaufbau Mitteldeutschlands.
Vergessen werden darf aber auch nicht, daß der Mauerfall für die kriselnde westdeutsche Wirtschaft zum rechten Zeitpunkt gekommen war: Beträchtliche Sparrücklagen der meisten DDR-Bürger, recht großzügige Abfindungen vieler Volkseigener Betriebe (VEB) und der durch nichts aufzuhaltende Drang, Versäumtes nachzuholen, führten zu einem wahren Absatzboom.
Zweitens ließ man Pläne westdeutscher Wirtschaftslenker bewußt in den Schubladen verschwinden. Deutsche-Bank-Chef Alfred Herrhausen und Treuhand-Führer Detlev Karsten Rohwedder hatten für die neuen Länder Pläne entwickelt, die sich unter dem Motto "Sanierung vor Entschädigung" zusammenfassen lassen. Westdeutsches "Know how" und das Facharbeitertum der DDR sollten in diesem Prozeß die Trümpfe sein.
Die Ausgangsposition für die Verhinderung eines Kahlschlags, wie er dann unter Treuhand-Chefin Birgit Breuel zustandekam, wäre somit vorhanden gewesen. Übrigens wurden sowohl Herrhausen als auch Rohwedder erschossen - nach offizieller Lesart gehörten die Täter zur RAF - wers glaubt …
Das Versehen der DDR-Altschulden (LPG, VEB, Kommunen) in Höhe von 400 Mrd. Ost-Mark mit dem (hohen) westlichen Zinssatz mußte als zusätzliches Würgeinstrument wirken. Hinzu kommt die Umrubelung von während der Beitrittsverhandlungen gedrucktem Geld in Westwährung, die auf Banken in Liechtenstein und Luxemburg geparkt wurde - die Banken fragten nicht, da sie daran gut verdienen.
Und nicht zuletzt wurde das Beitrittsgebiet zwangsläufig in den Strudel westdeutscher Vasallen- und schuldkomplexbeladener Politik hineingezogen: Zahlungen an EU, NATO, UN, Weltwährungsfonds, Aufwendungen für Zuwandererintegration und, und werden nunmehr auch von den einstigen DDR-Bürgern mitgetragen - ein weiterer Grund, warum Geld für den zielgerichteten Aufbau von Strukturen nicht vorhanden ist.
Andererseits können wir Herrn Sterzinsky aber beruhigen: Bis 2019 werden die Transfers für das Gebiet zwischen Elbe und Oder eh eingefroren - dann dürfte auch der Kardinal inmitten eines echten Jammertals wohnen. Schon jetzt warten wir in stiller Vorfreude auf den dann seinem Griffel entfließenden Wortbeitrag.
Lutz Dessau