Jugend-Auslands-Zwangsverschickung – und wie man sich dagegen wehrt

Immer neue Beschwerden erreichen uns über Sozialbehörden, die junge Leute aus Mecklenburg und Pommern dazu zwingen, Arbeitsstellen im Ausland anzunehmen. Mit Leistungskürzungen wurde dabei nicht nur gedroht; es wurden auch schon welche vollzogen.

Wie ist die Rechtslage?

In der entsprechenden Vorschrift - § 10 SGB II – heißt es: "Eine Arbeit ist nicht allein deshalb unzumutbar, weil der Beschäftigungsort vom Wohnort des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen weiter entfernt ist als ein früherer Beschäftigungs- oder Ausbildungsort." Theoretisch ist damit eine Zwangsverschickung ins Ausland möglich.

Die NPD-Fraktion im Landtag hatte deshalb bereits im Oktober 2007 einen Antrag eingebracht, der auf eine Änderung dieses Paragraphen abzielte. Gegenredner Jörg Heydorn (SPD) erwiderte darauf: "... Und ich finde es durchaus sinnvoll, wenn ein Mensch, der hier keine Arbeit findet, sich sagt: Bevor ich hier arbeitslos bin und nichts tue, suche ich mir an anderer Stelle Arbeit." Des weiteren erklärte der Herr: "Und ich finde, es ist letztlich zumutbar, das zu fordern" – nachzulesen in der Niederschrift der 27. Landtagssitzung, Seite 71.

Was können Betroffene tun?

Sie haben das Recht, sich auf "sonstige wichtige Gründe" zu berufen, die zusammen mit dem Aspekt übermäßiger Entfernung eine Arbeitsaufnahme unzumutbar machen können.

Das sind:

1.) Biographische Entwurzelung:

Die liegt vor, wenn der Arbeitsplatz so weit entfernt ist, die Fahrtkosten so hoch und der Lohn so gering, daß die Aufrechterhaltung des Kontaktes zum bisherigen, besonders dem familiären Umfeld, damit unmöglich wird. Fachleute sprechen dann von einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts.

2.) Erziehungsgefährdung:

Sie ist gegeben, wenn die Aufnahme der Arbeit zur Gefahr für die Erziehung der eigenen Kinder oder der des Lebenspartners wird.

Hierbei sind die konkreten Lebensumstände von großer Bedeutung: Je wichtiger der zum Umzug Gezwungene für die Betreuung der Kinder ist und je weniger der Lebenspartner oder andere Familienangehörige dazu allein in der Lage sind, desto besser stehen die Chancen. Eine wichtige Rolle spielt auch die Persönlichkeit der betroffenen Kinder.

3.) Gefährdung der Pflegeverantwortung:

Diese ist zu bejahen, wenn die Arbeitsaufnahme mit der Pflege eines Angehörigen nicht zu vereinbaren wäre und die Pflege auch auf andere Weise nicht sichergestellt werden kann.

Konkretes Vorgehen

1.) Das Ansinnen der Behörde nicht einfach ablehnen, weil das sofort als Vorwand für Leistungskürzungen genommen wird.

2.) Statt dessen erklären, daß man sich zunächst unter Protest fügt und bewirbt, aber gleichzeitig Widerspruch einlegt und im Eilverfahren klagt.

3.) Falls die Anordnung, eine im Ausland befindliche Arbeitsgelegenheit wahrnehmen zu sollen, nur mündlich erteilt wird, macht das nichts. Auch gegen einen mündlichen Verwaltungsakt kann man Widerspruch einlegen und klagen.

4.) Den Widerspruch schreiben und entweder persönlich, nur gegen Quittung, übergeben oder unter Anwesenheit von Zeugen in den Behörden-Briefkasten werfen oder per Einschreiben mit Rückschein absenden.

5.) Der Widerspruch sollte etwa so aussehen: Gegen Ihre am ... erteilte mündliche/schriftliche Anordnung, mich für die Arbeitsgelegenheit ... zu bewerben, lege ich Widerspruch ein und mache darauf aufmerksam, daß dieser aufschiebende Wirkung hat. Begründung: Die Entfernung des Arbeitsplatzes von meinem Wohnort läuft für mich auf eine biographische Entwurzelung und damit auf eine Verletzung meines Persönlichkeitsrechtes hinaus. Angesichts meines zu erwartenden Verdienstes und der hohen Fahrtkosten werde ich mir nur sehr selten Heimfahrten leisten können, wodurch ich von meinem familiären Umfeld auf unzumutbare Weise getrennt werde. Außerdem ist die Erziehung meiner Kinder – oder - Pflege von Angehörigen hierdurch gefährdet.

Zusatzbemerkung: Je mehr konkrete Angaben zum Verdienst, zu den Fahrtkosten, zu den Angehörigen in der Heimat, der Situation in der Familie hinsichtlich von Erziehung und/oder Pflege erfolgen, desto besser.

6.) Eine Klage einreichen, die so aussehen sollte:

An das Sozialgericht XY
Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung:

In dem sozialgerichtlichen Verfahren des ... gegen die Arbeitsgemeinschaft / Sozialagentur (beide mit Anschrift) beantrage ich, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung dazu zu verurteilen:

Den Bescheid aufzuheben, der mir aufgibt, mich für die Arbeitsstelle XY zu bewerben und – gegebenenfalls – den Bescheid aufzuheben, durch den eine Kürzung der Leistungen erfolgte.

Begründung:

I. Am soundsovielten erhielt ich mündlich / schriftlich die Anordnung, mich für die Arbeitsstelle XY zu bewerben (wenn vorhanden: den Bescheid als Anlage hinzufügen).

VARIANTE A: Ich habe mich unter Protest beworben, aber gleichzeitig Widerspruch eingelegt (Schreiben als Anlage)

VARIANTE B: Ich weigerte mich und legte Widerspruch ein, worauf eine Leistungskürzung erfolgte (Bescheid und/oder Widerspruch als Anlage)

II. Die Anordnung, mich für diese Stelle zu bewerben, ist rechtswidrig, weil dadurch biographische Entwurzelung / Verletzung des Persönlichkeitsrechtes droht – wichtig dabei ist die genaue Schilderung von: Lohn, Fahrtkosten, Wohnorten der Angehörigen; gegebenenfalls mit der Erziehungs-/Pflegegefährdung drohen und dabei wieder genaue Angaben zur Familiensituation machen.

III. Eilbedürftigkeit ist schon deshalb gegeben, weil die Sozialbehörde auf möglichst zeitnahe Arbeitsaufnahme drängt, so daß ein Abwarten der üblichen Verfahrensdauer unzumutbar ist.

Unterschrift

Schlußbemerkung:

Wir sollten keine Auslands-Zwangsverschickung ohne Kampf vor den Gerichten hinnehmen. Denn noch erheben die Sozialgerichte keine Gebühren.

Außerdem wirkt es befremdlich, wenn auch die Kollegen vom SPD-Heydorn einerseits in wortreichen Reden Fachkräftemangel und Abwanderung beklagen, andererseits aber ihren zweifelhaften Beitrag zur weiteren "Entleerung" alter Arbeits- und Kulturräume leisten.
Quelle: www.npd-mv.de Erstellt am Montag, 06. Oktober 2008