Manchmal läufts nach Rechts

Wahlbeobachtungen in Waren

Für 30. August hatte die NPD einen Informationsstand in Waren angezeigt und von der Stadtbehörde auch genehmigt bekommen. Einen Tag davor, am 29. dann hektische Betriebsamkeit in der Stadtverwaltung. Der genehmigende Mitarbeiter – eigentlich nur eine Urlaubsvertretung und sonst für Kundgebungen zuständig – hatte in seinem eigenen Ressort eine schon lange für diesen Tag genehmigte PDS-Wahlveranstaltung auf dem Neuen Markt übersehen. Oft weiß die LINKE eben nicht was die RECHTE tut – aber in diesem Falle lag das an ein und derselben Person!

Man sage nicht, daß die Nationalen unflexibel sind. Statt mit der Verwaltung zu hadern, schlug Direktkandidat Borrmann ein Verschieben der Veranstaltung auf den späten Nachmittag vor. Was aber in der Zwischenzeit tun? Während auf dem neuen Markt die LINKSPARTEI.PDS ihren Veranstaltungstroß mit Wohnmobil, Musikbühne, Hüpfburg, Imbißstand und Party-Tischen aufbaut, verteilt Kamerad Borrmann in aller Ruhe Kandidatenflugblätter für die Wahlkreise 21, 22 und seinen eigenen – den 20er mitten im Stadtzentrum unter der Anwesenheit der Linken, die auf dem Rechten Augen blind zu sein scheinen – oft weiß die LINKE eben nicht was die RECHTE tut. Gerade als die ersten Töne der beiden Liedermacher erschallen, wandert auf dem Neuen Markt, Briefkasten für Briefkasten, Infomaterial der NPD seiner Bestimmung entgegen.



Vor einer Haustür stehen ein paar "arme Schlucker" mit leeren Bierflaschen "bewaffnet" und rätseln, wie sie ihren künftigen Durst stillen wollen, denn das ALG-II-Geld wird erst am Folgetag eintreffen. "Haste mal’n Euro?", wird Kamerad Borrmann angesprochen. "Ich habe eine bessere Idee – schaut doch mal da drüben! Die PDS veranstaltet gerade eine Kundgebung. Da solltet ihr Euch an die wenden, die wie Minister Methling in der Regierung sitzen und auch für Euch Verantwortung tragen! – Vielleicht gibt’s sogar ein Freibier ..." Das lassen sich die Stadtarmen nicht zweimal sagen und brechen, die Briefeinwurfschlitze freigebend, eilig auf. –





Als der Markt zusammen mit dem ersten Straßenzug abgearbeitet ist, begibt sich der Direktkandidat der NPD ohne Scheu und Zwang an den Veranstaltungsort der LINKSPARTEI. Sein erstes Augenmerk gilt einem Tisch mit DDR-Literatur, wo ihm ein Buch von Klaus Feldmann, dem legendären Nachrichtensprecher der AKTUELLEN KAMERA ins Auge fällt. – "Da haben Sie aber eine Rarität anzubieten ..." – "Nur eine kleine Auswahl! Wir können ja nicht alles mitbringen, was wir noch so haben ... – Darf ich ihnen Informationsmaterial anbieten? Unsere Wahlzeitung, die LINKE im Bundestag, das Programm der PDS, Demokratie und Toleranz stärken – Nasis raus aus den Köpfen, das Wahlprogramm "Gemeinsam für mehr Gerechtigkeit" speziell zur Landtagswahl, Flyer vom Minister Methling und unserer Direktkandidatin des hiesigen Wahlkreises oder vielleicht etwas auf Platt ...?" – "Ich nehm’ die ganze Serie", parriert Kandidat Borrmann kurzentschlossen und Sekunden später wechselt ein ganzer Stoß Infomaterial von der LINKEN in die RECHTE Hand.



"Ich sehe sie haben auch ihr Plakat-Motto ‚SOZIALE GERECHTIGKEIT schreibt sich ohne N, P, D!’ als Aufkleber verwendet ..." – "Ja – wir müssen etwas tun. Die Rechten sind überall auf dem Vormarsch! Und ehe man sich versieht, stehen sie vor einem ..." – "Da haben sie vollkommen recht!" bestätigt Raimund Borrmann. "Ich bin selbst sehr engagiert" fügt er lächelnd mit einem Augenzwinkern hinzu. – "Ach ja? Das ist gut! Nehmen sie auch ein paar von den Aufklebern?" – "Nur ein paar? Die finden reißenden Absatz, wissen sie ... Wir Engagierten haben schon ein ergänzendes Aufklärungsflugblatt verfaßt, das wir verteilen! Da wären die Aufkleber recht authentisch!" – "Verstehe! Hier haben sie einen ganzen Packen – hundert Stück!?" – "Ich denke das reicht für unsere Aktion" bedankt sich Kamerad Borrmann und nimmt das Bündel entgegen, ohne daß der arglose Spender auch nur ahnt, wen er vor sich hat. Woher sollte er auch? Manchmal ist eben auch die LINKE auf dem rechten Auge blind! Ein paar Meter weiter steht der Spitzenkandidat Wolfgang Methling und turtelt gerade mit ein paar jungen attraktiven Frauen aus der Wahlmannschaft. "Er mag Frauen ..." heißt es in der Linkspartei-Wahlzeitung "PRO" unter der Überschrift "Ganz oder gar nicht" vielsagend. Raimund Borrmann würde gern auch mit ihm, dem Minister, ein paar Worte wechseln – aber der Lebemann ist momentan mit Personen beschäftigt, deren Qualitäten Kandidat Borrmann einfach nicht aufwiegen kann ...

Unschlüssig spaziert er ein wenig abseits auf einen Würstchenstand zu. Als ein älterer Herr auf ihn zukommt, verschafft er sich dessen Aufmerksamkeit, in dem er diesem ein rosefarbenes Blatt mit der Überschrift "Soziale Gerechtigkeit schreibt sich ohne N, P, D" überreicht. "Nö! – Mit der NPD will ich nichts zu tun haben!", wehrt der barsch ab. – "Aber das ist doch der Wahlspruch der PDS!" – "Ja richtig – da haben sie recht! Geben sie her, ich werde es später lesen ... Wissen sie ich war dreißig Jahre in der NVA! Habe mich bis zum Major hochgedient ... Mal sehen was die Genossen hier so machen, dachte ich mir – und jetzt bekomme ich schon auf dem Hinweg Propaganda! Weiter so!" Schon hat der ältere Herr den "Trojaner" – einem Gegenstand, dessen wahrer Inhalt sich erst auf dem zweiten Blick offenbahrt – in sein Jackett gesteckt.

Für den Augenblick zufrieden verläßt der NPD-Mann den Neuen Markt, geht ein paar Straßenzüge weiter zum vereinbarten Treffpunkt mit Kameraden. Eine kurze Absprache, wenige Instruktionen und schon nach wenigen Minuten läuft alles nach Plan. Sich langsam zum neuen Markt vorarbeitend, verteilen sie auf der Langen Straße das rosefarbene Infoblatt. Volkes Beobachter sieht nicht nur Anwohner und Passanten dieses seltsame Blatt lesen ... Einige zerknüllen es wütend, andere Schütteln den Kopf, nicht wenige nicken vielsagend bedächtig. Selbst der auf dem Neuen Markt präsenten Einsatzpolizei drücken die Kameraden die "Trojaner" in die Hand. Die beiden sichtlich gelangweilten "Grünröcke" bedanken sich und beginnen mit dem Lesen. Plötzlich schauen sie sich gegenseitig an und scheinen nicht recht zu wissen, was sie von dieser LINKS-RECHTS Verschiebung halten sollen. –

Inzwischen hat sich ein leiser Nieselregen über den Platz gelegt. Während die Liedermacher ihre durchweg englischen "Songs" abspielen, schwärmt Direktkandidatin Marina Stahmann in die Lange Straße aus, um Informationsmaterial an die Bürger zu verteilen.



Die geborene Bremerin war Verwaltungsbeamtin im Sozialamt, studierte Soziologie und Philosophie, machte Karriere als Bildungsreferentin beim DGB und als Geschäftsführerin des Landesjugendrings. Heute ist sie Geschäftsführerin der Juletec Saßnitz GmbH – einer Firma, die sich "Umsetzungspartner der Bundesinitiative >Jugend ans Netz<" nennt und mit dem Symbol "Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend" wirbt. Alles in allem eine Frau, die bis heute mit beiden Beinen voll im System steht und von dessen Geldern ein gutes, etabliertes Leben führen kann. Wie Hohn liest sich da ihr Bekenntnis: "Und natürlich kann man – wenn man weiß, wie die Not der Menschen entsteht – eigentlich nur in der Linkspartei.PDS landen." Umgekehrt: auch aus diesen ökonomischen Verknüpfungen ihrer Mitglieder mit der BRD wird klar, daß die Linkspartei.PDS längst im System gelandet ist! Kandidatin Stahmann schwärmt in ihrem INFO-Blatt: "Seit sechs Jahren lebe ich nun in Mecklenburg-Vorpommern und bin von MV begeistert. Dieses Land und die Menschen hier haben Potenziale." Dann folgt eine Bemerkung, die man sich auf der Zunge zergehen lassen sollte: "Ich spüre hier immer wieder, daß die Gemeinsamkeiten der Norddeutschen wichtiger sind als die Unterschiede zwischen Ossis und Wessis." Diese Satz enthält ein Paradox! Denn entweder zählen die bis zu 40% "Migranten" – sprich Ausländer – im Westen (etwa Delmenhorst) auch zu den "Norddeutschen", dann gibt es doch erhebliche Unterschiede zur Mentalität der Muslim-durchsetzten Landstriche in denen deutschsprechende Kinder schon heute in der Minderheit sind. Oder: Frau Stahmann blendet in ihrer Gemeinsamkeits-Duselei die Ausländer einfach aus ... auch eine Form der Gerechtigkeit – die der Austeilenden (nach Platon). Wie sehr ihr "Gemeinsamkeitsgefühl der Norddeutschen" sie selbst täuscht, beweist die zugezogene "Linke" in der Art, wie sie sich präsentiert: an ihrer Seite die zwei eben noch mit dem Minister turtelnden jungen Frauen, die, in knackig-knallrote Ganzkörperanzüge gesteckt, für jene Aufmerksamkeit sorgen sollen, zu der offenbar die Soziologin und Philosophin Stahmann sonst nicht fähig wäre. So sieht eine Werbekampagne für das Sex-Magazin Playboy aus! Aber von einer Partei, die sich für die soziale Gerechtigkeit und Demokratie einsetzt, kann man doch mehr erwarten, als daß sie sich des dekadenten Zeitgeistes eines "faulenden und sterbenden Kapitalismus" bedient. Entsprechend irritiert-reserviert reagieren die Passanten. Nur wenige nehmen überhaupt Material an.



Auch Raimund Borrmann wird von ihr werbend angesprochen. Was für eine Farce! Nicht einmal den NPD-Kandidaten des Wahlkreises, ihren Mitbewerber, einer von jenen RECHTEN gegen den LINKE.PDS "kämpfen" will, kennt diese Systemfrau. Manch ein Passant schüttelt über ihr Auftreten den Kopf. – "PDS – heißt wohl Partys, Drogen und Sex?" – "Und die sollen uns im Landtag vertreten? Ist das ein Freudenhaus?" mokiert eine ältere Dame. "Die sieht ja aus wie eine Chefin vom horizontalen Gewerbe mit ihren besten Angestellten ..." , spöttelt ein anderer Fußgänger. – Die meisten aber lassen sich von der knalligen 68’Werbekultur nicht beeindrucken. 17 Jahre BRD haben viele abgestumpft.

Kandidat Borrmann wendet eine andere Taktik an. "Hallo! Ihre Bekleidungauslage hat keinen Bezug zur heutigen Wahlveranstaltung ...?" fragt er eine Boutique-Besitzerin. "Keine Ahnung – ich muß arbeiten und habe nichts gesehen. Und jetzt muß ich die Ware in den Laden bringen. Könnten sie mir mal helfen?" – Schon ist der Kamerad eingespannt. "Dürfte ich ihnen ein Kandidaten-Flugblatt überreichen?" ist die revanchierende Frage. Für den Bruchteil einer Sekunde zögert die Frau und nimmt dann an. "Oh! NPD –das ist immer gut ..." Das Leben ist voller Überraschungen.

Etwa eine Stunde später tritt die Bundestagsabgeordnete Heidrun Bluhm vor dem Musikzelt ans Mikrophon. Zunächst wird sie von einer Moderatorin befragt, wie sich denn die PDS im Bundestag "schlage". "Wir sind glücklich wieder als starke Fraktion im Bundestag zu sein. Hier können wir gegen Mißstände des kapitalistischen Systems, wie Rüstungsexporte und Auslandseinsätze wirken. Aber es ist für uns sehr schwer, uns Gehör zu verschaffen ..." –



Dann wechselt die Moderatorin unversehens das Thema: "In Mecklenburg-Vorpommern tritt neben der PDS die WASG zur Wahl an. Wie weit ist der Stand um die Bemühungen zur Vereinigung beider Parteien?" – "Wir sind schon ein gutes Stück vorangekommen!" kann Frau Bluhm stolz verkünden. "Wir hatten auch gar keine Zeit uns erst als PDS oder WASG im Bundestag zu profilieren – für die anderen sind wir einfach DIE LINKE. Und so treten wir auch nach innen auf. Die Satzung und das Programm unser gemeinsamen LINKSPARTEI sind in Arbeit und im nächsten Frühjahr, spätestens Sommer 2007 wird die Vereinigung vollzogen sein ..." – Ein deutliches Wort für all jene, die Glauben, die WASG sei die wahre, konsequente Stimme der sozial Entrechteten und sie statt der PDS wählen. NPD-Kandidat Borrmann hatte schon am 22.08.2006 im Gespräch mit Günter Brock (WASG) deutlich gemacht: "Selbst wenn sie eine kritischen Haltung zur PDS haben – auf Dauer haben Sie keine Chance! Die Bundes WASG will die Vereinigung mit der PDS – und die abtrünnigen Landesverbände werden zum Gehorsam gezwungen. Ohne Geld können Sie als Landesverband dichtmachen ... Sie werden sich also früher oder später mit dem PDS-Genossen arrangieren müssen!" So gesehen kann man sagen: Wer WASG wählt, wählt PDS! Und wer PDS wählt – wählt das Kartell der "Blockparteien" und damit das System selbst. –

Als die Genossen ihre "Zelte" wieder eingepackt haben, sind die Dorfarmen immer noch auf dem Marktplatz. Kandidat Borrmann wundert sich, daß sie nur einen Bierdeckel in den Händen halten mit dem Aufdruck: "Unter jedes Bier paßt noch ein Deckel. DIE LINKE." – "Freibier gab’s heute nicht, aber Bierdeckel ...", lacht der Eine. – "Die machen sich über uns doch nur lustig!", entgegnet der andere mißmutig. – Kamerad Borrmann schüttelt den Kopf: "Der Mensch lebt nicht vom Bier allein, Bürger! Ihr braucht wieder ein Zuhause und Arbeit! Arbeit brauchen wir alle – sonst gehen wir vor die Hunde! Denkt mal darüber nach ... und fangt an, Euch zu wehren." Dann drückt er ihnen sein Kandidatenflugblatt in die Hand. Als sie "NPD" lesen hellen sich ihre Gesichter auf. "Endlich mal einer der mit uns spricht!"


Quelle: www.npd-mv.de Erstellt am Samstag, 09. September 2006