"Schmiere stehen" - Rostocker Doktor der Theologie mit Kriminal-Geschichte auf Jiddisch

Interessante Hinweise für den alltäglichen Sprachgebrauch enthält ein Beitrag, der in der neuesten Ausgabe des Rostocker Werbeblattes "NNNplus" (Ausgabe vom 11. 05.) erschienen ist. Zu Wort kommt Dr. Martin Rösel. Er unterrichtet Theologie-Studenten der Universität Rostock in hebräischer Sprache. Erwähnt wird, daß Dr. Rösel zuweilen auch Kriminalistisches in seine Vorlesungen einfließen läßt. " ,Ganoven’ machen einen Bruch, wobei jemand ,Schmiere’ steht, etwas ,verschachert’, sich die Polizei ,auf die Socken macht’, der Hund ,kläfft’ und später der Schuldige aufs ,Schafott’ kommt", heißt es in dem Artikel mit dem Arbeitstitel "Jiddische Wörter in der deutschen Sprache". Hinzuzufügen wäre in diesem Zusammenhang noch "ausbaldowern", also das Auskundschaften eines Objekts.

Mitte der neunziger Jahre fiel der Schriftleitung der Landes-Polizei-Zeitung für M-V das Thema sozusagen fast auf die Füße bzw. den Griffel. Der verantwortliche Redakteur hatte einem Mitte des 19. Jahrhunderts erschienenen Kriminal-Blatt für das Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin einen Beitrag über "jüdische Gaunerbanden", die "die gerissensten" seien, entnommen. Der augenscheinlich auf Statistiken beruhende Darstellung sorgte bei Gutmenschen für einen Aufschrei der Empörung. Seitdem hat sich die Zahl der Tabu-Themen in der Bundesrepublik weiter erhöht.

Bedenken äußerte laut "NNNplus" der in Israel lebende Dr. Yaakov Zur, erster Ehrenbürger Rostocks nach dem 1989er Umbruch in Mitteldeutschland. Dr. Zur sehe Auflockerungen des Unterrichts dieser Art "mit gemischten Gefühlen. Gerade solche negativen Worte, die der Ganovensprache entlehnt sind, können auch antisemitisch benutzt werden, fürchtet der 81-jährige", eine Sorge, die Rösel nicht teilt. "Sprache hat sich so verselbständigt", wird er zitiert. "Es gäbe nur wenige Worte aus dem Jiddischen, die eindeutig negativ wahrgenommen werden, also bei denen die Nazipropaganda Spuren hinterlassen habe. Als Beispiel nennt der Theologe das Wort ,Schickse’ oder ,mauscheln’."

Im "Duden. Rechtschreibung der deutschen Sprache" (20 neu bearbeitete und erweiterte Auflage 1991) heißt es unter Mauschelei: "(hebr.-jidd.) (heimliches) Aushandeln von Vorteilen, Geschäften; mauscheln (jiddisch sprechen; (heimlich) Vorteile aushandeln, Geschäfte machen; übertr. für unverständlich sprechen." Dieselbe Quelle erwähnt unter Schickse: "die; … (jidd.) (ugs. abwertend für leichtlebige Frau)."

Sind die der Ganovensprache entlehnten Wörter demzufolge in der Herrschaftszeit des Nationalsozialismus nicht negativ besetzt gewesen?, mag sich der eine oder andere da fragen.
Doch weiter im Text: " ,Da es fast kein jüdisches Leben in Deutschland gibt, fehlt die lebendige Sprachprägung’, bedauerte der 44jährige Rostocker. Aber die jiddischen Worte, die schon lange in der deutschen Sprache sind, existieren weiterhin. Der Grund liegt auf der Hand: die Worte sind eingedeutscht. ,Das ist genau wie mit den Anglizismen’, sagt Rösel", um dann noch eine wirklich bemerkenswerte Feststellung zu machen: "Im Gegensatz zu Frankreich gingen die Deutschen so unaufmerksam mit ihrer Sprache um, daß ihnen gar nicht bewußt sei, was sie sagen." Dem können wir nur beipflichten.

Im Beitrag wird noch auf zwei Bücher zum Thema verwiesen. Beide hat Hans Peter Althaus, Professor für Gemanistische Linguistik an der Uni Trier, erarbeitet: "Zocker, Zoff und Zores – Jiddische Wörter im Deutschen" (München 2002) und Kleines Lexikon deutscher Wörter jiddischer Herkunft (München 2003) lauten die Titel.

Quelle: www.npd-mv.de Erstellt am Donnerstag, 11. Mai 2006