Die Vertreibung der Etablierten aus dem Bonzenparadies

Als engagierte Einwohner der pommerschen Kleinstadt Lassan am Montag, den 25.09.2006, um 11 Uhr vormittags zu einem Bürgerforum luden, ließ sich natürlich kein CDU/SPD/PDS/FDP-Parteimensch blicken. Warum auch! Die Wahl war gelaufen, die Roßtäuschertaktik getan.

Nach altem BRD-Brauch sind glückliche Mandatsinhaber grundsätzlich taub für die Sorgen derjenigen, die ihnen unvorsichtigerweise ihre Stimmen gaben. Die Stimmen gibt es erst in 5 Jahren wieder für einen kurzen Moment zurück. Bis dahin herrscht himmlische Stille. Nur das leise Knistern der Diätengeldscheine ist zu hören. Bisher! Leider gibt es jetzt einen neuen Mitspieler, der auf die alten Regeln pfeift, und zwar so laut, daß es den Etablierten in den Ohren gellt – die NPD! Dieser neue Mitspieler schreckt auch vor keiner Unhöflichkeit zurück.

Beispielsweise war es gar nicht nett von dem NPD-Landtagsabgeordneten Michael Andrejewski, tatsächlich zu kommen, als die Bürger Lassans riefen. Welch frecher Bruch mit allen geheiligten bundesrepublikanischen Gewohnheiten! Als einziger Politiker saß er auf dem Podium, wodurch die Abwesenheit der anderen noch auffälliger glänzte. Auf einmal sahen die Stützen des tollsten Systems aller Zeiten ziemlich schlecht aus, so schlecht, daß ihnen sogar die brave Ostseezeitung eine Kopfwäsche verpaßte. Sie hätten die Bürger mit ihren Sorgen allein gelassen, die Wählerverdrossenheit gesteigert und so "die Partei, die hier nicht genannt sein soll" punkten lassen.

Nicht leicht, sich da herauszureden, nicht einmal für die Profis. Unter Aufbietung ihrer vollen Intelligenzleistung dachten die Verächter "einfacher Lösungen in einer komplizierten Welt" eine geschlagene Woche lang nach – ohne Resultat. Sie legten noch ein paar Tage nach, und hier ist das Ergebnis, veröffentlicht am 06.10.2006 im Nordkurier: Der Hund hat die Hausaufgaben gefressen! Oder, in den Worten des SPD-Landesgeschäftsführers (es heißt wirklich "Führer", nicht unsere Schuld) Thomas Krüger: Er sei nicht für Abwässer zuständig – worum es in Lassan unter anderem ging - , sondern für ein nach unserer Meinung vergleichbares Phänomen, nämlich die innere Organisation der SPD.

Diese Führerworte wurden noch unterstrichen durch die Absonderungen zweier weiterer Führerinnen, der Damen Ziarkowski und Zimmermann, ihres Zeichen Landesgeschäftsführerin und "Regionalchefin" von FDP und PDS. Die bösen Lassaner hätten ihnen nur eine Woche Zeit gelassen und dann gehässigerweise den Termin auf Montag vormittag gelegt! Da hätte man natürlich keinen örtlichen Parteirepräsentanten auftreiben können, denn die hätten alle arbeiten müssen. Alle! Auch die Rentner, die Arbeitslosen und die hauptamtlichen Parteimitarbeiter.

Interessant. Während bei uns normalen Bürgern jeder Dritte erwerbslos ist, geben die Etablierten nun zu, daß bei ihren Funktionären die Quote gleich Null ist. Und was ist aus den PDS-Rentnern geworden? Ausgestorben? Daß Andrejewski gekommen sei, so der Nordkurier, läge nur daran, daß er als einziger Politiker keine dienstlichen Verpflichtungen habe. Was für dienstliche Verpflichtungen das wohl gewesen sein mochten, die die Hauptamtlichen der Etablierten daran hinderten, sich um die Bewohnbarkeit einer ganzen Stadt zu kümmern. Arbeitsessen? Festliche Empfänge, schöne Dienstreisen? Bei solchen Anlässen sind nämlich immer alle da, auch um 11 Uhr vormittags!

Außerdem haben Nordkurier, Ziarkowski und Zimmermann leider kein Ahnung von den Lebensumständen eines Hartz-IV-Empfängers, was sich hoffentlich noch ändern wird. So selbstverständlich ist das auch nicht, daß man als Bewohner der blühenden Alg-II-Landschaften immer Zeit hat. Andrejewski hätte durchaus an diesem Montag in einem sinnlosen Bewerbungskurs gesessen haben können, oder zum Zwecke gepflegter Zeitverschwendung beim "Fallmanager", oder gar als Arbeitssklave in einer Ein-Euro-Jobberkolonne. Aber dann hätten wir einen anderen geschickt.

Wir sind immer da, wenn es um die Belange des Volkes geht. Die Demokratenimitatoren dürfen jetzt wählen: Entweder sind sie von nun an auch da, wenn ihre Wähler Sorgen haben, oder sie überlassen uns das Feld. Das Prinzip "Vergiß das Volk, wenn du gewählt bist" wird jetzt gefährlich. Die Vertreibung aus dem Nichtstuer-Paradies hat begonnen.
zurück | drucken Erstellt am Freitag, 06. Oktober 2006