Damals wie heute: Vorsicht, Kneipenschnüffler!

Der Name läßt’s womöglich vermuten. Doch ist die "Petersberg-Rallye" in keiner Weise eine leistungssportliche Veranstaltung. Gewiß – in die Pedalen treten muß man auch hier, wobei Freude und Erholung an allererster Stelle rangieren. Vor 40 Jahren starteten Gleichgesinnte aus Halle/Saale eine private Radveranstaltung, die sie fortan einmal pro Jahr zum nahegelegenen Petersberg führte. Studentinnen und Studenten der Kunstschule Burg Giebichenstein schlossen sich an. Es folgten querdenkerische Intellektuelle und Künstler sowie zunehmend regimekritische Leute, die sich zumeist unter dem Dach der Kirche zusammengefunden hatten.

Aus Anlaß des 40. Geburtstags der Veranstaltung zeigte der Mitteldeutsche Rundfunk am 27. Juni einen Beitrag. In ihm kamen Zeitzeugen zu Wort, die mit plastischen Erinnerungen aufwarten konnten. Bier, Wein, Weib und Gesang spielten demzufolge bei den Ausflügen stets eine Rolle, was an sich nichts Verwerfliches ist. Der Staatsmacht in Gestalt von SED-Kreisleitung und MfS war die infolge von Eigeninitiative entstandene Tour mit ihren buntgeschmückten Rädern aber schon bald ein schmerzlicher Dorn im Auge. Die Stasi setzte Inoffizielle Mitarbeiter an, machte ungezählte Fotos und – ging dazu über, an der Strecke gelegene Wirtshäuser und Gaststätten unter Druck zu setzen: Entweder ihr schließt für den Tag der Petersberg-Rallye oder wir sorgen dafür, daß die Behörden Einblick in eure Geschäftsbücher bekommen. Motto: Irgendwas findet sich dann schon. In anderen Fällen wurden die Wirte mit dem Versprechen gelockt, ihnen Gesellschaften zuzuspielen, die für wesentlich größere Umsätze als die Tour-Teilnehmer sorgen würden.

Und heute? Im vorgeblich freiheitlichsten Staat, den es je auf deutschem Boden gegeben hat, ist so etwas – offiziell – nicht mehr möglich. Offiziell. In Thüringen, aber auch in anderen Gegenden zwischen Oderhaff und Bodensee sind die Innenbehörden indes dazu übergegangen, Gaststätten- und Hotelinhaber mit Handreichungen über "ungebetene Gäste" aufzuklären. Hilft das nicht, wird mit verstärkten Hygiene-Maßnahmen, Streuung von Gerüchten im Ort und medialer Öffentlichkeit gedroht. Bringt auch das den "Delinquenten" nicht zur Raison, gibt’s ja immerhin noch jene zugekifften, bis über beide Ohren vermummten Gestalten, die sich mit feigen Überfällen auf Kneipen zu Achtgroschen-Jungen des Systems machen lassen. Den Neo-Stasis ist halt jedes Mittel Recht, geht’s um die Unterdrückung der nationalen Opposition. Für damals wie heute gilt also: Vorsicht, Kneipenschnüffler!
zurück | drucken Erstellt am Donnerstag, 28. Juni 2007