Es kann nicht sein, was nicht sein darf

Gerade in diesen Tagen kommen allerhöchste Würden- und Würdchenträger dieser Republik mit den Realitäten nicht zurande. "Die Welt" blickt wegen des G8-Gipfels auf Mecklenburg-Vorpommern und in Anlehnung an die Fußball-WM 2006 erhofften sich Politiker der Altparteien, Chefs von Unternehmer- und Tourismus-Verband und womöglich manch braver Bürger eine anheimelige Atmosphäre, durch die der bislang vergeblich gesuchte wirtschaftliche Silberstreif endlich am Horizont auftauchen könnte. Daß letztere Hoffnung ein Hirngespinst ist, braucht wohl nicht weiter betont zu werden.

Doch nicht einmal erstgenannte Erwartung ging in Erfüllung. Am 2. Juni sorgten in Rostock schwerkriminelle und nahezu gänzlich vermummte Banditen der linksautonomen Szene für die schwersten Ausschreitungen seit etwa 20 Jahren in der Bundesrepublik.

Eine im Dezember 2006 angemeldete NPD-Demonstration in Schwerin erfuhr hingegen, wie auf dieser Präsenz schon ausführlich dargestellt wurde, ein Verbot durch alle Instanzen. Im Gefolge dieser Einschränkung von Grundfreiheiten fanden in etwa 25 Städten der Bundesrepublik Spontan-Demonstrationen der volkstreuen Kräfte statt, was in gewohnt friedlicher Weise geschah. Für größtes Aufsehen sorgten 120 Nationale, deren Wegstrecke durch das Brandenburger Tor führte.

Hier also jene Brand-Bilder, wie sie Linksautonome auch am Rande nationaler Versammlungen unter öffentlichem Himmel erzeugen (nur einen Zacken schärfer!), da die gewaltlosen Züge von NPD-Mitgliedern, Sympathisanten und parteiungebundenen Kräften. Das paßt, wie man sich denken kann, manch staatlich Alimentiertem aus der Garde der funktionierenden BRD-Funktionäre nicht in den Kram. Da werden Gerüchte gestreut, um auf diese Weise vielleicht noch eine Patt-Situation erzeugen zu können.

„Rechte machen mobil – trotz Verbot", überschrieb die Redaktion der Schweriner Volks-Zeitung (Ausgabe vom 7. Juni) einen Bericht. Die Verbotsverfügung für die NPD-Kundgebung in Rostock zum Anlaß nehmend, wird schwadroniert, was das Zeug hält. Axel Falkenberg, Erster Sprecher der G8-Polizei Kavala, berichtete dem Journalisten Christoph Fox über Hinweise, wonach "sich Rechte in den Camps aufhalten". Einer der Lager-Organisatoren, die sich natürlich in ihrer Ehre gekränkt gefühlt haben dürften, bezeichnete dies als "völligen Unsinn". Letztlich handelt es sich um abstruse Verschwörungstheorien, damit die Aufmerksamkeit im Sinne der Systempolitik "nach rechts" gelenkt werden kann.

Und weiter geht’s im Land der Fata Morganen. Die "NPD" wolle die Untersagung der Kundgebung umgehen. Die Rechten riefen "zum Sturm auf Rostock", was eine der SVZ vorliegende SMS belege: "Rostock bewegt Euch und haltet die Stadt in Ehren! Laßt uns die Steineschmeißer holen, die unsere Stadt zerstören! Donnerstagabend! Schreibt allen", soll der Inhalt lauten. Und weil die eine SMS ja dummerweise und natürlich völlig zufällig gefälscht sein könnte, vermutet Herr Falkenberg gleich noch "einige hundert" weitere Nachrichten, die im Umlauf sein könnten.

"Sprache und Diktion stimmen", gibt das Blatt Cornelia Ewert wieder – Frau Ewert gehört zum Mobilen Beratungsteam für Demokratische Kultur, was in diesem Land schon einem Freifahrtschein für Wahrheits-Monopole gleichkommt. Doch liebe Frau Ewert: Selbst unter der Voraussetzung, daß "Sprache" und "Diktion" dem nationalen Lager zugerechnet werden könnten, wäre über die Authentizität noch nichts gesagt: Das mehr oder weniger intensiv betriebene Studium der Ausdrucksformen irgend eines politischen Spektrums befähigt über kurz oder lang jeden halbwegs Intelligenten zur äußerlichen Nachahmung, ohne sich mit der Sache an sich zu identifizieren. Und "schwer zu schlucken" hat die NPD am neuerlichen Versammlungsverbot nicht, wie die friedlichen und öffentlichkeitswirksamen Aktionen des 2. Juni bewiesen haben.

Und noch n Gerücht

Eingangs dieser Woche warteten in Rostock Personen, die sich definitiv nicht kennen, mit der Frage auf, ob die NPD in Rostock-Lichtenhagen eine Kundgebung abhalten wolle, was guten Gewissens verneint werden konnte. Im gleichen Atemzug wurde auf eine angemeldete Kundgebung der "anderen Feldpostnummer" verwiesen, die bekanntlich nahe des Sonnenblumenhauses – wieder mit Ausschreitungen – stattfand.

Doch letztlich liegt es uns fern, jemanden aus seinen Träumen zu reißen, wenn er denn in ihren verharren will. Ein Vorschlag zur Güte: Wer uns das schönste Gerücht – natürlich während des G8-Gipfels zukommen läßt, erhält einen Buchpreis – oder auch ein schönes Notizheft, in das er seine Einfälle notieren kann.
zurück | drucken Erstellt am Donnerstag, 07. Juni 2007