Eine Menge Leute lesen den „Nordkurier“ nicht mehr, weil sie die Berichterstattung des Blattes als lückenhaft, parteiisch und irreführend empfinden. Ernstzunehmenden Journalismus stellen sie sich anders vor. Viele Ältere sehen auch nicht so richtig den Unterschied zum Stil der „Freien Erde“, wie der „Nordkurier“ früher hieß, als er noch ein SED-Blatt war, und bevor er von westdeutschen Zeitungsunternehmen eingekauft wurde.
Trotzdem: Es geht immer noch schlimmer! Gregor Kochhahn von der „Alternativen Liste“ und dem Bündnis „Knallbuntes Vorpommern“ - oder so ähnlich - außerdem bekannt als
Jäger des rassistischen Türknaufs, entdeckte bedenkliche, womöglich den Ausländerhaß befeuernde Tendenzen in der Berichterstattung des Nordkuriers. Dieser hätte seiner Meinung nach gegen den „Pressekodex“ verstoßen, eine Selbstverpflichtung von BRD-Medien, bei „Straftaten die Nationalität des Täters nicht herauszustellen.“ Wäre dieser Pressekodex beim NSU beachtet worden, hätte eine Meldung so ausgesehen:
"10 Leute wurden von drei anderen Leuten ermordet." (Wenn man der offiziellen Version Glauben schenken wollte)
Natürlich funktioniert der Pressekodex so nicht. Bei deutschen Tätern wird die Nationalität immer erwähnt. Die sind oftmals schon von der Presse vorverurteilt, ehe der erste Prozeßtag auch nur terminiert ist. Aber bei ausländischen Kriminellen wirken die Zeitungsartikel häufig seltsam substanzlos. Wenn „ein Neunzehnjähriger und zwei Einundzwanzigjährige“ zur verbrecherischen Tat schritten, weiß man als Leser sofort: Aha, Ausländerkriminalität. Das Verschweigen hilft da gar nichts. Völlig sinnlos wird diese Vertuschungstaktik in einer Kleinstadt wie Torgelow.
Wenn dort die Polizei ständig mit Blaulicht zum Asylantenheim im Stadtteil Drögeheide rast, entgeht das den Nachbarn natürlich nicht. Es spricht sich auch in der Stadt herum. Steht dann nicht in der Lokalzeitung, verspielt diese ihren letzten Rest von Glaubwürdigkeit. Deshalb sieht sich der „Nordkurier“ zu einem gewissen Minimum an Wahrhaftigkeit in seiner Berichterstattung gezwungen, ganz einfach aus Sorge um die Auflage. Deshalb unerdrückte er auch die Tatsache nicht – so schwer das auch gefallen sein mag - dass nicht irgendwo, sondern im Asylantenheim, nicht irgendwer, sondern zwei tschetschenische Brüder, nicht irgendwen, sondern einen Afghanen, bedroht hatten, weil der angeblich zu ihrer 14-jährigen Schwester „Kontakt gesucht“ habe.
Kochhahn leuchten solche Überlegungen nicht ein. Sein Textvorschlag zu der Tschetschenengeschichte:
„Männer geraten in Streit“ als Überschrift, und dann „In einem Wohnblock in Drögeheide ist die Polizei erneut im Einsatz gewesen. Wegen eines Mädchens sind zwei Männer in Streit geraten…“ (zitiert nach dem Nordkurier vom 22.9.2014, der wiederum die Netzseite der „Alternativen Liste“ zitiert)
Wie wäre es denn, Herr Kochhahn, mit folgender Version des Zweiten Weltkriegs:
„Zuerst marschierte ein Land in ein anderes ein. Am Ende warf ein Land Atombomben auf ein anderes.“ So eine Geschichtsschreibung produziert garantiert keine Vorurteile – und spart Druckerschwärze und Papier.