Für die Ernährungssouveränität der Völker

"Braune Tricks: NPD lockt Liberale in Öko-Falle" (Ostsee-Zeitung vom 03. 02. 2007), "NPD und gentechnikfreie Zonen" (Schweriner Volks-Zeitung vom 06. 02. 2007) – in den vergangenen Tagen machte die regionale System-Presse gegen eine Veranstaltung der "Gentechnikfreien Region Nebel/Krakow am See" mobil. Eingeladen wurden die agrarpolitischen Sprecher der im Landtag vertretenen Parteien, der Bündnis-Grünen und auch der Bund Umwelt und Naturschutz (BUND). Personifiziertes Feindbild ist dabei der Landwirt Helmut Ernst. Ihm und seinen Mitstreiteren wird vorgeworfen, zu einer "getarnten NPD-Veranstaltung" aufgerufen zu haben. Der "Schulterschluß aller Demokraten" bestand in diesem Fall in Teilnahme-Absagen. Wieder einmal zeigt es sich, daß es den Block-Parteien nicht um eine sachliche Auseinandersetzung über Gentechnik und damit um Volksgesundheit geht. Sie offenbaren einmal mehr Gedankengänge wie: Nationale haben mit Bomberjacken und Springerstiefeln herumzulaufen und sich mit der Ausländer-Problematik, "Herrenmenschentum" und "Weltherrschaft" zu beschäftigen.

Dabei gebricht es den ohnehin mit pathologischem Beißreflex Reagierenden mittlerweile an jeglicher Logik. Doch merke: Wer für Volkserhalt eintritt und A sagt, muß der Gentech-Lobby auf die Finger schauen und damit B sagen. Die NPD tut’s. Unsere Leserschaft wollen wir dabei nicht der Mühe entheben, sich mit den Aussagen des Helmut Ernst auseinanderzusetzen. Ernst, gelernter Landwirt, beschäftigt sich schon aus Gründen der beruflichen Existenz seit Jahren mit der Thematik.

Im Sommer 2006 wurde mit Ernst ein Gespräch geführt. Zwar hat sich seitdem, was die Besetzung der Ministersessel betrifft, einiges geändert. Nichts geändert hat sich hingegen an der Brisanz der Thematik.

DS: Herr Ernst, sind mit Hilfe der Gentechnik erzeugte Lebensmittel schädlich für den Menschen?

Ernst: Es gibt Fütterungsversuche an Tieren, zum Beispiel Ratten. Bei ihnen kam es zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen in Form von Organveränderungen. Es läßt sich deshalb vermuten, daß die ganze Geschichte für den Menschen nicht unproblematisch ist. In Nordamerika läuft seit zehn Jahren ein Großversuch, wobei es keine wissenschaftliche Begleitforschung gibt.

Wie bei anderen Forschungsbereichen müßte auch hier gelten: Die Beweislast hat eigentlich bei dem zu liegen, der die neue Technik einführt und nicht umgekehrt. Auch muß die Forschung von den Konzernen bezahlt werden und nicht vom Steuerzahler, wie das zum Beispiel bei uns in Mecklenburg geschieht.

DS: Wie einer Pressenotiz zu entnehmen ist, haben Sie mit anderen Landwirten in Ihrer Region vor etwa zwei Jahren eine gentechnikfreie Zone gegründet.

Ernst: Vollkommen richtig. Sie umfaßt 2.000 Hektar. Was Gentechnikversuche betrifft geht es uns um die schwerwiegenden Auswirkungen auf die Ökosysteme und die sozioökonomischen Folgen. Da der eine oder andere Ihrer Leserschaft sich vielleicht noch nicht mit dem Thema beschäftigt hat, sei zunächst angemerkt: Gentechnik heißt, daß die Isolation einzelner Gene vorgenommen werden kann und man diese dann artübergreifend kombiniert. Beispielsweise finden sich dann Rattengene mit einem Mal in Salatpflanzen. Der Einbau neuer Gene in das Erbgut ist ein grundlegender Eingriff in den Stoffwechsel der Pflanzen. Forschungen in anderen Ländern haben dazu geführt, daß drei von vier „Gentechnik-Pflanzen“ herbizidresistent sind. Die Auswirkungen auf die Vielfalt der Wildkräuter und auf die Insektenwelt sind immens. In Großbritannien wurden an den Feldrändern von „Gentech-Raps“ 44 % weniger Blütenpflanzen und 39 % weniger Samen festgestellt.

Auf den Gentechnik-Feldern selbst kommt es zu einer direkten Kontamination. Beim Drusch fallen Körner aus, die ich nicht wieder loswerde. Die Bodebearbeitung spült sie sozusagen immer wieder nach oben. Der Durchwuchs kann länger als fünf Jahre auftreten. Die Flächen sind also jahrzehntelang verunreinigt.
Bleiben wir beim Raps. Sein Auskreuzungsverhalten und die leichte Samenverbreitung führen zur indirekten Kontamination. Betroffen werden benachbarte und weiter entfernt liegende Felder mit nicht trans-genen Beständen. Um die Tragweite deutlich zu machen, zitiere ich aus einem Hintergrundpapier: „Raps produziert 30 bis 40 Tage Pollen. Während dieser Zeit beträgt die Anzahl der Pollenkörner pro Kubikmeter Luft 600 bis 1.000 Körner, teilweise sogar bis zu 2.800 Körner. Die Befruchtung erfolgt bei Raps über Wind und Insekten. Wildbienen fliegen bis zu 14 km weit, Honigbienen bis zu 6 km und beweiden mindestens 30 km²“.

Selbst Dr. Christel Happach-Kasan, Gentechnik-Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, räumt ein, daß Gen-Raps nicht koexistenzfähig ist. In Nordamerika gibt es nur noch GVO-Raps (GVO = Gentechnisch veränderte Organismen, DS). Hier zeigt sich das, was uns weltweit blühen kann: die Abhängigkeit von agrochemischer Industrie und Handel. Sechs Konzerne beherrschen derweil den Markt für gentechnisch verändertes Saatgut. Oberriese ist dabei das US-Unternehmen Monsanto, das einen Marktanteil von 90 % hält. Monsanto liefert, was überhaupt nicht verwundern kann, gleich das Spritzmittel mit. Das alles ist faktisch eine Lizenz zum Gelddrucken. Die Ernährungssouveränität der Völker soll schlichtweg gebrochen werden; im Sinne der Globalisierer kommt es zu einer Versklavung der Bauern weltweit. Vor diesem Hintergrund ähnelt Gentechnik durchaus einer Massenvernichtungswaffe. Es geht um eine unabhängige Risikoabsicherung jenseits der Konzerne. Da ist der Staat gefragt.

DS: Globalisierungskritische Gruppen wie Attac propagieren ja letztlich auch den freien Markt, den sie zu bekämpfen vorgeben, indem sie den Abbau von Schutzzöllen für die Agrarproduktion aus der Dritten Welt fordern. Kann das der richtige Weg sein?

Ernst: Es ist nicht immer einfach, die wirklichen Frontstellungen aufzuzeigen. Festzuhalten ist zunächst, daß wir unsere Produktionsüberschüsse zu Dumpingpreisen auf dem Weltmarkt, sprich, an den Warenbörsen feilbieten müssen. Gleichzeitig muß zugegeben werden, daß die Nordhalbkugel wesentlich zur Zerstörung gewachsener landwirtschaftlicher Strukturen in der Dritten Welt beigetragen hat. Beide Seiten sind Verlierer, Gewinner einige große Handelskonzerne.

Für meine Mitstreiter und mich dient Landwirtschaft in erster Linie der Eigenversorgung. Augenblicklich wird hingegen der blanke Wahnsinn betrieben. Nehmen Sie den Zucker. In Brasilien schuften in der Rohrzuckerernte Sklaven, ja, ich sage Sklaven, unter menschenunwürdigen Bedingungen und zu absoluten Niedriglöhnen auf den Feldern der Großgrundbesitzer. Da können wir nicht mithalten, zumal die Transportkosten im Endeffekt auch billig sind. Beinahe hätte ich gesagt, daß unsere Preise noch geschützt sind. Doch fällt aufgrund der WTO-Beschlüsse der europäische Außenschutz für unseren Rübenzucker ja bald weg. Fairerweise muß man sagen, daß unsere Exporte durch die EU subventioniert werden.

Noch einmal: Beide Seiten würden durch eine Rückbesinnung auf Eigenversorgung, auf regionale Kreisläufe gewinnen. Dann hört der Irrsinn auf, Waren über weite Strecken von A nach B und umgekehrt zu transportieren. Attac tritt ein für eine „Globalisierung light“ und hat offenbar auch nichts dagegen, daß sich Migrantenströme in Richtung Europa begeben. Die würden übrigens gemindert, würde man auch die lokalen Volkswirtschaften dort auf Selbstversorgung ausrichten.

DS: Sind Sie generell gegen den Welthandel?

Ernst: Natürlich nicht. Es gibt nun mal Produkte, die bei uns nicht wachsen und gedeihen. Edin Austausch muß sich also auf Dinge beschränken, die es hier oder dort nicht gibt. Das war schon immer so.

DS: Was halten Sie vom "fair gehandelten Kaffee", der bekanntlich teurer ist als der "normale" im Supermarkt, was den eigentlichen Erzeugern zugute kommen soll?

Ernst: Mit dieser Art Welthandel habe ich auch keine Probleme, wenn unter vernünftigen sozialen Bedingungen produziert wird und das Lebensniveau der Leute steigt.

DS: Wo befinden sich hierzulande die Schwerpunkte der Gentechnik-Forschung?

Ernst: In Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg.

DS: Das ist doch bestimmt kein Zufall?

Ernst: Für uns nicht. Die geringe Bevölkerungsdichte läßt aus Sicht der Gentechnik-Lobby wenig Widerstand erwarten. Die Entsiedelung in Landkreisen wie Ostvorpommern oder Uecker-Randow wird in diesem Zusammenhang gezielt genutzt. Vermutlich ist das Bewußtsein weiter Teile der Bevölkerung auch noch nicht so geschärft wie in den alten Ländern. Aber auch das wird noch kommen.

DS: Und die rot-rote Landesregierung greift nicht ein? Wie ist es mit der Haltung der PDS?

Ernst: Über die Haltung der Basis dieser Partei vermag ich kein Urteil zu fällen. Doch sei mir gestattet, etwas weiter auszuholen. Als ich zu Beginn der neunziger Jahre nach Mecklenburg kam, begann ich, mich mit den Positionen der verschiedenen Parteien zu beschäftigen. In PDS-Grundsatzpapieren stand seinerseits noch etwas von regionalen Wirtschaftskreisläufen geschrieben. Mitte der Neunziger kam es dann zu einem Streit zwischen den PDS-Funktionären Helmut Holter, damals Landesvorsitzender, und der seinerzeitigen Landtagsfraktionschefin Caterina Muth. Holter plädierte für Kernforschung und Gentechnologie. Auch müsse man sich der Globalisierung stellen. Muth hielt dagegen. Letztlich vergeblich. Holter ist jetzt Wirtschaftsminister, und ich persönlich habe den Eindruck, daß er stellvertretend für eine PDS-Funktionärsriege steht, die nicht unbedingt zum Wohle der hier lebenden Menschen handelt. Die großzügige Förderung der "Gentech"-Forschung hatte ich ja bereits angesprochen. (…)

DS: Was Mecklenburg-Vorpommern betrifft, fällt einem sofort Groß Lüsewitz ein. Können Sie über die dortige Genforschung Näheres berichten?

Ernst: Es handelt sich um landeseigene Flächen, die kostenlos verpachtet wurden, was schon ein Beleg für die massive Unterstützung der Gentechnik-Forschung seitens der Landesregierung ist. Desweiteren unterstützt sie das Agro-Biotechnikum in Lüsewitz mit 2,7 Millionen Euro. Offenbar aus gutem Grund ähnelt das Gelände einem Hochsicherheitstrakt. (…)

DS: Noch einmal zu Groß Lüsewitz. Können Sie einige Zahlen zum Gelände nennen, um das Ausmaß zu verdeutlichen?

Ernst: In Groß Lüsewitz wird auf rund 500 m² innerhalb eines 10,1 Hektar großen Versuchsareals Gen-Raps freigesetzt. Um jedes der acht Versuchsfelder soll eine Mantelsaat mit männlich sterilem Raps, jeweils umgeben von etwa 30 m konventionellem Raps, angelegt werden. In unmittelbarer Nähe befinden sich zwei FFH-Schutzgebiete: der Billenhäger Forst in einer Entfernung von 25 km sowie knapp 5 km entfernt das Teufelsmoor.

Es ist schon frappierend: Einerseits präsentiert sich M-V als Gesundheitsland, Motto "M-V tut gut", andererseits beschäftigt man sich mit der fragwürdigen Technologie. Die erforschen hier Sachen, die schon längst erforscht sind, siehe Kanada. Übrigens war ich bei einem Gesprächsforum in Lüsewitz zu Gast. Da behauptete eine Akademikerin allen Ernstes, daß die Samenverbreitung von „Gentech-Feldern“ auf andere durch irgendwelche Netze unterbunden werden könnte. Selbst wissenschaftlichen Laien wird der Nonsens deutlich. Aber wie heißt es so schön: "Wes’ Brot ich eß’, des Lied ich sing’."

DS: Die Befürworter der Gentechnik werden sich natürlich mit Händen und Füßen gegen ihre Zurückdrängung wehren. Welche Argumente führen sie ins Feld?

Ernst: Um die Sache hübsch zu verpacken, wurde der Ausdruck "grüne Gentechnik" in die Öffentlichkeit lanciert. Wie könne man gegen so etwas vorgeblich Zukunftsweisendes sein, das auch noch Arbeitsplätze schafft – ein Totschlagargument. Das Gegenteil ist der Fall, wie eine Studie der Uni Oldenburg zeigt. Demnach gibt es bei der Gentechnik in der Bundesrepublik nur 500 Stellen; in der gesamten Bio-Branche sind es 150.000.

Was die Konzerne uns versprochen haben – weniger Spritzen, höhere Verdienste – hat sich nicht bewahrheitet. Sie investieren viel in die Forschung, wollen das Geld natürlich schnell wieder reinbekommen, was einen großflächigen Anbau wie eben in Kanada zur Folge hat.

DS: Der Pressemitteilung über die von Ihnen mit initiierte gentechnikfreie Zone ist zu entnehmen, daß es sich sowohl um konventionell als auch ökologisch wirtschaftende Landwirte handelt. Dem bisher Gesagten könnte man entnehmen, Sie sind "Öko".

Ernst: Ja, ich bin "Öko". Die Säulen dieses Wirtschaftens lauten: keine Verwendung umweltgefährdender Düngemittel und von Pestiziden sowie eine artgerechte Tierhaltung. Öko-Landbau ist sozusagen angewandter Grundwasserschutz. In der konventionellen Landwirtschaft wird eine Überproduktion erzeugt. Die Preise geraten unter Druck; die Produkte werden auf dem Weltmarkt verschleudert. Hermann Priebe, ein wertkonservativer Agrarwissenschaftler, sprach einst von der "subventionierten Unvernunft". Der Ansatz der ehemaligen Landwirtschaftsministerin Renate Künast "Klasse statt Masse" war im Grunde richtig, doch ist sie, aus welchen Gründen auch immer, auf halbem Wege stehengeblieben. Interessant dabei, daß ihr Nachfolger Horst Seehofer von der CSU ins einem bayerischen Wahlkreis unter Druck gerät. Auch oder haben die Bauern ebenfalls eine gentechnikfreie Zone gegründet. Seehofer muß da natürlich aufpassen; er will ja vermutlich wiedergewählt werden.
Die evangelische Landeskirche in Mecklenburg verfügt über viel Land. Bei einer Verpachtung müssen sich die Nutzer verpflichten, keine Gentechnik anzuwenden. Ich bin zwar kein Christ, aber wenn es um die Bewahrung der Schöpfung geht, unterschreibe ich das. Schließlich geht es, wie bereits betont, um die Sicherung unserer Existenzen und die Ernährungsgrundlagen der Völker.

DS: Wie ist das Verhältnis zu den konventionell wirtschaftenden Kollegen?

Ernst: Früher wurden Öko-Bauern als langhaarige Spinner abgetan. Mittlerweile sind wir als normale Wirtschaftsform weitgehend anerkannt, zumal ja auch namhafte Landwirte "Ökos" geworden sind. Die eigentliche Frontstellung droht zwischen jenen, die Gentechnik anwenden und denen, die dies ablehnen. Das könnte Krieg auf den Dörfern geben. Der überbetriebliche Maschineneinsatz wäre gefährdet. Wenn ich mir einen Mähdrescher hole, der gerade ein Feld mit Genpflanzen bearbeitet hat, übernehme ich ein kontaminiertes Gerät; den Mähdrescher kriegst du nie wieder ganz sauber. Mit unserer gentechnikfreien Zone haben wir ein klares Signal an die ausgesendet, die mit dieser Sache liebäugeln.

DS: Wofür müßte sich eine nationale politische Kraft in Sachen Landwirtschaft einsetzen?

Ernst: es geht darum, einen möglichst breiten Bauernstand zu schaffen. Dazu allerdings müßte die sozial ungerechte Vergabepraxis der Bodenverwertungs- und –Verwaltungs GmbH, kurz BVVG, geändert werden. Bislang erfolgte die Vergabe der Flächen nach schwer nachvollziehbaren Kriterien an LPG-Nachfolger sowie neuerdings westdeutsche Industriebetriebe wie Fielmann oder Dornier. Mir geht es um eine möglichst breite Streuung des Eigentums an Grund und Boden, um Arbeitsplätze zu schaffen und um Menschen an die Region zu binden.

Mit Helmut Ernst sprachen Lutz Dessau und Andreas Molau

Quelle: Deutsche Stimme (DS), September 2006 (www.deutsche-stimme.de)
zurück | drucken Erstellt am Mittwoch, 07. Februar 2007