Angespannte Nerven in Schwerin

Fällt der Landeshauptstadt ein nach US-amerikanischem Recht ausgestalteter Leasing-Vertrag mit lautem Knall auf die Füße?
 
Wie das NDR-Nordmagazin am 4. September berichtete, könnte die derzeitige Finanzkrise die eine oder andere Kommune in M/V in finanzieller Hinsicht erschüttern. Der Bericht bezog sich auf Geschäfte mit Leasing-Verträgen, die in den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts abgeschlossen worden sind. So hat die Landeshauptstadt vor zehn Jahren ihre Trink- und Abwasserleitungen an einen US-„Investor“ vermietet und sogleich wieder zurückgepachtet.
 
Aus diesem Steuertrick, genannt „Cross Border Leasing“ (CBL), zog der „Investor“ erhebliche Steuervorteile. Schwerin erhielt nach Angaben des NDR rund 13 Millionen Euro. 
 
Doch jetzt kommt’s: Der umfangreiche Vertrag, der als hoch geheim gilt, enthalte einen Passus, wonach die Bundesrepublik Deutschland von internationalen Rating-Agenturen die beste Bewertung erhalten müsse. Bei Verlust dieser Bewertung müßten die Schweriner Stadtoberen zusätzliche Sicherheiten in Höhe von 14 Millionen Euro beibringen. Zwischen den Amis und den Schweriner Stadtwerken laufen derzeit entsprechende Verhandlungen.  
 
Einstiges Motto: Schnelles Geld durch „Cross-Border-Leasing“-Verträge
 
Was aber verbirgt sich hinter „Cross Border Leasing“? In den neunziger Jahren schlossen viele finanziell klamme bundesdeutsche Kommunen sowie städtische Unternehmen mit vornehmlich US-amerikanischen „Investoren“ grenzüberschreitende Leasing-Verträge. „Verleast“ wurden unter anderem Abwasserwerke, Kanalnetze, U- und Straßenbahnen, Messehallen, Schulen und andere öffentliche Gebäude.
 
„Vermieten und sogleich wieder zurückmieten“, lautete die Devise, bei der die Verantwortlichen nicht zuletzt auf das schnelle Geld (den Barwertvorteil) schielten, um auf diese Weise ihre Haushaltslöcher zu stopfen. Der „Investor“ zahlt für die gesamte Mietzeit, die bis zu 100 Jahre betragen kann, den Mietzins in einem Betrag (Barwertvorteil).
 
Die Kommune bzw. das Unternehmen mietet die Anlage für eine kürzere Laufzeit zurück. Dabei erhalten Stadtväter und Betriebe die „Möglichkeit“, die verleasten Objekte nach Ablauf der Mietzeit zurückzuerwerben – ein echter Heuschrecken-Coup, zumal es sich um Anlagen handelt, die mit den Steuergroschen des Volkes aufgebaut worden sind.  
 
Hochgeheime Kontrakte nach New Yorker Recht ausgestaltet
 
Die CBL-Verträge umfassen meist über 1.000 Seiten, wurden nicht ins Deutsche übersetzt und folgen New Yorker Recht. Echten Durchblick haben deutscherseits die Stadtoberhäupter, die Kämmerer und der eine oder andere Vorstand. Die kommunalen Parlamente wurden gar nicht erst einbezogen. Und das in einem Land, dessen Vertreter nicht müde werden, über „Transparenz“ und „Demokratie“ zu schwafeln.
 
Von CBL-Verträgen betroffen sind auch andere Kommunen im Land. So kassierte die Rostocker Straßenbahn AG (RSAG) vor 16 Jahren zirka 113 Millionen für 64 Straßenbahnen von einem US-„Investor“. Wir berichteten über die Ergebnisse einer entsprechenden Anfrage des ehemaligen Bürgerschafts- und heutigen NPD-Landtagsabgeordneten David Petereit (siehe hier).
 
Der Rostocker NPD-Bürgerschaftsabgeordnete Thomas Jäger wird sich jetzt mit Hilfe einer Anfrage erkundigen, welche möglichen Folgen jener Leasing-Vertrag für den Haushalt der Hansestadt haben könnte.
zurück | drucken Erstellt am Sonntag, 09. September 2012