Scandlines und die Heuschrecken-Plage

Die deutsch-dänische Fährreederei Scandlines wird sich von fünf Frachtrouten trennen und sich künftig auf den Betrieb ihrer drei Fährlinien in der südlichen Ostsee konzentrieren. Doch wer sind die eigentlichen Herrscher in dem Unternehmen?
 
Übernommen werden die Frachtrouten von der Stena-Line-Reederei. Die schwedische Seite will den 300 betroffenen Sandlines-Mitarbeitern in Deutschland und im Baltikum möglicherweise ein Angebot unterbreiten. Möglicherweise.
 
In den Stunden der Ungewißheit wird sich so mancher unter den Scandlines-Mitarbeitern an die guten alten Zeiten erinnern. Bis Mitte 2007 gehörte das Unternehmen der Deutschen Bahn und dem dänischen Staat. Zum Unternehmen zählten seinerzeit 24 zumeist moderne Schiffe; Scandlines wurde von Branchenkennern als kerngesund eingestuft.
 
Der Rubel rollte – nur in die falsche Richtung
 
Dann gelangten Kräfte ans Werk, die zunächst Hoffnungen auf noch goldigere Zeiten zu nähren verstanden: „Finanzinvestoren“ mit so hübschen Namen wie „3i“ und „Alliance Capital“. Da mußte der Rubel doch rollen. Fragt sich nur, in welche Richtung …
 
Die neuen Herren (bis Oktober 2010 war auch die Deutsche Seereederei mit 20 Prozent der Anteile an Bord) entrichteten einen Kaufpreis von 1,56 Milliarden Euro – auf Pump, wie sich schnell herausstellen sollte. Dem Unternehmen wurde dabei die Auflage erteilt, den Preis selbst abzustottern: Im April 2008 mußte sich Scandlines vertraglich verpflichten, von nun an den gesamten Gewinn an die drei „Investoren“ abzuführen – ein Musterbeispiel für das Agieren der berühmt-berüchtigten „Heuschrecken“, die ihrerseits unter dem Druck der geldgebenden Banken stehen.  
 
Der Frankfurter Uni-Professor Reinhard H. Schmidt erklärte mit der Nüchternheit des Wissenschaftlers im Gespräch mit dem „Ersten“ (20.12. 2009): „Die Belegschaft kann im allgemeinen nicht darauf rechnen, daß allein das Wohl des Unternehmens Ziel der Finanzinvestoren ist. Das wäre nicht ihre Rolle und das ist nicht ihr Selbstverständnis. Finanzinvestoren engagieren sich, um für sich beziehungsweise ihre Geldgeber Ertrag rauszuholen.“
 
Politische Klasse in der Zuschauerrolle
 
Nunmehr befinden wir uns in der Phase des Schlachte-Festes. Die Befürchtungen des Scandlines-Betriebsrates, wonach nur die profitablen Routen im Unternehmen verbleiben würden, haben sich einmal mehr bestätigt. Des weiteren wird die Flotte offenbar auf totalen Verschleiß gefahren. In fünf Jahren wurde kein einziges neues Schiff angeschafft. Der Wildwest-Kapitalismus feiert in M-V weiter fröhliche Urständ.   
 
Und die politisch Verantwortlichen? Diese sind überhaupt nicht willens, die entsprechenden gesetzlichen Pflöcke einzuschlagen, um der Heuschrecken-Plage endlich Herr zu werden. Und so werden auch die Scandlines-Mitarbeiter weiter ein Spielball dubioser Geschäftemacher bleiben. Von den 170 Millionen Umsatz, die Scandlines im vergangenen Jahr machte, floß übrigens weniger als eine Million in das Staatssäckel, derweil kleine und mittlere Gewerbetreibende weiterhin ausgepreßt werden.
zurück | drucken Erstellt am Donnerstag, 31. Mai 2012