Rostock = Insel der Glückseligen?

Rostock ist in M-V die Insel der Glückseligen. Sollte man meinen und das erst recht nach Lektüre einer Antwort der Stadtverwaltung auf eine Anfrage der NPD.

Unbestritten steht die Hansestadt Rostock in wirtschaftlicher Hinsicht verhältnismäßig gut da. Wie OB Roland Methling kürzlich erklärte, werden rund 80 Prozent der Industrie-Investitionen des Landes in HRO vorgenommen. Die Ansiedlung von Nestlé in der Beamtenstadt Schwerin ist insofern eher als Ausnahme zu bezeichnen.

In Rostock gab es hinsichtlich der Beschäftigungszahlen einen Aufschwung zu verzeichnen, wie aus der besagten Antwort der Stadtverwaltung hervorgeht: „Lag die Zahl der Erwerbstätigen im Jahre 2005 noch bei 98,5 Tsd. Personen, stieg sie bis zum Jahre 2009 bereits auf 104,6 Tsd. Personen.“ Allein in den Dienstleistungsbereichen, so die Verantwortlichen unter Berufung auf die Angaben im Statistischen Jahrbuch, habe die Zahl der Erwerbstätigen um 5.900 Personen zugenommen* (http://195.37.188.171/bi/do027.asp). Unausgesprochen bleibt dabei, daß gerade hier das Niedriglohn-Unwesen faktisch schon zum täglichen Begleiter gehört.   

* Die Angaben für 2010 werden erst Mitte 2012 vorliegen.

Tausende „Aufstocker“ und „Mini-Jobber“

Doch lieber sonnen sich die Stadtoberen weiter in ihren oberflächlichen Jubel-Angaben. Laut Verwaltung bzw. Statistischem Jahrbuch erhöhte sich die Zahl der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Arbeitnehmer im Zeitraum 2005 bis 2011 um etwa 7.900 auf 79.240 Personen. Verschwiegen wird die Zahl der „erwerbstätigen Arbeitslosengeld-II-Bezieher“. Sie hat sich in Rostock bei 7.500 Personen eingepegelt, was bedeutet: Fast jeder zehnte der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in der Hansestadt ist auf ergänzende Leistungen des Staates zum Lebensunterhalt angewiesen.

Des weiteren geht eine beträchtliche Zahl von Personen einer geringfügig entlohnten Beschäftigung* nach.

Am Arbeitsort Am Wohnort  
30. Juni 2006 11.993 12.242
30. Juni 2008 12.425 12.778
30. Juni 2010 12.495 13.102

* Geringfügig entlohnt ist eine Beschäftigung, wenn sie regelmäßig ausgeübt wird und das regelmäßige monatliche Arbeitsentgelt 400 Euro nicht übersteigt. Angaben aus einer NPD-Anfrage vom 19.05.2011 
 
Das wahre Ausmaß der „Unterbeschäftigung“
 
Ebenso unerwähnt bleibt das wahre Ausmaß der so genannten Unterbeschäftigung. Der Kreisreport der Bundesagentur für Arbeit gibt darüber sehr detailliert Auskunft. Ausgangspunkt ist die (offiziell verkündete) Arbeitslosigkeit. Von ihr waren im Januar 2012 14.223 Menschen betroffen (Januar 2011: 15.406). Hinzu kommen   
 
  • Zeitgenossen, die sich in Maßnahmen der „Aktivierung und beruflichen Eingliederung“ befinden sowie erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die nach Vollendung des 58. Lebensjahres mindestens für die Dauer von zwölf Monaten Hartz IV bezogen haben, ohne daß ihnen eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung angeboten worden ist.

In Rostock betraf dies im Januar 2012 1.367 Personen (Januar 2011: 1.433).
 
  • Zeitgenossen, die nah am Arbeitslosenstatus sind, darunter berufliche Weiterbildung, Arbeitsgelegenheiten, Fremdförderung, Beschäftigungsphase „Bürgerarbeit“, ABM, Beschäftigungszuschuß, Arbeitsunfähigkeit und ALG unter erleichterten Voraussetzungen für Arbeitnehmer, die das 58. Lebensjahr vollendet haben und die nicht alle Möglichkeiten nutzen und nutzen wollen, um ihre Beschäftigungslosigkeit zu beenden.

In Rostock gehörten zu dieser Gruppe im Januar 2012 2.418 Personen (Januar 2011: 1.822).
 
  • Zeitgenossen bzw. im Amtsdeutsch „Personen in Arbeitsmarktpolitik fern vom Arbeitslosenstatus“ (Gründungszuschuß, Einstiegsgeld – Variante: Selbständigkeit, Altersteilzeit).

In Rostock wurden dieser Gruppe im Januar 2012 genau 432 Personen zugerechnet (Januar 2011: 442).

Von „Unterbeschäftigung“ sind also (Stand: Januar 2012) 18.440 Menschen betroffen (Januar 2011: 19.103). Die genannten Feinheiten werden von den derzeit noch Verantwortlichen gern übersehen. Ein System, dessen Verantwortliche sich und den Menschen dermaßen die Taschen vollhauen, ist früher oder später so oder so zum Untergang verurteilt. Honeckers DDR läßt bereits jetzt grüßen.
zurück | drucken Erstellt am Dienstag, 20. März 2012