Eine sozial ungerechte Vergabepraxis kennzeichnet das Wirken der Bodenverwertungs- und Verwaltungs GmbH. Die BVVG befindet sich zu 100 % im Eigentum des Bundes. Auf Rechnung der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS) handelt sie im direkten Auftrag des Bundesfinanzministeriums. Die BvS ist Nachfolgerin der berüchtigten Treuhandanstalt.
Die BVVG wurde ganz bewußt als GmbH verfaßt, um auf diese Weise gegen Entscheidungen über die Vergabe von Flächen keine Rechtsmittel-Anwendung zu ermöglichen. Ihr Auftrag lautet, für die Privatisierung ehemals volkseigener land- und forstwirtschaftlicher Flächen auf dem Gebiet der ehemaligen DDR zu sorgen. In Zahlen ausgedrückt, handelt es sich um ursprünglich 1,8 Millionen Hektar Äcker und Wiesen, was einem Viertel der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche (LN) Mitteldeutschlands entspricht, sowie um 1,4 Millionen Hektar Wald.
Verscherbelung deutschen Bodens
In Mecklenburg-Vorpommern sind gegenwärtig noch rund 220.000 von einst über 300.000 Hektar LN in der Verfügungsgewalt der BVVG. 60.000 Hektar davon werden an Berechtigte nach dem Entschädigungs- und Lastenausgleichs-Gesetz (EALG) zu vergünstigten Preisen veräußert. Desweiteren ist vorgesehen, weitere Flächen an die bisherigen Pächter zum Verkehrswert zu veräußern. Über die Verwertung der übrigen weit über 100.000 Hektar wird zur Zeit heiß diskutiert. Der Bundesfinanzminister möchte die Flächen möglichst schnell und teuer zum Stopfen der Haushaltslöcher veräußern. Durch Betriebsaufgaben freigewordene Flächen werden gegenwärtig im EU-Gebiet gegen Höchstgebot zum Verkauf ausgeschrieben.
Flächen-Absahner: "Rote Barone", BRD-Industrielle
Der Hintergrund: Nach der deutschen Teilwiedervereinigung befanden sich mehr als ein Drittel aller Flächen (BVVG- und landeseigene Flächen, ehemalige Preußenflächen) in der Hand des Staates. Zu diesem Zeitpunkt bestand immerhin die Möglichkeit, eine aktive Strukturpolitik zugunsten einer bäuerlichen Landwirtschaft mit möglichst vielen selbständigen Höfen und Beschäftigten auf dem Lande zu betreiben.
In der Praxis erfolgte die Flächenvergabe dann nach undurchsichtigen Kriterien weit überwiegend an LPG-Nachfolger und von Altkadern ("Rote Barone") neugegründete Großbetriebe sowie zunehmend an westdeutsche Industrielle. Zu nennen wären hier Firmen wie Fielmann, Rethmann, Dornier und Krone.
Bäuerliche Familienbetriebe fast ausgeschlossen
Die Folgen: Bäuerliche Familienbetriebe gingen weitgehend leer aus. Über 70 % der rund 5.500 landwirtschaftlichen Unternehmen in M-V sind von der Vergabe ausgeschlossen. Statt einer möglichst breiten Streuung des Eigentums an Grund und Boden, um Menschen an das flache Land zu binden und Arbeitsplätze zu schaffen, konzentrieren sich die Flächen in wenigen Händen.
Die angesprochene Praxis sowie weitere Faktoren wie der Restitutions-Ausschluß (=Rückgabe) an die Alteigentümer der Zeit vor 1945 und die nach 1990 erfolgte Enteignung tausender Bodenreform-Erben ließen im Osten der Bundesrepublik eine ungesunde Agrar- und Eigentumsstruktur entstehen. Sie stellt die alten "Junker" weit in den Schatten.
Ungerechte Praxis durch Backhaus befördert
Verbände wie die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), der Landbund oder die Aktionsgemeinschaft Recht und Eigentum (ARE) kämpften jahrelang mit politischen und juristischen Mitteln bis hin zu EU-Kommission und Europäischem Gerichtshof (EuGH) für Korrekturen – mit geringem Erfolg.
Bislang hat das Land Mecklenburg-Vorpommern die geschilderte Verfahrensweise in vollem Umfang unterstützt. Landwirtschaftsminister Till Backhaus (SPD) beabsichtigte, die rund 130.000 Hektar in Landeseigentum zu überführen, um den Prozeß der Privatisierung zeitlich zu strecken und Strukturpolitik aus seiner Sicht zu betreiben.
Grundlegende Korrektur der Flächenvergabe
Grundsätzlich ist eine Übernahme der Flächen in Landeseigentum zu begrüßen, allerdings nur, wenn eine grundlegende Korrektur der Flächenvergabe erfolgt. Bevorzugt werden müssen dabei künftig arbeitsintensive Betriebe (Gemüsebau, Viehhaltung), Nebenerwerbsbetriebe zur Aufstockung zum Haupterwerb, Neugründungen und Einrichtungen des ökologischen Landbaus.
Großbetriebe, beispielsweise solche mit einer Fläche ab 400 Hektar, die über einen Mindestumfang an BVVG-Flächen verfügen, müssen Flächen zur Neuverteilung abgeben, ohne in der eigenen Existenz gefährdet zu werden.
Anzustreben ist ein Siedlungsprogramm, das Betrieben über ein Pachtkaufmodell einen Erwerb der Flächen langfristig ermöglicht, ohne die Liquidität über Gebühr zu belasten.
Im Falle von Neuverpachtung ist das Land Mecklenburg-Vorpommern angehalten, ein Verbot der Anwendung "Gentechnisch Veränderter Organismen“ (GVO) vorzuschreiben.
Die Verpachtung und insbesondere der Verkauf von Grund und Boden dürfen nur an deutsche Staatsbürger erfolgen.
Unterdessen sind, wie einer Pressemitteilung des M-V-Landwirtschaftsministerium zu entnehmen ist, "die Verhandlungen mit der Bundesfinanzverwaltung zum Kauf der BVVG-Flächen … auf Arbeitsebene beendet." Der Bund habe "ein Verkaufsangebot unterbreitet, das deutlich über den Wertberechnungen des Landes" liege. Landwirtschaftsminister Dr. Till Backhaus (SPD) bedauere, "daß hier kein Einvernehmen erzielt" worden sei. "Eine Übernahme der BVVG-Flächen sei für die Landgesellschaft Mecklenburg-Vorpommerns zu diesem Kaufpreis nicht zu verantworten. Hintergrund der Verhandlung ist, daß die Länder Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt angeboten hatten, die BVVG-Flächen durch ihre Landgesellschaften zu übernehmen. So wollten beide Länder wirtschaftlichen Schaden von den betroffenen Betrieben abwenden.
In den letzten acht Jahren wurden allein in Mecklenburg-Vorpommern von den landwirtschaftlichen Unternehmen eine Milliarde Euro für den Bodenkauf ausgegeben. Dieser enorme Abfluß von Liquidität behindert die Entwicklung von Betriebszweigen, die eine höhere Wertschöpfung und damit Beschäftigung erlauben."
Gewiß, sehr geehrter Herr Backhaus, ist die Aussage grundsätzlich richtig. Doch sollte mit ihr eine Korrektur der bisherigen Flächenvergabe verbunden sein. Erfolgt hier keine moderate Umsteuerung, dürfen die bisherigen Großpächter also ihre Flächen in Gänze behalten, ist aus Sicht der über 70 % von der Vergabe ausgeschlossenen Betriebe nichts gewonnen.
zurück
|
drucken
Erstellt am Freitag, 18. August 2006