Freifahrtsschein für osteuropäische Banden

Jedes Jahr im Frühjahr herrscht im CDU-geführten Innenministerium bei der Auswertung der Vorjahreskriminalitätsentwicklung große Freude: Unser Bundesland wird immer sicherer. Und dies trotz offener Grenzen, trotz des kontinuierlichen Abbaus der Landespolizei und trotz der Polizeistrukturreform, im Rahmen deren Polizeiinspektionen im Land dicht machen mußten und alle Polizeidirektionen durch nur noch zwei Präsidien ersetzt wurden. 
 
So auch bei der gestrigen Vorstellung der Polizeilichen  Kriminalitätsentwicklung 2010. Hierbei wurde konstatiert, daß im Vergleich zu 2009 die Anzahl der erfaßten Straftaten um 8.645 auf 129.489 sank. Angesichts einer Aufklärungsquote von 60,1 Prozent zeigte sich der oberste „Dienstherr“ der Landespolizei, Lorenz Caffier (CDU), zufrieden. Lediglich eine leichte Zunahme der Zahl der nichtdeutschen Tatverdächtigen um 464 auf 3.308 schmälert den allgemeinen Positiv-Trend. Darüber hinaus mußte ebenfalls ein Anstieg beim Autodiebstahl verzeichnet werden – gegenüber 2009 nahm dieser Straftatbestand um 20 Prozent auf 1.191 gestohlene Fahrzeuge zu. Laut offizieller Statistik aus dem letzten Jahr ging der Autoklau im Nordosten der Bundesrepublik gegenüber 2008 noch leicht um 2,9 Prozent zurück.
 
Doch ist wirklich alles Eitel-Sonnenschein bei der Kriminalitätsbekämpfung in Mecklenburg-Vorpommern oder verbirgt sich hinter solchen Statistiken nur eine gezielte Vernebelungstaktik des Innenministers, worüber wir ja des öfteren berichtenkonnten?
 
Caffiers Desinformations-Kampagne läuft weiter
 
Während in Bundesländern wie Brandenburg und Sachsen, die ebenfalls wie unser Bundesland über einen offenen Binnengrenzraum verfügen, Sonderkommissionen gegründet wurden und der Fokus polizeilicher Ermittlungen auf osteuropäische Banden gelegt wurde, verharrt man hierzulande in Konzeptionslosigkeit. Alarmierende Werte, wie der 250 prozentige Anstieg von Autodiebstählen in einem Zeitraum von gerade einmal zwei Jahren in Brandenburg, seien in unserem Land nicht der Fall. Jedoch sei nach Angaben der Bundespolizei klar, daß 60 bis 80 Prozent aller gestohlenen Fahrzeuge entlang der Regionen an Oder und Neiße in Richtung Polen verschwinden.
 
Die brandenburgische SoKo „Grenze“ gab in diesem Zusammenhang bekannt, daß hochprofessionelle Autoschieberbanden aus Polen und Litauen auf Bestellung zumeist Luxuskarosserien stehlen. Zunächst werden die Kfz-Kennzeichen von begehrten Fahrzeugtypen ausgespäht. Dann werden diese Fahrzeuge entwendet und mit nachgemachten Kennzeichen von gleichen Fahrzeugtypen aus anderen Regionen ausgestattet. So kann in den meisten Fällen das Diebesgut ungestört die Grenze passieren.    
 
Grenzkriminalität für Caffier nach wie vor kein Thema
 
Auch auf anderem Gebiet machen sich osteuropäische Hehlerbanden zu schaffen. Am Montagabend fand beispielsweise im Seebad Bansin auf der Insel Usedom – welches etwa 10 Kilometer von der polnischen Staatsgrenze entfernt ist – eine Podiumsdiskussion zum Thema Grenzkriminalität statt. Unter den etwa 100 anwesenden Bürgern meldeten sich etwa 80 Prozent auf der Frage hin, ob sie schon einmal von grenzüberschreitenden Straftaten betroffen waren. Bekanntlich ist gerade die Insel Usedom seit dem Wegfall der stationären Grenzkontrollen 2007 zum Einzugsgebiet polnischer Einbrecher, Räuber und Metalldiebe geworden.
 
Detlef Kern, Erster Kriminaloberhauptkommissar und neuer Revierleiter in Heringsdorf beschwichtigte umgehend: „Daß die grenzüberschreitende Kriminalität eine gewisse Rolle spielt, können wir nicht leugnen. Sie ist aber nicht gestiegen.“
 
Angesichts derartiger Verharmlosungen wird sich auch das eine oder andere bei der Podiumsdiskussion anwesende Kriminalitätsopfer gefragt haben, ob Caffier die Landespolizei auf „Linie“ gebracht hat. Erinnert sei hierbei an Caffiers Maulkorb für Stefan Lack. So nannte bereits vor drei Jahren dieser Anklamer Kriminalhauptkommissar die Informationspolitik des Innenministeriums eine „schöngefärbte Darstellung der Kriminalitätslage“. Durch offizielle Meldungen über eine sinkende Kriminalitätsrate würde das Volk außerdem „ideologisch vorbereitet für einen Abbau von Stellen bei der Polizei“. Dann wurde er zu Caffier zitiert und bekam eine ordentliche Kopfwäsche.
zurück | drucken Erstellt am Mittwoch, 23. März 2011