Wenn Recht zu Unrecht wird! - Bericht von der Gerichtsverhandlung vor dem AG Itzehoe

Seit dem 19. April 2006 führte das Amtsgericht in Itzehoe unter dem Vorsitz der Richterin Schüller gegen vier Teilnehmer der am 04.12.004 von Autonomen angegriffenen NPD-Veranstaltung in Steinburg (Schleswig-Holstein) einen Prozeß durch, der mit dem Urteil vom 10.05.2006 einen vorläufigen skandalösen Höhepunkt fand.

Zur Vorgeschichte:

Am 04.12.2004 begann der NPD-Landesverband Schleswig-Holstein in Steinburg (bei Itzehoe) seine Wahlkampfauftaktveranstaltung, zu der auch Medienvertreter geladen waren. Ohne erkennbaren Grund, waren in der mittelbaren und unmittelbaren Umgebung massive Polizeieinsatzkräfte zum „Schutz“ der Veranstaltung im Einsatz.

Gegen 1500 Uhr, vor dem Veranstaltungslokal befanden sich zu diesem Zeitpunkt lediglich 2 Ordner, tauchten „aus dem Nichts“ etwa 60 stark vermummte Personen vor dem Gasthaus auf. Wie sich im Laufe des Prozesses herausstellte, hatten die Polizeieinsatzkräfte mit 16 Beamten alle Zufahrtsstraßen besetzt und bemerkten die „Autonomen“ dennoch nicht. Ein Schelm, wer böses dabei denkt.

Ohne Vorwarnung deckten die Autonomen die Ordnungskräfte und das Veranstaltungsgebäude mit einem massiven Stein- und Flaschenhagel ein. Dabei handelte es sich um kantige, handtellergroße Pflastersteine. Diese Tatsache wurde auch von eingesetzten Polizeibeamten bestätigt. Zum Schutz der eigenen Gesundheit und zur Abwehr eines bevorstehenden Sturms auf die Gaststätte, warfen die Ordnungskräfte und zur Hilfe kommenden Versammlungsteilnehmer einzelne Steine zurück, ohne auf Personen aus dem vermummten Mob zu zielen. Hervorgehoben muß in diesem Zusammenhang werden, daß ein Polizeibeamter im Gericht angab, daß die Autonomen die Steine bereits vor der Ankunft beim Lokal bei sich gehabt haben müssen.

Um die Versammlungsteilnehmer, unter ihnen auch viele ältere Frauen und Männer, Schwangere und Kinder, vor dem Gewaltausbruch der Antifaschisten zu schützen, liefen - noch während die Autonomen Steine warfen - etwa fünfzehn Ordner und Versammlungsteilnehmer auf die Vermummten zu, um diese zu vertreiben bzw. für die Übergabe an die Polizei festzunehmen. Schließlich lagen Sachschäden vor und konnten Personenschäden nicht ausgeschlossen werden. In diesem Zusammenhang kam es auch zu kleineren direkten Auseinandersetzungen, die laut dem Polizeibericht aber ohne Verletzungen blieben. Beendet wurden die Auseinandersetzung von anwesenden Polizeikräften, die zwei Signalschüsse in die Luft gaben. Alle Versammlungsteilnehmer wurden im Anschluß von den Polizeikräften aufgefordert, unverzüglich zum Versammlungslokal zurück zu kehren. Dieser Aufforderung kamen auch alle, zum Teil unter Protest, nach.

Am 07.01.2005, also einen Monat nach dem kriminellen Antifa-Überfall und sechs Wochen vor der Landtagswahl in Schleswig-Holstein, strahlte das ARD-Magazin „Panorama“ einen Bericht über die Geschehnisse vom 04.12.2004 aus, der aber weit entfernt von dem tatsächlichen Vorfall gestaltet war. So war von den steinewerfenden Antifa-Kriminellen kaum noch die Rede. Im Mittelpunkt standen vielmehr die notwendigen Abwehrmaßnahmen der NPD-Veranstaltungsteilnehmer, die zu einer Gewaltorgie umgedeutet wurde. Vor allem der NPD-Landtagskandidat Ingo Stawitz und der NPD-Landesvorsitzende von Mecklenburg-Vorpommern Stefan Köster wurden schwerer Gewalttaten bezichtigt. Am Beispiel von Ingo Stawitz wird deutlich, wie seit dem Ereignis ein Konstrukt gegen NPD-Funktionäre aufgebaut und erweitert wurden. Sollte sich Ingo Stawitz dem Panorama-Beitrag zufolge, an Steinwürfen beteiligt haben und eine am Boden liegende Person geschlagen haben, wurde ihm zwischendurch beispielsweise vorgeworfen, er hätte die am Boden liegende Person mehrfach getreten. Im Prozeßverfahren wurden die vollkommen abweichenden Behauptungen von überzeugten Antifaschisten bestätigt.

Zum Prozeß:

Angeklagt waren die vier Versammlungsteilnehmer, weil sie eine am Boden liegende Frau (Nicole Schultheiß) geschlagen und getreten haben sollen. Gleichzeitig sollen sie auch versucht haben, ihre Digitalkamera zu entwenden.

Das Verfahren gegen einen Angeklagten, Pierre L., wurde vor dem letzten Verhandlungstag von der Prozeß abgetrennt. L. hatte bereits am ersten Verhandlungstag ein Geständnis abgelegt und wirkte während des gesamten Prozesses von der gesamten Situation überfordert. Er gab an, Nicole Schultheiß mit einem Plastikmülleimer zu Boden geschlagen und anschließend noch einmal mehrfach auf sie eingeschlagen zu haben. Andere Aktivitäten seien ihm nicht aufgefallen. Dem Anwalt von Pierre L. schien das Schicksal seines Mandaten relativ egal zu sein. Statt sich um die Belange seines Mandaten zu kümmern, lachte er mehrfach mit dem Staatsanwalt und dem Anwalt von Frau Schultheiß, die als Nebenklägerin auftrat. Am vorletzten Verhandlungstag ergänzte er plötzlich seine Aussage vom ersten Verhandlungstag um die ihm „entfallende“ Angabe, daß er eine weitere Person bemerkt habe, die links von ihm stand und auf Nicole Schultheiß eintrat. Wer dieses denn gewesen sein könnte, erinnere er nicht. Am ersten Verhandlungstag hatte er hingegen noch angegeben, von anderen Taten nichts mitbekommen zu haben.

Die vier Verhandlungstage waren von vielen Widersprüchen und nachweisbaren Falschbehauptungen geprägt. Zudem waren die Zeugen der Anklage, die die Körperverletzungen beobachtet haben wollen, allesamt selbsternannte Journalisten aus dem antifaschistischen Milieu, die rein zufällig anwesend gewesen sein wollen.

Das Plädoyer des Staatsanwaltes war dann auch kennzeichnend für den gesamten Ermittlungs- und Prozeßverlauf. So teilte er einerseits mit, daß die Belastungszeugen durchaus einiges nicht glaubhaft erzählten, anderseits seien unglaubwürdige Behauptungen aber ein Beleg für die Glaubwürdigkeit, weil sich die Zeugen so etwas ja nicht ausgedacht haben konnten. Schließlich sei dieses ja strafbar. Er forderte schließlich für alle drei verbliebenen Angeklagten acht Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung.

Die Angaben des Nebenklägers waren ähnlich, er forderte allerdings einen geringeren Strafmaß, da es sich um minder schwere Fälle handele.

Rechtsanwalt Rieger, der Ingo Stawitz vertrat, legte in seiner zweistündigen Ausführung mehr als überzeugend dar, warum den Behauptungen der Zeugen nicht geglaubt werden kann. Er bemängelte zuvor auch massiv die Vorgehensweise der Staatsanwaltschaft bei den Ermittlungen. Punkte, die gegen die Glaubwürdigkeit der Zeugen sprechen, blieben im Plädoyer des Staatsanwalts zudem gänzlich unberücksichtigt. Rechtsanwalt Rieger legte zahlreiche Prozeßungereimtheiten offen und entzauberte die belastenden Aussagen. Er verwies zudem auf den für jedermann erkennbaren Haßkomplex von Nicole Schultheiß gegen alles Nationale und bezeichnete es als absoluten Skandal, daß sie wiederum nicht belangt wurde, obwohl sie im Prozeß z.B. auf die Frage „Sind Steinwürfe gegen Rechts in Ordnung?“ sinngemäß antwortete „Dazu sage ich hier jetzt nichts“. Schultheiß hat sich, laut Rieger, nachweislich am Delikt des schweren Landfriedensbruch beteiligt und die Gewalttaten gegen NPD-Versammlungsteilnehmer moralisch unterstützt. In diesem Zusammenhang verwies er auch auf die harmonisierenden Aussagen von Nicole Schultheiß, Timo Schütt und Andreas Speit, die alle nachweisbar dem antifaschistischen Milieu angehören und sich auch persönlich kennen.

Folgerichtig forderte er für Ingo Stawitz einen Freispruch, da dieser sich im Bereich von Frau Schultheiß gar nicht befunden haben kann.

Rechtsanwalt Nahrath, der Stefan Köster verteidigte, schloß sich den ausführlichen und klaren Ausführungen von Rechtsanwalt Rieger an. Er verwies noch einmal auf die Tatsache, daß die Ursächlichkeit nicht in den Angeklagten zu suchen ist. Die NPD-Veranstaltung sollte nachweisbar nicht nur gestört, sondern angegriffen werden. Rechtsanwalt Nahrath kritisierte massiv die Ermittlungen gegen die Attentäter und verwies, um ein Beispiel zu nennen, auf die Staatsanwaltschaften in Brandenburg, die die Angriffe der Autonomen als Mordversuch verfolgt hätten. Die Staatsanwaltschaft Itzehoe wiederum hat die Ermittlungen gegen die 47 festgenommenen Gewalttäter eingestellt. Die Ermittlungsakten sind gerade einmal jeweils fünf bis sechs Seiten dick.

Nahrath betonte im Gegenzug den Mut der sich Wehrenden, die zum Schutz der Veranstaltungsteilnehmer eine Gefahr für Leib und Leben in Kauf nahmen. Diese sahen sich - als juristische Laien - einem Angriff ausgesetzt, dessen Ausmaß sie persönlich unmöglich abschätzen konnten. Zudem seien alle Angeklagten nicht vorbelastet. Die Zeugen Timo Schütt und Andreas Speit haben sich durch ihre Aussagen selbst unglaubwürdig gemacht und in Widersprüchen verwickelt.

Rechtsanwalt Nahrath forderte für Stefan Köster, dem eine strafbare Handlung nicht nachweisbar war, ebenfalls einen Freispruch.

Rechtsanwalt Junge, der den dritten Angeklagten vertrat, verwies noch einmal auf die Ausführungen des Staatsanwalts Neumann, des Nebenklägers Alexander Hoffmann sowie der Verteidiger. Er betonte die erkennbaren Vermischungen zwischen dem vor dem Antifa-Angriff Beobachteten und dem anschließend Wahrgenommenen aller Zeugen (z.B. in der Personenerkennung). Für seinen Mandaten forderte ebenfalls einen Freispruch, da sich dieser ebenfalls nachweisbar nicht bei Frau Schultheiß befunden haben kann.

Nun hatte die Vorsitzende das Wort. Beginn des Prozeßtages war um 1000 Uhr. Mittlerweile war es etwa 17:20 Uhr. Die drei Verhandlungstage zuvor gingen in etwa ebenso lang. Richterin Schüler ordnete eine Pause von 20 Minuten an und wollte nach dieser mitteilen, ob es an diesem Tag noch zu einer Urteilsverkündung kommt. Gegen 17:45 Uhr kam sie wieder in den Sitzungssaal und teilte mit, daß in fünfzehn Minuten die Urteile verkündet werden. Gegen 18:35 Uhr kam Richterin Schüller wieder. Die Urteilsverkündung erfolgte von ihr augenscheinlich sehr nervös und sie wirkte innerlich aufgewühlt. Sie führte aus, daß sie alle drei Angeklagten - aufgrund der Aussage von Frau Schultheiß und dem Panoramabericht - für schuldig hielt. Aufgrund des Geschehenen sei ein minder schwerer Fall nicht anwendbar. Einige Sätze später verwies sie dann doch darauf, daß es sich um minder schwere Fälle handele, was wiederum nicht mit dem ausgesprochenen Strafmaß in Einklang zu bringen ist.

Insgesamt lassen die Ermittlungen, der Prozeßverlauf, das Plädoyer des Staatsanwalts sowie die Urteilsbegründung der Richterin nur den Schluß zu, daß es sich bei diesem ganzen Spektakel um einen politischen Prozeß handelt. Ziel wird es wohl sein, einen maximalen Schaden für die NPD zu erreichen. Hierzu paßt es, daß alle Verfahren gegen die kriminellen Antifaschisten eingestellt wurden, obwohl schwere Straftaten belegt sind.

Mit der gestrigen Urteilsverkündung ist das Verfahren aber noch lange nicht zu Ende. Alle drei Angeklagten werden gegen dieses Skandalurteil Rechtsmittel einlegen. Der vierte Angeklagte, Pierre L. erhielt übrigens - obwohl die zugegebenen Straftaten wesentlich schwerer zu bewerten sind, als die Vorwürfe gegen Köster und Stawitz, eine Bewährungsstrafe von vier Monaten. Wie gesagt: ein Schelm, wer böses dabei denkt!

zurück | drucken Erstellt am Freitag, 12. Mai 2006