Bildung: MVP wieder Schlußlicht

Der Jubel im Schweriner Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur war groß: Seit 2007 sank die Zahl der Schulabgänger ohne einen Hauptschulabschluß oder einen höherwertigeren Abschluß von 10,9 Prozent auf 9,8 Prozent für das Schuljahr 2008/2009. Dementsprechend pikiert zeigte sich der zuständige Minister, Henry Tesch (CDU), über die jüngste Veröffentlichung der Bertelsmannstiftung, die Mecklenburg-Vorpommern eine viel höhere Schulabbrecherquote bescheinigte.
 
Darin kamen die unabhängigen Bildungsforscher um den Essener Klaus Klemm zu dem Ergebnis, daß 2008 in Mecklenburg-Vorpommern 17,9 Prozent aller Schüler ohne einen Abschluß die Schule verließen. Damit ist das Bundesland im Vergleich mit anderen Bundesländern trauriger Spitzenreiter. Deutschlandweit lag der Durchschnitt bei 7,5 Prozent.  
 
Frisieren der Abbrecherstatistik
 
Dabei gab sich Minister Tesch große Mühe, um die Zahl der Schüler ohne qualifizierten Abschluß zu beschönigen. Als 2008 gleich zwei Abiturjahrgänge geprüft werden mußten (der letzte nach 13 Schuljahren und der erste nach 12 Schuljahren) verließen somit deutlich mehr Abiturienten die Schule, als es sonst der Fall gewesen wäre. Damit sank automatisch die Prozentzahl derer, die keinen berufstauglichen Schulabschluß erzielen konnten, da sie in einen prozentualen Vergleich mit der Gesamtanzahl der Schulabgänger gesetzt wurden.
 
Gegenüber der taz ließ der Kultusminister bereits durchblicken, daß er den Schulabschluß für Lernbehinderte ebenfalls für einen schulpflichtzeitigen Abschluß hält. "Ich möchte nicht, dass der Abschluss eines Förderschülers als Schulabbruch gilt", teilte Tesch der taz mit.
 
Tesch und die Statistiken
 
Die Bertelsmannforscher orientierten sich jedoch nicht an der Anzahl aufgewerteter Schulabschlüsse und zusammengelegter Abi-Prüfungen. Ausgangspunkt der Analyse war der Anteil der Schulabbrecher an der gleichaltrigen Wohnbevölkerung. Damit nutzten die Forscher dieselbe Berechnungsgrundlage wie das Bundesministerium für Bildung und Forschung, die für 2008 eine Schulabbrecherquote von immerhin noch 16,8 Prozent darlegte. Trotzdem bezeichnet das Bildungsministerium von Mecklenburg-Vorpommern nach Veröffentlichung der Bertelsmannstudie die vorgelegten Zahlen als „zu hoch“.
 
Erinnert sei zum Schluß an Teschs Verständnis zum Wahrheitsgehalt von selbst erstellten Statistiken. Schon die Fallzahlen zur Unterrichtsversorgung für das Schuljahr 2008/2009 wurden sorgsam im Ministerium zusammengesucht, damit ein entsprechendes Ergebnis veröffentlicht werden konnte. Neben oppositionellen Druck aus der NPD-Fraktion im Landtag und einer Rüge vom Landesrechnungshof (wir berichteten hier), mußte Tesch letztendlich eingestehen, daß er dem Landtag nicht vollständig über den Unterrichtsausfall der vergangenen Schuljahre unterrichtete. Bei der Erhebung von Vertretungsstunden wurde  im Fall von Lehrerkrankheit nicht berücksichtigt, ob Schüler tatsächlich von Vertretungslehrern unterrichtet wurden, oder aber mit Stillbeschäftigung die Zeit absaßen. Der Statistik diente es zumindest, deutlich weniger Unterrichtsausfall vorzutäuschen.
 
Konsequenzen für den Minister? Vorerst keine! In einem Artikel in der Ostsee-Zeitung vom 25.08.2010 äußerte Tesch zumindest vorsorglich: „ Aber ich bin niemand, der an seinem Stuhl klebt.“ …
zurück | drucken Erstellt am Montag, 11. Oktober 2010