Kreisgebietsreform: Überschaubarkeit fehlt

Auch wenn es den Regierenden nicht schmecken dürfte: Das Thema Kreisgebietsreform wird uns wohl noch eine Weile beschäftigen. Mehrere Kreise und kreisfreie Städte kündigten an, gegen die Neugestaltung des Landes klagen zu wollen.
 
Erinnern wir uns: Im Juli hatte die Mehrheit des Landtages die Reform durchgewunken, nachdem es zuvor zu heftigen Schlagabtauschen gekommen war, Schlagabtauschen zwischen Kreisstädten, die bis dato schiedlich friedlich nebeneinander bestanden. Die schärfsten Auseinandersetzungen um die künftigen Hauptsitze in den neuen XXL-Kreisen lieferten sich dabei Ludwigslust und Parchim sowie Anklam und Greifswald. Hier zeigte sich von neuem die alte deutsche Krankheit: Nur zu leicht lassen sich Personengruppen, in diesem Fall die Stadtoberen, aufeinander hetzen, wobei die eigenen Vorzüge mit der gleichen deutschen Gründlichkeit unters Volk gestreut werden. Die NPD-Fraktion stemmte sich dem Hickhack mit aller Schärfe entgegen und unterbreitete einen alternativen Vorschlag (siehe unten).
 
Geht es nach der rot-schwarzen Landesregierung, setzt sich M/V künftig aus sechs Großkreisen (bislang zwölf) und den zwei kreisfreien Städten Schwerin und Rostock (bislang sechs) zusammen. An Größe werden sie meist deutlich das Saarland (immerhin ein Bundesland!) übertreffen. Wir berichteten unter anderem hier.
 
Mitwirkung ganzer Personengruppen gefährdet
 
Unmittelbar nach dem Landtags-Beschluß kündigten sechs Landräte mehr oder weniger deutlich an, gegen das Gesetzeswerk der Landesregierung zu Felde zu ziehen. Auch Stralsund, Greifswald, Neubrandenburg und Wismar erwägen, Klage beim Landesverfassungsgericht einzureichen. Zwar werden sie im neugestalteten M-V zu Kreisstädten, doch gehen sie ihres Status’ als kreisfreie Städte verlustig.
  
Unterstützung erfahren die Klagewilligen vom Kieler Verwaltungsrechtler Professor Wolfgang Ewer. Er beriet schon vor vier Jahren jene Landkreise, die sich gegen die damalige Kreisreform der rot-roten Regierung gewandt hatten. Mit einigem Erfolg. Im Juli 2007 erklärte das Landesverfassungsgericht in Greifswald das Verwaltungsmodernisierungs-Gesetz (das sogar nur fünf Landkreise vorsah!) für verfassungswidrig. Kritisiert wurde dabei, daß bei dem Gesetz gegen das Prinzip der Überschaubarkeit verstoßen wurde. Gerichtspräsident Gerhard Hückstädt stellte fest: „Kreise müssen so gestaltet sein, daß es den Kreistagsabgeordneten möglich ist, eine ehrenamtliche Tätigkeit im Kreistag und seinen Ausschüssen zu entfalten.“ Weiter führte Hückstädt aus: Schon die jetzigen Kreistage, Resultat der ersten Gebietsreform von 1994, böten Freiberuflern und Selbständigen kaum noch Möglichkeiten der Mitwirkung. In Kreisen, doppelt bis dreimal so groß wie das Saarland, tendiere die Chance für diese Berufsgruppen, ein Kreistagsmandat auszuüben, gegen Null.      
 
NPD mit gut gespitztem Pfeil im Köcher
 
Geklagt hatten seinerzeit elf Landkreise und die CDU-Landtagsfraktion. Damals befand sich die CDU in der „Opposition“. An den Futtertrögen der Macht sitzend, drückte sie das jetzige Monsterkreise-Konzept zusammen mit den Sozis gnadenlos durch. Bleibt abzuwarten, ob sich die Befürworter der Kreisgebietsreform erneut blutige Nasen holen.
 
Für den Fall, daß die Kreisgebietsreform vor dem Landesverfassungsgericht erneut durchfällt, kann die NPD noch einen gut gespitzten Pfeil aus dem Köcher hervorholen. Im Februar 2008, also vor zweieinhalb Jahren, hat sie der Enquete-Kommission des Landtages einen Alternativvorschlag vorgelegt. Statt einer bloßen Verschmelzung von Landkreisen das Wort zu reden, setzen sich die Nationalen für eine Stärkung der derzeitigen, noch bestehenden Kreisstädte ein. Zu diesem Zweck sollen erhebliche Teile der Landkreisverwaltungen den Behörden der Kreisstädte und der kreisfreien Städte angegliedert werden. Diese würden dann bisherige Landkreisaufgaben (z. B. Bauamt, Umweltbehörde, Führerscheinstelle) mit erledigen. Den vollständigen Vorschlag finden Sie hier.
zurück | drucken Erstellt am Dienstag, 17. August 2010