Nordic-Werften: Enttäuschung und Wut

Zum 31. Juli enden die Transfergesellschaften. Eine Verlängerung ist nicht möglich, da die hiesigen Politiker sich weiter europarechtlichen Vorgaben beugen. 1.300 Werftarbeiter, 800 in Wismar und 500 in Rostock, stehen dann, wie es im kalten Amtsdeutsch heißt, „dem Arbeitsmarkt zur Verfügung“. Begehrt sind die sehr gut ausgebildeten Facharbeiter allemal. Das Nordmagazin des NDR sendete am 28. Juli einen Beitrag über eine extra veranstaltete Jobbörse, auf der Zeitarbeitsfirmen aus Süddeutschland und auch Dänemark vertreten waren. Umgewöhnen müssen sich jene, die sich für ein Dasein als Pendler entscheiden (müssen), allemal: aus unbefristeten werden zumeist befristete Stellen.
 
Zynismus pur trieb offensichtlich Edgar Macke, Chef der Arbeitsagentur Wismar. Er erklärte der Deutschen Presse-Agentur zufolge, daß viele der Beschäftigten im Nordosten fest verwurzelt seien, wobei es sich um „Dinge“ handele, die „aufgebrochen“ werden müßten - nicht das erste Mal, daß Verantwortliche von Arbeitsämtern dem Job-Nomadentum das Wort reden. Sie sind Erfüllungsgehilfen einer arbeitnehmerfeindlichen Politik, die nicht in der Lage und willens ist, den Menschen vor Ort eine echte Perspektive zu bieten.
 
Zu stark auf Container-Schiffbau gesetzt
 
Die Stimmung bei den verbliebenen Beschäftigten dürfte ähnlich getrübt sein, nachdem kürzlich bekannt geworden war, daß die Bremer Reederei Beluga einen Großauftrag zum Bau von vier Errichterschiffen für den Bau von Windparks nicht – wie ursprünglich gehofft - an die Nordic-Werften, sondern an die Christ-Werft in Danzig vergeben hat. Übrig bleiben der Weiterbau einer Fähre für eine schwedische Reederei sowie die Fertigung eines eisbrechenden Tankers für das Unternehmen Norilsk Nickel, ein Auftrag, der allerdings noch nicht einmal ausfinanziert ist.
Von Siemens Energy gibt es zwar, wie Medien Anfang Juli berichteten, einen größeren Auftrag (gebaut werden soll eine Umrichterplattform für die Anbindung von Windparks in der Nordsee). Doch ist die Finanzierung auch hier noch nicht in trockenen Tüchern. Auch hat das Vertrauen vieler Menschen durch die Geschehnisse der vergangenen anderthalb Jahre auf das Ärgste gelitten.    
 
Auch Managementfehler kristallisierten sich in dieser Zeit immer deutlicher heraus. So wurde viel zu lange auf den Containerschiffbau, ursprünglich Profiteur der Globalisierung, gesetzt, obwohl infolge der Finanz- und Wirtschaftskrise immer weniger Waren transportiert werden. Keineswegs optimal lief dabei die Zusammenarbeit zwischen den Leitungen der Werften und dem Forschungsbereich. 
 
Landespolitik in der (selbst gewählten) Zuschauerrolle
 
Zu allem Übel gibt es eine rot-schwarze Landesregierung, die sich entweder in routiniertem Schönsprech, in leider nur allzu bewährter Hinhaltetaktik oder hilflosem Bedauern geübt hat. Letztendlich haben sich Seidel, Sellering und Co. von gewieften russischen „Investoren“ – genannt sei an erster Stelle der auch in Rußland übel beleumdete Andrej Burlakow - wie der Bär am Nasenring durch die Landschaft führen lassen. Und Burlakows Nachfolger Witalij Jussufow hat, gelinde gesagt, bislang nicht die Erwartungen erfüllt.
 
Derweil butterte das Land Million um Million in die Werften, ohne direkten Einfluß ausüben zu können. Allein die jetzt auslaufenden Transfergesellschaften haben den Steuerzahler 19,5 Millionen Euro gekostet. Die NPD forderte schon vor über einem Jahr, Artikel 15 Grundgesetz, der die Möglichkeit von Vergesellschaftungen beinhaltet, auf die in Schieflage befindlichen Nordic-Yards-Werften anzuwenden (Drucksache 5/2537).
 
Frankreich macht’s vor: Staatseinfluß auf Werften wiederhergestellt
 
Hier kann Frankreich als Vorbild dienen. 2008 wurde dort eine nahezu handstreichartige Teil-Verstaatlichung der Atlantik-Werften (Chantiers de l’Atlantique) in Saint Nazaire vorgenommen. Frankreich gehören seitdem 33,34 Prozent des Unternehmens, an dem neben der südkoreanischen Werftengruppe STX Europe der ebenfalls französische Alstrom-Konzern beteiligt ist. Die Teilverstaatlichung ermögliche es, auf wichtige Unternehmensentscheidungen Einfluß zu nehmen, zitierte das Handelsblatt seinerzeit die Wirtschaftsministerin Christine Lagarde. Währendessen wollen die Verantwortlichen in der Bundesrepublik Deutschland von derlei Plänen nichts wissen – sie liebedienern lieber weiter gegenüber der EU, die uns die Höhe von Subventionen auch hier vorschreibt und über die Dauer von Transfergesellschaften befindet. Und Verstaatlichung? Igittigitt …
 
Ein Allheilmittel ist die Verstaatlichung selbstredend nicht. Im Zusammenspiel mit der Forschung und der schnellstmöglichen Umsetzung ihrer Ergebnisse in den Produktionsablauf (gern auch als „Innovation“ bezeichnet) sollte es gelingen, den Spezialschiffbau in deutschen Landen zu stärken. Die meisten der einstigen Werftlöwen in Warnemünde und Wismar werden dies nur mit einem müden Lächeln quittieren. Verübeln kann’s ihnen keiner.
zurück | drucken Erstellt am Freitag, 30. Juli 2010