Kreisgebietsreform: Der Kampf geht weiter!

Vorigen Mittwoch wurde im Landtag das Gesetz zur Neuordnung der Landkreisstruktur in M/V durchgewunken. Erste Kommunen und Kreise haben bereits Klageentwürfe in der Schublade liegen. Heftige Kritik an der „Reform“ übt der Kieler Rechtsanwalt und Honorar-Professor Wolfgang Ewer.
 
Die ehemals zwölf Landkreise werden nunmehr zu sechs XXL-Gebilden verschmolzen (Nordwestmecklenburg, Südwestmecklenburg, Mittleres Mecklenburg, Mecklenburgische Seenplatte, Nordvorpommern, Südvorpommern) – das kleine Saarland (ein Bundesland!) dürfte wohl angesichts der Größe dieser neuen Verwaltungseinheiten vor Neid erblassen. Doch Spaß beiseite.  
 
Mit dem Hubschrauber zum Kreistag?
 
Kreise müssen so gestaltet sein, daß es ihren Bürgern möglich ist, ehrenamtliche Tätigkeit zumutbar und nachhaltig auszuüben. Diese Feststellung traf das Landesverfassungsgericht 2007, als der erste Versuch, aus Mecklenburg und Vorpommern ein Land mit Monsterkreisen zu machen, abgewatscht wurde. Spötter erklären, daß der eine oder andere Kreistagsabgeordnete sich schon jetzt Gedanken über eine Hubschrauber-Flugbuchung machen muß, um pünktlich den Kreistag zu erreichen.    
 
Professor Ewer stellt im Gespräch mit der Ostsee-Zeitung ( 09.07.2010) denn auch klar: „Wegen des erheblichen zusätzlichen Zeitaufwands für die Anfahrten wird es schwierig werden, künftig noch Handwerker, Landwirte oder sonstige Selbständige für die Kreistage und die Ausschüsse zu gewinnen.“ Hinzu komme, „daß die Kreisgebiete teilweise so groß sein werden, daß sich mancher Abgeordnete gar kein persönliches Bild mehr von den Problemen am anderen Ende des Kreises machen kann – über deren Lösung er aber abstimmen muß.“ 
 
Erste Klagewillige in den Startlöchern
 
Zum Kostenfaktor befragt, erklärte Ewer: „Ich bin überzeugt, daß die vergleichsweise geringen und erst nach Jahren erreichbaren Einsparpotentiale der Großkreise in keinem Verhältnis zu den Nachteilen stehen. Zahlreiche, für viel Geld modernisierte Verwaltungsgebäude müßten geräumt werden. Ob rentable Nachnutzungsmöglichkeiten bestehen, ist völlig ungewiß. Die Kosten haben die Bürgerinnen und Bürger zu tragen.“
 
Ewer wird nunmehr Landkreise, die gegen die Reform klagen, vertreten, womit einiges an Arbeit auf ihn zukommen dürfte. Mehr oder weniger entschlossen zur Klage sind bislang Rügen, Neubrandenburg, Greifswald und Waren. Neu hinzugekommen ist Ludwigslust, das die Hatz um den Verwaltungshauptsitz in Südwestmecklenburg knapp gegen Parchim verlor. Bad Doberan, das im Rennen um den Hauptstandort des neuen Landkreises Mittleres Mecklenburg gegen Güstrow den Kürzeren zog, hofft auf eine gütliche Lösung. So gebe es in Güstrow keine Räumlichkeiten, um das Personal der derzeit noch eigenständigen Landkreise aufzunehmen. Und so bleibt die Hoffnung auf „raummäßig zwei Standorte auf lange Sicht“.  
 
NPD mit „Plan B“ in der Hinterhand

 
In anbetracht der seit Wochen absehbaren Klageverfahren vor dem Landesverfassungsgericht hatte die NPD-Fraktion für die kürzlich stattgefundene Landtagssitzung einen Antrag vorgelegt. „Die Zeit des Verfahrens“, so der Grundtenor der nationalen Initiative, „kann die Landesregierung nutzen, um sich ernsthaft mit den vorgeschlagenen Alternativen zu beschäftigen, was bisher unterblieben ist.“
 
Zu den Alternativen zählt die Reduzierung der Landkreise auf ein verfassungsrechtlich zulässiges Mindestmaß zugunsten der noch bestehenden Kreisstädte – bei diesem Modell, das die NPD schon im Februar 2008 vorlegte, würden erhebliche Teile der Landkreisverwaltungen den Behörden der Kreisstädte angegliedert werden. Diese erledigten dann die bisherigen Landkreisaufgaben mit, so zum Beispiel Bauamt, Umweltbehörde, Führerscheinstelle.
 
Die Wege zu den Verwaltungssitzen blieben für die Bürger die gleichen; die Behördenmitarbeiter würden lediglich den Dienstherren wechseln. Die „umlandbetreuende Stadt“ wäre geschaffen, das Motto „Bürgernähe statt Monsterkreise“ mit Leben erfüllt.
zurück | drucken Erstellt am Montag, 12. Juli 2010