Viele Anklamer Bürger dürften sich gerade sehr über die Justiz wundern. Zuerst haben Staatsanwaltschaft und Polizei in einer denkwürdigen Razzia das Rathaus auf den Kopf gestellt. Anschließend wurde Anklage wegen Untreue gegen Galander erhoben, woraufhin viele meinten, daß damit seine Schuld festgestellt sei.
Eine Anklage für sich allein betrachtet ist aber zunächst einmal gar nichts. Bevor es zu einer Verhandlung kommen kann, muß das zuständige Gericht die Anklage auch zulassen. Meist geschieht das auch. Es kann aber auch vorkommen, daß die Richter die Anklageschrift für kompletten Blödsinn halten. Dann weisen sie den Antrag auf Eröffnung der Verhandlung ab, und die Staatsanwaltschaft steht ausgesprochen dumm da.
Als dies im Falle Galanders geschah, dachten wiederum viele, nun sei seine Unschuld festgestellt. Jedoch, die Staatsanwaltschaft hat das Recht, gegen die Entscheidung des Gerichts – hier des Landgerichts Stralsund – Beschwerde einzulegen. Darüber entscheidet das Oberlandesgericht, das sich weder um die Meinung der Staatsanwaltschaft noch um die des Landgerichts schert, sondern die Angelegenheit völlig neu beurteilt. Es kann die Beschwerde abweisen, dann ist der Vorgang erledigt. Falls die Staatsanwaltschaft aber Recht bekommen sollte, findet eine Verhandlung gegen Galander vor dem Landgericht statt. Wird er verurteilt, kann er beim Oberlandesgericht Revision einlegen, woraus sich unter Umständen ergibt, daß das Urteil aufgehoben und an eine andere Kammer des Landgerichtes zu einer weiteren Verhandlung zurückverwiesen wird.
Dies alles kann sehr, sehr lange dauern und kostet eine Menge Geld. Am wenigsten nachvollziehbar ist dabei, dass zwei Institutionen des Rechtsystems – eine Staatsanwaltschaft und eine Strafkammer in einem Landgericht – aufgrund desselben Sachverhalts und angesichts derselben Gesetze zu völlig unterschiedlichen Bewertungen kommen können, ohne daß eine dabei einen schweren, nachweisbaren Fehler begangen hätte, der Konsequenzen haben müsste. Das Recht ist offenbar unendlich dehnbar. Da kann man beinahe von Glück sagen, daß wir bei solchen Verhältnissen keine Todesstrafe haben. Immerhin gibt es noch die Regeln der Wahrscheinlichkeitsrechnung.
Da Galander auch noch wegen Verleumdung und Wahlfälschung unter Anklage steht – hier wurde eine Verhandlung zugelassen – ist es eher unwahrscheinlich, daß er völlig ungerupft davon kommt.
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Erstellt am Dienstag, 22. Juni 2010