Die Umwandlung der Hochschulen in Dienstleistungsunternehmen gefährde langfristig deren Innovationsfähigkeit. Das ist der Grundtenor eines Beitrags, der kürzlich im Handelsblatt erschien.
Autor Ferdinand Knauß schildert anschaulich den Zustand, in dem sich die meisten Hochschulen des Landes befinden: Sie „werden Dienstleistungsunternehmen immer ähnlicher. Die ,unternehmerische Universität’, die ihre Produkte (Ausbildung, Forschungsergebnisse) im Wettbewerb um Kunden (Studenten, Drittmittelgeber) anbietet, ist zum offen propagierten Konzept der meisten Universitätspräsidenten geworden“. Die Einrichtungen sähen sich mit einer „Beratungs- und Kontrollmaschinerie“ konfrontiert, die über „Marterwerkzeuge“ wie Ranking (Rangordnung), Rating (Bewertung) oder Akkreditierung (Zulassung) die Szenerie kontrolliere.
Ergebnisse mehr Wunsch als Wirklichkeit
Erwähnung findet in diesem Zusammenhang der Konstanzer Philosoph und Wissenschaftstheoretiker Jürgen Mittelstraß. Dieser beklagt die „merkwürdige Vorstellung“ vom Wissen, das als handelsfähige und vom persönlichen Erleben losgelöste Ware betrachtet werde.
Letztendlich, so der Bamberger Soziologe Richard Münch, dürften Maßnahmen, die von betriebswirtschaftlichen Erwägungen bestimmt seien, sogar zu einer „Verarmung des Wissens“ führen. Das könnte vor allem dann der Fall sein, wenn Forscher „strategisch publizieren“, um die Vorgaben der Kontrolleure zu erfüllen. In diesem Fall würde die Autonomie ergebnisoffener Forschung verloren gehen; präsentierte Ergebnisse ähnelten in solchen Fällen mehr Wunsch als Wirklichkeit.
Eine Verschärfung erfährt der unhaltbare Zustand durch zu enge Stundenpläne mit so genannten Wissens-Modulen, zu viele Prüfungen und eine viel zu schwach ausgeprägte Wahlfreiheit.
Zunehmende Verschulung des Studiums
Die Verschulung und zunehmend forschungsfeindliche Ausrichtung des Studiums steht in einem engen Zusammenhang mit dem so genannten Bologna-Prozeß. Sein Ziel ist die Schaffung eines einheitlichen europäischen Hochschulwesens auf dem Gebiet der „Europäischen Union“. „Der so herangezüchtete Discount-Akademiker soll auf dem europäischen Arbeitsmarkt wie in Bauer auf dem Schachbrett hin und hergeschoben werden. Zweck der Brüsseler Wirtschaftszone ist es ja gerade, neben Waren und Kapital, Dienstleistungen und Arbeitskräften auch die ,Humanressource Wissen’ ungehemmt zirkulieren zu lassen, um Marktbedürfnissen dienstbar gemacht zu werden“, schrieb Jürgen Gansel treffend in der Deutschen Stimme (Nr. 8/2009).
Wozu „Ranking“ und „Rating“?
Zum Abschluß sei noch eine weitere Stimme genannt, die dazu angetan ist, den Europäern im Allgemeinen und den Deutschen im Besonderen etwas Grundsätzliches ins Stammbuch zu schreiben. 2007 erschien in Verantwortung des Historikers Roger Hollingworth von der University of Wisconsin eine Studie über Elite-Universitäten seines Landes. Sie enthält die Feststellung, daß die großen naturwissenschaftlichen Erkenntnisfortschritte allein durch ständige Diskussion und fachübergreifendes Denken und Handeln, Offenheit und Zeit, Neugier und Pluralismus sowie flache Hierarchien und uneingeschränkte Förderung zustande kommen. „Ratings“ und „Rankings“ sind kommen hierbei Fremdwörtern gleich …
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Erstellt am Dienstag, 09. März 2010