Keine Schleichwerbung – aber „Produktplatzierung“

Mit dem 13. Rundfunkänderungsstaatsvertrag - eine regelmäßig wiederkehrende Einigung zwischen den 16 Bundesländern zu Rahmenbedingungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk - wird der Werbewirtschaft künftig nahezu grenzenlosen Zugriff auf den Zuschauer ermöglicht. Auf Grundlage einer EU-Richtlinie aus dem Jahr 2007 soll es ab diesem Frühjahr den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten erlaubt werden, die unterschwellige Werbung im Programm weiter auszudehnen.

Irreführung durch die Verwendung verschiedener Begriffe für die gleiche Sache

Getrennt wird künftig zwischen den Begrifflichkeiten "Produktplatzierung" und "Schleichwerbung". Dabei ist beides ein und dasselbe. Denn auch die sogenannten Produktplatzierungen („Product placement“) fallen bei einem gesunden Menschenverstand unter der Kategorie der Schleichwerbung.

Die Definition von Werbung, Schleichwerbung und Produktplatzierung im neuen Staatsvertrag bleibt hierbei bewußt nebulös, indem eine „Absichtlichkeit“ als Grundkriterium von Schleichwerbung gilt. Eine konkrete Abgrenzung, ob „Schleichwerbung“ oder „Produktplatzierung“ in dem einem oder anderem Film erlaubt ist, wird darum schwer fallen.

Kennzeichnung von alltäglichen Dingen im Fernsehen

Zwar wird geregelt, daß im Programm Schleichwerbung, Produkt- und Themenplatzierung sowie entsprechende Praktiken unzulässig sind, aber dann kommen die vielen Ausnahmen. Unentgeltliche Produktplatzierungen - verschleiert mit der wohlklingenden Bezeichnung „Produktbeistellung“ – sind in Zukunft bis auf wenige Ausnahmen erlaubt.

Erstmals soll es nicht verboten sein, die Produktplatzierung als Form von Werbung in bestimmten Ausstrahlungen zu zulassen, wenn diese nur gekennzeichnet ist. Wie soll es sich eigentlich mit der Kennzeichnung bei vielen Filmen verhalten, in denen Gegenstände des alltäglichen Gebrauchs benutzt werden: Lebensmittel, Autos, Elektrogeräte? Zudem müßte der Einsatz des „Traumschiffs“ oder die Fahrzeugstaffel der Tatort-Kommissare im Vor- und Abspann der Sendung genannt werden. Diese müßten dann künftig auch ziemlich umfangreich sein und fungieren vermutlich somit selbst als Werbeträger.

Ohnehin wird es den öffentlich-rechtlichen Anstalten wie ARD und ZDF auch künftig erlaubt sein, dem Rundfunkgebühren zahlenden Zuschauern Produktplatzierungen in angekauften - also nicht selbst erstellten –Sendungen unterzujubeln. Denn die Kennzeichnungspflicht für Produktplatzierungen gilt auch nur bei Kaufproduktionen ab dem 19. Dezember 2009. Es müßten also lediglich solche Produktionen - wie beispielsweise ausländische Filme - gekennzeichnet werden, die nach diesem Zeitpunkt hergestellt worden seien.

Fernsehen: die perfekte Illusion

Wie kein anderes Medium nimmt der Flimmerkasten starken Einfluß auf Entscheidungen und das Verhalten der Zuschauer. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen wird mit dem 13. Rundfunkänderungsstaatsvertrag regelrecht zur Littfaßsäule.

Im Einvernehmen mit den Herrschenden wird das Instrument „Fernsehen“ entweder als Sprachrohr der veröffentlichten, politisch genehmen Meinung instrumentalisiert und auch als wichtiger Übermittler von Werbebotschaften im Sinne des Kapitals mißbraucht. So ist die Ausweitung der Werbung im Fernsehen systemimmanent, da der Mammon Konsum als Steigbügelhalter ein langes Ausschöpfen des bestehenden kranken Gesellschaftszustandes ermöglichen soll. Denn der Staatsführung liebsten Bürger ist immer noch die konsumberieselte, stumme Masse.

Aus nationaler Sicht wollen wir jedoch den Menschen als informationsbedürftiges Individuum verstanden wissen und nicht als bloßen Konsumenten. Der 13. Rundfunkänderungsstaatsvertrag hingegen ermöglicht nichts Geringeres als eine gezielte Zuschauer-Irritation mittels von Steuergeldern bezahlter Schleichwerbung.

zurück | drucken Erstellt am Donnerstag, 04. März 2010