„Schwarz-gelb“ in Berlin? Fast schon automatisch entsteht da die Frage nach der Fortsetzung sozialpolitischen Schweinkrams.
Der Vorschlag der Extrem-Liberalisten, ein Bürgergeld in Höhe von 662 Euro einzuführen, gehört ohne Wenn und Aber dazu, obgleich ihn Koalitionspartner CDU/CSU abgelehnt hat, und das aus gutem Grund. Zu frisch in Erinnerung ist noch das Schicksal der SPD, unter deren Regie vor nunmehr fast vier Jahren „Hartz IV“ festgezurrt wurde. In manch einer Kommune in Mitteldeutschland sind die Sozi-Verbände nur noch bedingt handlungsfähig oder von der NPD als Fundamental-Opposition bereits abgelöst worden.
Dennoch lohnt es sich, einen Blick hinter die Kulissen des angeblich so verlockenden Bürgergeldes zu werfen.
Nichts als blumige Worte
Der Idee eines „Liberalen Bürgergeldes“ liegt ein Konzept zugrunde, das der stellvertretende Parteivorsitzende Andreas Pinkwart im Jahr 2005 vorgelegt hat und das Eingang ins jüngste Wahlprogramm fand. Dort heißt es in blumigen, vielmehr fast schon zynischen Worten unter anderem: „Das Bürgergeld ermöglicht ein selbstbestimmtes Leben, fördert die Aufnahme einer eigenen Tätigkeit und ist deshalb leistungsgerecht.“ Aus Steuern finanzierte Sozialleistungen „sollen möglichst vollständig in einer einzigen Transferleistung – dem Bürgergeld – zusammengefasst werden.“
Zur Pauschale gehören den FDP-Vorstellungen zufolge neben dem Arbeitslosengeld II Sozialgeld, Sozialhilfe, Grundsicherung im Alter, Wohngeld, Zuschuß für die Heizkosten sowie der Kinderzuschlag (nicht aber das Kinder- und das Elterngeld!).
Schmälerung ohnehin karger Leistungen
Unterm Strich würden die ohnehin kargen Leistungen aus Hartz IV durch das Bürgergeld nochmals geschmälert. Betroffen wären vornehmlich jene, die bei einer Einführung des BG erneut in „zu teuren“ Wohnungen leben, da ja von den 662 Euro auch und vor allem Miet- und Mietnebenkosten (hier in erster Linie die für Heizung) zu bestreiten wären. Zwar faßt der FDP-Vorschlag fürs Wohnen regional unterschiedliche Pauschalen ins Auge. Doch geht es hier nicht um ein bloßes „Ranking“ von teuersten, teuren und weniger teuren Kommunen. Die Wirklichkeit, liebe FDPler, ist auch hier wieder mal anders. Die eigentliche Differenzierung nehmen Städte und Landkreise in Gestalt von Mietspiegeln vor. Und wenn ein ALG-II-, pardon Bürgergeld-„Kunde“ eine zu große oder zu teure Wohnung bezieht, wird der „Sparhammer“ gegebenenfalls unbarmherzig zur Anwendung gebracht. Erhöht wird der Druck zum Sparen durch die erneut gesunkenen Finanzzuweisungen des Bundes und der Länder an die Kommunen. So sinkt die Bundesbeteiligung an den Kosten der Unterkunft für Langzeitarbeitslose von 26 auf 23,2 Prozent – ein tolles Argument für Verantwortliche, den Kostendruck an die Betroffenen weiterzugeben.
Zementierung des Niedriglohnsektors
Hurraschreie dürften sich die Liberalinskis auch von ihren Ausführungen zu den Zuverdienstmöglichkeiten erhoffen. Nicht geändert werden soll der jetzige Freibetrag von 100 Euro. Bei „Löhnen“ zwischen 101 und 600 Euro wären 40 Prozent anrechnungsfrei. Dazu heißt es in der FDP-Eigendarstellung nach typisch neoliberalem Denkschema: „Ohne eine Anpassung der Tarife nach unten“ sei „der strukturellen Arbeitslosigkeit im Niedriglohnbereich nicht wirksam entgegenzutreten.“ Auch müßten „die starren Flächentarifverträge flexibler gestaltet werden“.
Der Niedriglohnsektor soll also, ginge es nach den Westerwelle und Co., eine Zementierung, vielmehr Ausweitung erfahren, denn, wie es treffend in einem OZ-Kommentar heißt, „Firmenchefs, die auf Billiglöhne setzen, werden sich die Hände reiben, weil das Bürgergeld sie vollends von der Pflicht entbindet, einen existenzsichernden Lohn zu zahlen. Den gibt’s ja dann frei Haus vom Vater Staat“.
Dafür stehen wir:
Und schlußendlich erführe das traditionsreiche, ja weltberühmte deutsche Sozialsystem eine (vorläufig) totale Zerstörung.
Was Deutschland braucht, ist kein „Kombilohn für alle“, wie es der Politikwissenschaftler Prof. Christoph Butterwegge treffend ausgedrückt hat, sondern ein gesetzlicher branchenübergreifender Mindestlohn in Höhe von 8,80 Euro pro Stunde (wobei eine Übergangsfrist einzuräumen ist), ein Zuwanderungsstopp samt Rückführung ausländischer Lohndrücker, die steuerliche Entlastung zum einen kleineren und mittleren Einkommen, zum zweiten kleinerer und mittlerer Betriebe, mithin das Rückgrat unserer Wirtschaft, sowie die Beschneidung der Macht von Banken, die entweder unter staatliche Kontrolle gestellt oder im Extremfall gnadenlos von der Landkarte gestrichen werden müssen. Dann wird’s wieder mit Deutschland! Brosamen, wie sie die FDP zu verteilen gedenkt, gehören auf den Müllhaufen der Geschichte!
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Erstellt am Mittwoch, 28. Oktober 2009