Mülltonnen-Revolution? Immerhin!

Partnerschaft? Die Chancen, irgendwann einmal zum "Unwort des Jahres" erklärt zu werden, stehen für diese Vokabel allem Anschein nach schlecht. Anders könnte es "Public Private Partnership" ergehen. PPP kann man getrost als Wahrnehmung bzw. Betreibung bislang kommunaler oder staatlicher Dienstleistungen durch Private definieren. In Zeiten klammer Kassen, hervorgerufen nicht zuletzt durch eine Politik großzügiger Geldgeschenke der Berliner Kartellparteien ins Ausland und an Konzerne, ist "Privatisierung" die Zauberformel der meisten bundesdeutschen Kommunen.

Die Müllabfuhr als der wohl sinnfälligste Ausdruck westlicher Konsum-Zivilisation macht da keine Ausnahme. "Die Schweriner Stadtvertretung hat sich nach einer europaweiten Ausschreibung für eine Partnerschaft mit REMONDIS entschieden: Die REMONDIS AG & Co. KG hat zum 01. Januar dieses Jahres 49 Prozent der Gesellschafteranteile an der Schweriner Abfallentsorgungs- und Straßenreinigungsgesellschaft mbH (SAS) übernommen", heißt es auf der Weltnetzseite eines der "weltweit größten privaten Dienstleistungsunternehmen der Wasser- und Kreislaufwirtschaft" mit Niederlassungen und Beteiligungen in 20 europäischen Staaten sowie in China, Japan, Taiwan und Australien (www.remondis.de). "Eine Public Private Partnership mit einem privaten Dienstleistungsunternehmen ist für Schwerin die optimale Lösung, um die SAS für die Zukunft aufzustellen und zugleich die gewünschte Einflußmöglichkeit auf die Abfallentsorgungs- und Straßenreinigungsgesellschaft beizubehalten", wird Schwerins OB Norbert Claussen auf der Seite wiedergegeben. "Gut aufgestellt" zu sein, gehört mittlerweile zur etablierten Polit-Phraseologie und erinnert an den militärischen Wortschatz. "Feindliche Übernahmen", "Brückenköpfe" und "Menschenmaterial" könnten hier gleichermaßen Verwendung finden – es ist das Vokabular der kriegerischen und mithin völkerfeindlichen Globalisierung. Gut, Schwerin hält nach derzeitigem Erkenntnisstand noch die absolute Anteilsmehrheit, doch ist, um im Jargon zu bleiben, die Burg nach allen bisher gemachten Erfahrungen nahezu sturmreif geschossen.

Spezielle Erfahrungen mit Remondis machte unter anderem die Stadt Bergkamen (Westfalen). Gute waren’s wohl nicht. Denn sonst hätten die Stadtväter sich nicht die Zeit für eine Durchrechnung des Projekts genommen. Resultat: "Die Gewinnmargen der privaten Entsorger sind hoch, die Gehälter der Vorstände auch. Für die Müllabfuhr nahm der private Anbieter 1,1 Millionen Euro. Die Stadt selbst schafft es für 770.000 Euro. Macht eine Ersparnis von 30 Prozent", hieß es im ARD-Magazin Monitor (Die "orangene Revolution" – Städte holen die Müllabfuhr von den Privaten zurück; Nr. 558 vom 18. 01. 2007). Städte? Kreise? Nicht nur einer? Genau, denn auch der Rhein-Sieg-Kreis, Aachen und Hannover, die Uckermark (Brandenburg) sowie die Landkreise Neckar-Odenwald und Rhein-Hunsrück entschlossen sich, die Zusammenarbeit mit privaten Müllentsorgern kurzerhand „in die Tonne zu hauen“. Nicht genug damit: "Auch Strom, Gas, Wasser und Straßenreinigung haben sie sich zurückgeholt – nach demselben Muster: Verträge mit den Privaten kündigen, selber machen. Fertig", so Monitor. Motto: Schafft auch hier eins, zwei, drei, viele Bergkamen! Oder, wem das nicht gefällt: Ohne Druck von unten wird oben nicht aufgewacht!
Der komplette Beitrag ist abrufbar unter www.wdr.de/tv/monitor/beitragsuebersicht.phtml.

Ergänzungen zur an sich informativen Monitor-Sendung sind dennoch vonnöten: Wie eine Durchsicht der Protokolle Bergkamener Stadtratssitzungen ergab, sitzen in der dortigen Volksvertretung zu einem guten Teil auch (noch) Vertreter des Berliner Systemparteien-Kartells. Fast durchgängig äußerten sie sich angesichts der Ergebnisse positiv zum Projekt Re-Kommunalisierung. Andererseits ist allen bekannt, daß ihre jeweiligen im Bundestag sitzenden Kollegen und Genossen der Privatisierung Vorschub leisten und streckenweise davon profitieren – zumindest wird das hier unterstellt, es sei denn, die Betreffenden werden – bei Bedarf (Stichwort: Aussagen vor Gericht) - für unzurechnungsfähig erklärt.

Und da es uns fern liegt, Mitglieder von Parteien, die dem Nationalen Widerstand nicht gerade freundlich gegenüberstehen, in Bausch und Bogen als gestört zu bezeichnen, sei die Frage gestattet: Ist Ihnen nicht bekannt, daß der wohl besser in Radsportvereinen aufgehobene Ex-Verteidigungsminister und durchaus engagierte Zweirad-Pedalritter Rudolf Scharping mittlerweile ebenfalls PPP-infiziert ist? Auf seiner Netzseite "Rudolf Scharping Strategie Beratung Kommunikation" (RSBK/www.rsbk.de) vermittelt der bei einem Radunfall auf den Kopf gestürzte und jetzt offen zum Lobbyisten mutierte SPD-Mann "Werkstattgespräche mit kommunalen Entscheidern", wobei der "problem- und lösungsorientierte" Charakter eigens hervorgehoben wird. Eine "fokussierte Gesprächsebene" garantiere eine kongreßunübliche, eben intime Atmosphäre. Loge oder Puff – der VW-Vorstand um Herrn Hartz zog letzteres vor oder vielleicht auch beides.

Und damit Nichtinhabern eines SPD-Parteibuches keine Gelegenheit gegeben wird, mit dem Finger allein auf August Bebels Nachfahren zu zeigen, sei gestattet, weitere bei RSBK Mitmischende zu erwähnen: Dr. Klaus Baumgärtner (Staatspräsident a. D., Bern), Rainer Brüderle (FDP, Mitglied des Bundestages/MdB), Josef Deimer (OB a. D., Landshut, CSU) oder Dr. Hinrich Lehmann-Grube (OB a. D., Leipzig, SPD) – sie alle zählen zum gedopten, pardon, gutgeschmierten Rennstall, dessen Prinzipien von einer US-amerikanischen Anwaltskanzlei formuliert worden sind.

Wo Remondis Rechtsverdreher sitzen, ist (noch) nicht bekannt. Doch auch hier gilt: Da als Aktien-Gesellschaft verfaßt, zählen vornehmlich die Dividenden der Aktionäre. Aus reiner Barmherzigkeit wird sich der Konzern zudem nicht in Schwerin (zuvor in Neubrandenburg, Bremerhaven, Düsseldorf, Zwickau, Potsdam u. a.) eingekauft haben – die vor allem in China vorhandenen Kapitalreserven lassen weitere "Fischzüge" erwarten. Und: Da international "aufgestellt", kann Remondis Verluste in dem einen oder anderen Land durch Kapitalverschiebungen ausgleichen, nötigenfalls auch zuungunsten der am jeweiligen Ort Beschäftigten (in Schwerin sind es etwas über 60).

Die ganz hohe Ebene der "Beteiligungen", "Übernahmen" und "Partnerschaften" läßt sich mit dem Kürzel MAI bezeichnen. Das "Multilateral Agreement on Investigations", angeleiert in den 1990er Jahren von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD, 1961 auf Betreiben der USA gegründet), enthält als Kernforderung die Schaffung "investitionsfreundlicher Klimas" – gefordert wird dabei der soziale Rückzug des Staates aus dem Bereich des Nationalen, das so zur bloßen, handlungsunfähigen Hülle verkommt; Privatisierungen von staatlichen Gütern, aufgebaut vom Schweiße der Völker dieser Welt und nunmehr dem rutschigen Börsenparkett übergeben, sind da natürlich willkommen. Will sagen: die Ente soll nicht erst gerupft werden müssen, sondern bereits im Ofen brutzeln.

Bezogen auf die Bundesrepublik können wir sagen: "PPP", die Verknüpfung eigentlich gemeinwohlorientierter Interessen mit denen von privatwirtschaftlich organisierten Verbänden, erinnert an jene damals schmählich verröchelte, heutzutage aber mit Lobhudeleien bedachte Weimarer Republik ("Goldene zwanziger Jahre") – die Chancen zum Überleben stehen eher schlecht, nicht aber die für echte Partnerschaft zum Wohle des Ganzen, in politisch unkorrekten Kreisen auch mit Volkswirtschaft und Volksgemeinschaft bezeichnet.
zurück | drucken Erstellt am Mittwoch, 24. Januar 2007