Offener Brief an den Nordkurier

Raimund Borrmann – MdL
Lennèstraße 1
19053 Schwerin


Kurierverlags GmbH & Co. KG
Redaktion Nordkurier * Chefredakteur Dr. André Uzulis
Flurstraße 2
17034 Neubrandenburg


OFFENER BRIEF AN DIE CHEFREDAKTION DES NORDKURIER

Sehr geehrter Herr Uzulis,

in der gestrigen Ausgabe des NORDKURIER veröffentlichen Sie einen Artikel unter der Überschrift "Zivilcourage bringt einen Strafbefehl ein" von Iris Diessner. Hier gehen Sie auf einen Vorfall ein, der sich vor acht Monaten, zwei Tage vor der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern am 15.09.2007 ereignete. Sie geben Herrn G. aus Groß Gievitz die Möglichkeit sich zum Sachverhalt zu äußern. Dieser schildert sein Vorgehen gegen einen NPD-Vertreter, der eine Verteilaktion von gesetzlich nicht verbotenem Informationsmaterial der Nationaldemokratischen an Bürger, darunter auch Schüler unter 18 Jahren, einstellen sollte. Der NPD-Mann sei der Aufforderung von Herrn G. nicht nachgekommen, so daß die Männer um Herrn G. schließlich einige der CDs "gewaltfrei entsorgt" haben. Für diese "Zivilcourage gegen rechts" sei nun ein Strafbefehl ergangen.

Stellen Sie sich einmal vor, ein angehender SPD-, PDS-, CDU- oder FDP-Landtagsabgeordneter verteilt gesetzlich nicht verbotenem Informationsmaterial seiner Partei an Bürger, darunter auch Schüler unter 18 Jahren, und wird von NPD-Mitgliedern aufgefordert, diese Verteilaktion einzustellen. Da der Landtagskandidat dieser Aufforderung nicht nachkommt, "entsorgen" die NPD-Anhänger dieses Material ... gegen den Willen des Verteilers. Was meinen Sie, was passiert? Innerhalb von Minuten kommt ein Einsatzkommando der Polizei, die NPD-Mitglieder werden verhaftet und schon wenig später mit einem Hubschrauber zur Bundesstaatsanwaltschaft nach Karlsruhe geflogen. Schon am nächsten Tag sind bundesweit Zeitungen mit Titelseiten über rechte Gewalt gesetzt, man fordert die Verfassungsbehörden auf, die Nationaldemokratische Partei Deutschlands zu verbieten ...

Bei dem erwähnten NPD-Mann handelt es sich um das Mitglied des Landtages von Mecklenburg-Vorpommern, Raimund Borrmann, der Verfasser dieser Zeilen ist. Wie Herr G. eine "gewaltfreie Entsorgung" vorgenommen haben will, bei dem mir die Materialien gegen meinen Willen entrissen wurden, ist mir schleierhaft. Möglicherweise versteht Herr G. unter "gewaltsam" eine schwere Körperverletzung. Die Justiz dieses Landes hat eine andere Auffassung als Herr G. Dennoch räumen Sie Herrn G. unbenommen und unkritisch ein, seinen Standpunkt darzulegen und den Eindruck zu erwecken, sein von den Rechtsbehörden geahndetes Verhalten sei eine gute Tat – Zivilcourage das angewendete Recht dagegen sei unmoralisch und damit "Unrecht".

Johann Wolfgang von Goethe sagt in seinem Werk Dichtung und Wahrheit: "Eines Mannes Rede ist keines Mannes Rede – man höre sie billig alle beide!"

Ich fordere Sie hiermit auf, die von Ihnen im Strafbefehl erwähnte Sachlage, wie sie den Ermittlungsbehörden von mir geschildert wurde, zu veröffentlichen. Es gelang mir, einen Augenblick der Unaufmerksamkeit der Gewalttäter zu nutzen und einige Momente des Tatherganges zu photographieren. Ich fordere Sie hiermit auf, auch diese Dokumente zu veröffentlichen. Wenn Sie denn soviel "Zivilcourage" besitzen, und nicht darunter eine Handlungs- und Denkungsart verstehen, in der Sie als Zeitungsredakteur Artikel 3 des Grundgesetzes außer Kraft gesetzt wähnen und nur dem sein Recht verschaffen, der bei den Herrschenden des jeweiligen politischen Systems Huld und Gnade genießt.

Mit freundlichen Grüßen

Raimund Borrmann



Anlage 1: Text der Strafanzeige gegen Unbekannt bei der Polizei (Waren/Müritz)

Zivilcourage

Waren, Freitag, 15. September 2006, 12.25 Uhr. Direktkandidat der Nationaldemokraten für den Wahlkreis 20, Raimund Borrmann, hält mit seinem Fahrzeug auf einem Parkplatz vor der Regionalschule in Waren West. Er öffnet den Kofferraum und entnimmt eine Pappkiste mit Wahlmaterial: Direktkandidatenflugblatt, Aktionsprogramm der NPD zur Landtagswahl, Bonbons, Schulhof-CD’s. Ruhigen Schrittes geht er am Schulzaun vorbei auf den ersten Bürger zu, den er sieht – einen Schüler. "Möchtest Du Informationsmaterial der Nationaldemokraten haben? Eine Schulhof CD?". Der Junge möchte gerade zugreifen, als neben ihm sich die Tür eines grünen VW-Transporters – mit dem Kennzeichen MÜR-WR 318 – öffnet und ein 30 jähriger blonder Mann mit Stahlkappenschuhen steigt aus. "Was hast Du da? NPD-Material? Schulhof CD’s? – Mach das Du verschwindest!" – Kamerad Borrmann, der niemanden provozieren will, wechselt die Straßenseite. Doch der große blonde mit den schwarzen Schuhen folgt ihm. "Mach das Du abhaust, sonst drücke ich Dir die Brille ein!" – "Ich belästige hier niemanden, sondern nutze nur den öffentlichen Raum zum Verteilen von Wahlmaterial für die Landtagswahl." – "Das ist Nazi-Schrott. Ihr wollt nur eure miese Propaganda an Bürger verbreiten. Und dann diese braune Schund-CD an die Schüler ... Dieser ganze Dreck gehört in die Tonne!" – "Haben Sie sich schon einmal die CD angehört?" – "Das habe ich nicht nötig!", brüllt der Bauarbeiter aggressiv zurück. "Diesen Mist werde ich mir nie anhören!" -

Kamerad Borrmann geht weiter auf und ab, bietet seine Materialien an. Ein Schüler, der vor ihm steht, streckt die Hand aus. Der große Blonde droht: "Wehe, Du nimmst die CD! Du weißt, was dann passiert! – Und wehe Du gibst einem Schüler die CD – dann schlage ich Dir den Schädel ein!" Kamerad Borrmann läßt von seinem Vorhaben ab und geht weiter. Der große Blonde höhnt: "Siehst Du, daß ist Civilcourage!" und geht wieder über die Straße, um seine Arbeit auf dem Schulhof fortzusetzen. Als Kamerad Borrmann bei der nächsten Kehre wieder an dem Schüler vorbeikommt, drückt er ihm blitzschnell eine CD in die Hand. Der Junge zögert. "Schnell weg, damit es keiner sieht. Nun weißt Du wer hier gewalttätig ist und wehrlose Menschen bedroht! Wir Nationalen jedenfalls nicht ..." – Der Schüler nickt stumm und im Bruchteil einer Sekunde ist die Scheibe verschwunden. Ein anderer braungebrannter Bauarbeiter mit Glatze hat offenbar doch etwas gesehen. Er kommt eiligen Schrittes vom Schulhof und brüllt am Schultor. "Warte Du braunes Dreckschwein, ich komme und mach Dich kurz und klein!" – Der bullige 30jährige meint es offenbar so ernst, daß der große Blonde auf ihn zueilt und ihn nur mit Mühe zurückhalten kann "Laß daß sein, Du machst Dich strafbar, denk an die Leute ... jede Menge Zeugen!", mahnt er seinen Kollegen, dann wendet er sich dem Nationaldemokraten zu: "Warte, wir sehen Dich andermal, dann schlagen wir Dir die Fresse ein, Du Hohlkopf! Bist Du überhaupt in die Schule gegangen ... Und jetzt verschwinde, bevor ich es mir anders überlege!" Kamerad Borrmann läßt sich nicht provozieren und geht weiter. Der große Blonde wechselt erneut die Straße, stellt sich vor ihm auf. Er ist auf das äußerste angespannt, seine Gesichtszüge zittern. Eine falsche Bewegung des Nationalen, ein winziger Ausdruck von Angst, eine provozierende Bemerkung und die geballte Kraft eines Bauarbeiters könnte auf ihn niederprasseln. Doch Kamerad Borrmann läßt sich nicht aus der Ruhe bringen: "Hier ist eine öffentliche Straße. Ich belästige niemanden und habe kein strafbares Material bei mir. Dürfte ich bitte weitergehen!" Zwei, drei Sekunden vergehen. – "Ich habe Dich gewarnt – wenn Du eine CD verteilst, war’s das für Dich!" Der große Blonde geht wieder zurück auf den Schulhof.

Minuten verstreichen, ohne daß etwas passiert. Plötzlich taucht der bullige Kahle wieder auf und schreit: "Es reicht!" Er geht auf Kamerad Borrmann zu greift in die Kiste und entreißt ihm die Direktkandidaten-Flugblätter, mit denen Raimund Borrmann sich den Wählern vorstellen will. "Diesen Schund werde ich jetzt entsorgen! Und nun verpiß Dich!" Triumphierend kehrt der Kahle auf den Schulhof zurück, wo er das Wahlmaterial verbringt. Jetzt taucht ein schwarzer Wuschliger auf, auch ca. 30 Jahre, und scheint in die Szene ebenfalls einzugreifen. "Bist Du immer noch da, Du braune Ratte!" Raimund Borrmann geht zu seinem Auto, greift zum Telephon und verständigt die Polizei von dem Raub. Man werde in Kürze am Friedrich-Engels-Platz erscheinen, läßt die Einsatzstelle den Beraubten vernehmen.

Kandidat Borrmann geht seinen Weg weiter auf und ab. Minuten verrinnen, ohne das etwas besonderes geschieht. Dann kommt ein ca. 15 jähriger Schüler kommt auf den Kameraden zu. "Möchtest Du eine Schulhof CD?" – "Nein danke, ich hab schon eine. Ich halte nichts davon." – "Gut, dann hast Du Dir Deine Meinung gebildet. Danke." Schon will Borrmann weitergehen, als der große Blonde zum dritten mal die Straße wechselt. Er hat den kurzen Dialog mit dem Schüler offenbar falsch gedeutet. "Jetzt reicht es!" ruft er schon von weitem. Kamerad Borrmann ahnt nichts Gutes. Wird man ihn brutal zusammenschlagen? Der große Blonde greift rasch zu. Er hat es auf den Karton mit Wahlmaterial abgesehen und entreißt dem Kameraden die Kiste mit Gewalt. Der Pappkarton zerreist, ein Großteil des Materials fällt zu Boden, Gegenwehr wäre sinnlos: inzwischen sind auch der Glatzköpfige und der Wuschlige am Ort des Geschehens eingetroffen. Gemeinsam trampeln sie auf dem Wahlmaterial herum, zerbrechen sie die CD’s, zerreißen sie daß Aktionsprogramm. "So wird der Nazi-Schrott entsorgt!", jubeln sie. Ein Orientale, der gegenüber der Schule Döner verkauft, kommt aus seinem Laden. – "Und Du machst auch nichts!", herrscht ihn der Blonde an. "Du siehst doch daß der hier Wahlpropaganda der Rechten verbreitet wird. Dagegen mußt Du vorgehen – oder willst Du ausgewiesen werden." – Der Döner-Mann holt eine Mülltonne und hilft kräftig mit, das geraubte Wahlmaterial der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands zu zerstören und die zerfetzten Stücke in seine blaue Mülltonne zu packen. Nachdem alles Material vom Fußgängerweg entfernt ist geht der Blonde auf Kamerad Borrmann zu. "Und nun zu Dir, Du Naziverbrecher. Ihr habt doch vor 60 Jahre schon genug Scheiße angerichtet." – "Ich habe gar nichts getan!" – "Und in die Schule bist Du sicher auch nicht gegangen Du brauner Dummkopf!" brüllt der Blonde den Hochschulabsolventen an. "Und jetzt wollt ihr dieses Land kaputtmachen ..." – "Dieses Land ist schon kaputt. Bankrott durch die etablierte Politik!" wagt Borrmann zu erwidern. – "Hast Du nichts anderes zu tun? Arbeitslos Du Assi?" – "Nein ich bin selbständig. Ich verkaufe Frischsäfte." – "Na wenigstens arbeiten kannst Du. Und jetzt verschwinde! Du weißt, was passiert, wenn wir Dich sehen ..." – Dann lehrt sich der Platz. Die vier Täter, die drei Bauarbeiter vom Schulhof und der Döner-Mann, verlassen den Ort des Geschehens. Zurück bleibt Raimund Borrmann. Von Polizei keine Spur. Als diese auch 30 Minuten nach dem Notruf noch nicht eintrifft, verläßt der Kamerad den Tatort. Er wird Strafanzeige erstatten, so wie es sich für einen rechten Deutschen gehört.

Anlage 2: Bilddokumente des Tatherganges am 15.09.2006 (Regionalschule West, Waren/Müritz)










zurück | drucken Erstellt am Freitag, 25. Mai 2007