Bad Doberan - Heiligendamm. Skandal! Die G8-Gipfel-Gemeinde des Jahres 2007, die erst vor wenigen Tagen als letzte in Deutschland dem besagten Präsidenten und Kanzler des Deutschen Reiches am 02. April 2007 posthum die Ehrenbürgerwürde entzog, leistet sich eine, für etablierte Kreise neue, politische Unkorrektheit sondergleichen. Ausgerechnet am 118. Geburtstag Adolf Hitlers eröffnet der Bürgermeister der Stadt H. Polzin eine Ausstellung über Heiligendamm, das als des Führers liebstes Seebad galt. Wie instinktlos ist diese politische Klasse, die eben noch in pflichtbewußtem Rechtskampf gegen Rechts agiert und nun selbstvergessen Bilder über die geplante Führer-Schule in Heiligendamm zeigt? Hätte man nicht den 19. April oder den 21. April wählen können? Es hätte sich auch der 22.04. angeboten der 137. Geburtstag von Wladimir Iljitsch Ulianow, genannt Lenin. Doch offenbar gibt es noch immer heimliche Sympathisanten, die geschickt dieses Datum auf das Protokoll dieser „wichtigsten Stadt des Jahres“ setzten.
In den Reden von Bürgermeister Harmut Polzin und Ausstellungsinitiator Frank Mohr finden sich derlei Zusammenhänge mit keinem Wort erwähnt. Polzin verliert sich in Allgemeinplätzen über die Historie von Heiligendamm, malt ein rosiges Bild über die Zukunft des ersten deutschen Seebades und betreibt zum wiederholten Male Apologie seiner Stadtpolitik, die zur vollständigen Aussperrung der Öffentlichkeit aus dem Nobel-Komplex im Seebad führen soll. Ganz anders Architekt Mohr, der die Sammelleidenschaft von vier Generationen zum Gegenstand „Seebad Heiligendamm“ präsentieren darf und sich durch eine profunde Sachkenntnis von Geschichte und Ausstellungstücken auszeichnet. In einer anderthalbstündigen Führung durch die Exposition im Rathaus und im Roten Pavillion erfahren die zahlreichen Gäste, unter ihnen Anno August Jagdfeld, Intimes aus der Historie des G-8-Tagungsortes.
Als am Ende des Vortrages von Frank Mohr die Frage aufgeworfen wird, wie es um die Zukunft bestellt ist, läßt es sich der „Investor“ Anno August Jagdfeld nicht nehmen, das Wort zu ergreifen. Doch während sonst der Immobilienkönig die Superlative liebt, gibt er sich jetzt fast kleinlaut und sagte sinngemäß: „In Heiligendamm werde es mit der Bautätigkeit erst dann weitergehen, wenn wir die Gewinnzone erreicht hätten. Wir hofften aber durch das Gipfeltreffen der Regierungs-Chefs, die weltweite Bekanntheit von Deutschlands bestem Hotel und durch die Maßnahmen zur Verhinderung des Wandertourismus auf dem Gelände ab der zweiten Jahreshälfte profitabel zu sein. Es könne nicht angehen, daß bis zu 5000 Gaffer, Mountabiker und unbekleidete Jogger unsere erlesenen Gäste von einem Aufenthalt in unserem Luxushotel abhalten. Wir hätten bis zu 30% Absagen. - Niemand stecke Geld in einen Fonds, wenn dieser Verluste schreibe. Machten wir wieder Gewinn, dann geht es auch in Heiligendamm zügig voran.“ Keiner widerspricht Herrn Jagdfeld - am allerwenigsten Bürgermeister Polzin, der sich am liebsten als dessen williger Vollstrecker geriert.
Keiner der Gäste spricht an, was das Magazin „Der Spiegel“ in seiner Ausgabe von 29.01.2007 behauptet: Jagdfeld sorgt dafür, daß er und sein Clan hochprofitabel die Vermögens-Fonds aussaugen, deren Gelder Ihnen von Anlegern anvertraut wurden. Dazu hat Jagdfeld ein undurchsichtiges Geflecht von eigenen Firmen geschaffen. Dieses Jagdfeld-Netzwerk kassiert für den Vertrieb der Fondsanteile, als Komplementär, als Treuhänder und als Steuerberater der Fonds. Es ist Verkäufer der Grundstücke, baute den Kid’s Club und das Hotel für 178 Millionen Euro. „Wir decken die ganze Wertschöpfungskette ab“, wird Immobilienkönig Jadgfeld im pluralis majestatis vom Magazin „Der Spiegel“ in der Ausgabe 29.01.2007 zitiert. Die Renditekalkulation Jagdfelds selbst sieht ganz anders aus, als für die von ihm verwalteten Fonds, für die Jagdfeld in 2006 eine magere Ausschüttung von nur 2 Prozent verspricht. Und dieser Mann, dessen Ehefrau Anne Marie laut Zeitschrift „Max“ zu den „Mächtigen in der Welt der Dekadenz“ zählen soll, erdreistet sich, den Verfall eines Großteils der historischen Bausubstanz Heiligendamms mit Geldmangel zu begründen! Im September 2002 - ein halbes Jahr vor Eröffnung der Hotelanlage - erfolgte die vertragliche Zusicherung, alle denkmalgeschützten Gebäude, die nicht zur Hotelanlage gehören, zu sanieren. 4 ½ Jahre nach der getroffenen Vereinbarung wurde mit einer solchen Sanierung noch nicht einmal begonnen. Dies läßt Zweifel an der Investorengruppe aufkommen, besonders an den Aussagen von Anno August Jagdfeld ...
Die Ausstellung, die bis 21. Mai 2007 in Bad Doberan und danach in Kühlungsborn zu besichtigen ist, darf - trotz teilweise tendenziöser Kommentare zu den Exponaten - allen Kulturinteressierten empfohlen werden.
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Erstellt am Montag, 23. April 2007