Kommunalpolitik in der G-8-Gemeinde Bad Doberan-Heiligendamm

G-8-Gipfelzirkus auf der Tagesordnung

"Großer Bahnhof" in Bad Doberan gehört fast schon zum Alltag in einem Ort, in dem in zwei Monaten der G-8-Gipfel ausgetragen wird. Staatsekretär Meyer aus der Staatskanzlei Schwerin war extra angereist, um das Welt-Adels-Treffen Stadtverordneten und den zahlreich erschienenen Bürgern schmackhaft zu machen. Heiligendamm und Bad Doberan hätten keinen schlechten Ruf - sie hätten gar keinen, denn sie seien kaum bekannt. Das G8-Treffen biete ein unschätzbare Möglichkeit einer kostenlose Werbung für das erste deutsche Seebad und den Kurort Bad Doberan. Kostenlos? Freilich für die Stadt! Der Steuerzahler wird über 100 Millionen Euro berappen müssen. - Auf ihre Kosten sollen auch die friedlichen Demonstranten kommen - sie seien herzlich begrüßt.

Mehr als 95% seien friedlich gestimmt, flötete der Staatssekretär seinen Zuhörern ein. Eine reichlich optimistische Angabe, denn andere Quellen gehen von 10% gewaltbereitem Potential aus, macht bei 100.000 - 200.000 Demonstranten bis zu 20.000 Chaoten. So manch einem Polizeioffizier stehen jetzt schon die Schweißperlen auf der Stirn, bei dem Gedanken mit zum Teil unerfahrenen, mäßig ausgerüsteten und oft in schlechten Amtsgebäuden untergebrachten, teilweise demotivierten Einsatzkräften die Lage unter Kontrolle zu halten.

Aber so ein Staatsekretär kann es sich einfach machen: Die Polizei werde hart durchgreifen bei denen, die etwas anderes als friedliche Bekundungen von sich geben wollen, erklärte er. Beide Seiten der Veranstaltung - die G-8-Regierungen als Vertreter der großen Politik, aber auch die sich an Recht und Gesetz haltenden Demonstranten - würden von der Regierung "mitgenommen". Ob in Bützow oder Reddelich - das Land stelle Camps auch für die G-8-Kritiker zur Verfügung. Viele in der Welt sollen Heiligendamm kennenlernen - die Regierung aber brauche dringend Kenntnis über diese Vielen. Sie bitte um Hinweise und Unterstützung. Kostenpflichtige versteht sich! Denn der Bürger, der die allerorts bekanntgegebene 01805-Nummer wählt, darf 14 Cent pro Minute zahlen, wer das Funktelephon benutzt, wird über 50 Cent blechen müssen. Die Block-Parteien des Landtages (SPD, PDS, CDU, FDP) hatten den NPD-Antrag auf Freischaltung einer kostenlosenden Rufnehmer auf letzten Landtagssitzung einstimmig abgelehnt.

In der Aussprache zum Bericht des Staatsekretär fragte ein Stadtverordneter: "Was passiert, wenn Bürger durch Gewalttaten zu schaden kommen?"

Staatssekretär Meyer: "1. Verhindern, daß es zu Gewalttaten kommt. 2. Das ist ein schwieriges Thema. Ich kann keine klare Auskunft darüber geben. Die Bundesregierung steht in Verhandlung mit den Versicherungsunternehmen. Es wird eine Lösung im Einzelfall angestrebt. Das ist nicht besonders befriedigend, aber mehr kann ich dazu leider nicht sagen..."

Wenn es zu materiellen Schäden durch Wandalismus kommt? Dann sagen die Versicherungen: Wir haften nicht für höhere Gewalt! Die Gewährung von Geldern wird zum Gnadenakt im Einzelfall - nicht jedoch zum Rechtsanspruch. Unser Recht im Rechtsstaat! So einfach macht es sich der Schweriner Landesadel: die G8-Bonzen werden gehegt - die Einwohner sind bedroht.

Ein gleichnamiges Flugblatt wurde von Kameraden, unter ihnen der Bürger Bad Doberans und Landtagsabgeordnete Raimund Borrmann, vor dem Rathaus an Besucher der Stadtverordnetenversammlung verteilt.

Zum Flugblatt hier

Ortsumgehung Bad Doberan

Der zweite Tagesordnungspunkt, der die Bürger in Scharen zur Bürgerschaftssitzung getrieben hatte, war die südliche Ortsumgehung. Der Sprecher der gegen diese Umgehung auftrat, griff die Argumente der Befürworter auf: "Die Ortsumgehung sei nötig wegen steigender Verkehrszahlen", "der Trassenverlauf stehe noch nicht fest", "der innerstädtischer Verkehr solle entlastet werden und so den Kur-Charakter Doberans stärken", und suchte sie zu entkräften. Man habe mehr als 1700 Unterschriften Doberaner Bürger gegen Ortsumgehung gesammelt. Die Ortumgehung sei nicht mehr sinnvoll - der Verkehrsfluß habe sich seit der A20-Fertigstellung halbiert, der Zielverkehr sei nicht erfaßt worden. Auch habe die Stadt erhebliche Fehler gemacht mit der Ansiedlung von Großmärkten wie Aldi, Lidl und Co. Es werde kaum eine Verringerung des innerstädtischen Verkehrs gegeben, weil dieser Zielverkehr ist. Die erhebliche Landschaftszerstörung vermindere Lebensqualität von Einwohnern und Gästen. Zudem zögen neue Straßen Verkehr an - dies solle man bei der Diskussion um den Klimawandel beachten.

Schließlich kam es zu Abstimmung über die Beschlußvorlage, daß es der politische Wille der Stadt Bad Doberan sei, auf eine Ortsumgehung zu verzichten: - mit 12 mal Ja, 9 mal Nein und einer Enthaltung wurde diese Vorlage angenommen. Die Ortsumgehung ist damit tot! Es bleibt abzuwarten, ob diese "Tote" nicht von dem so umtrieben Bürgermeister eines Tages wieder zum Leben erweckt wird...

Stadthaushalt 2007

Ein weiterer wichtiger Punkt war der Stadthaushalt 2007. Seit Januar läuft nach § 81 Kommunalverfassung ein Anhörungsverfahren vor der unteren Kommunalaufsichtsbehörde. Der ursprüngliche, von der Kommunalaufsicht abgelehnte Entwurf sah eine Einnahme eines Zweckverbandes als nicht werthaltig an, da der Wasser-Zweckverband noch keinen rechtsgültigen Beschlüsse gefaßt hatte.

Die Stadt hatte vom 18.01.2007 bis 18.03.2007 Unterlagen übergeben: Es sollten Eckdaten genannt werden, die den Haushalt genehmigungsfähig machen. Am 13.März 2007 waren diese Gespräche beendet worden, ohne das der Landkreis Bad Doberan den im Januar eingereichten Stadthaushalt genehmigt hatte. In dieser Situation beschloß die Verwaltungsleitung einen neuen, eigenständigen Entwurf mit 176 Haushaltstellen vorzulegen. Die Verbrauchsmedien werden in diesem erhöht ausgewiesen. Doch wurde die umstrittene Einnahmeposition des Zweckverbandes in an Bad Doberan in Höhe von immerhin 1,9 Millionen Euro gestrichen - und trotzdem soll der neue Verwaltungs- und Vermögenshaushalt ausgeglichen sein. Der neue Haushaltsentwurf könne dann am 23.04.2007 von den Stadtverordneten beschlossen werden.

Zu späterer Stunde wurde der Vertreter der FDP scharf von Herrn Arenz angegriffen: Seine unbedachten Äußerungen in der Presse hätten die Stadt um die 1,9 Millionen Euro Einnahmen durch den Zweckverband Kühlung gekostet. Der Attackierte konterte, er sei nicht die ganze FDP der Stadt, es gäbe hier auch noch andere Mitglieder - und die hätten das demokratische Recht, sich frei zu äußern. In der Sache stimme er mit seinem Parteimitglied überein: es könne nicht sein, daß die marode Stadtkasse auf Kosten der Nutzer des Trink- und Abwassernetzes saniert wird. Bei all diesen Wirren, die die G-8-Gipfel-Gemeinde wieder einmal erfaßt hat, konnte der Bürgermeister verkünden, daß Liquidität der Stadtkasse gegeben sei: Sie weise 4,5 Mill. Euro aus.

Baumaßnahmen in Bad Doberan

Zu den Baumaßnahmen konnte die Stadtverwaltung berichten, daß die Baumaßnahme Drümpelparkplatz ist beendet: 58 neue Stellplätze stehen bereit. Die Bauarbeiten in der Dammchaussee gingen weiter - Parksünder müssen jetzt mit 35,- Geldbuße rechen. Die Lessingschule - ein DDR-Plattenbau aus der den siebziger Jahren - soll ab Mitte Juli zum Ferienbeginn umgebaut werden. Die Diktatur des rechten Winkels soll durch eine Mäander-Architektur abgelöst werden, doch auch diese wirkt wie ein Fremdkörper in einer Stadt, die von Seydwitz, Demmler und Severin geprägt wurde. Auch für den Drümpelkindergarten wird gesorgt werden. Der Diakonie-Verein will quasi das Eigentum an dem Objekt über einen erbaurechtlichen Vertrag erwerben. Die Baumaßnahmen in Heiligendamm nähern sich dem Ende. Der zweite Bauabschnitt der Straße nach Kühlungsborn ist fast fertig. Im Mai werden der Waldparkplatz und der Weg Waldparkplatz - Seedeichbrücke ihrer Bestimmung übergeben.

Feuerwehr und Adolf Hitler

Die 125 Jahrfeier der Freiwilligen Feuerwehr Bad Doberan wird wohl durch den Gipfel in den Hintergrund treten. Am 8. Mai - welch ein brisanter Tag - soll eine Wahl stattfinden: Bislang fehlt der Wehr immer noch ein Wehr-Führer. Und eine solche "Wehrmacht" ohne Führer ist wie eine Stadt ohne Ehrenbürger... Denn auch dieses leidige Thema stand auf der Tagesordnung.

In Zeiten, die heute von den Etablierten als "noch demokratisch" bezeichnet werden, hatte Doberan als erste Stadt im Reich am 15.08.1932 Adolf Hitler die Ehrenbürgerschaft verliehen. Diese demokratische Entscheidung, die nicht einmal die DDR in Frage stellte, sollte nun im Zuge der politisch korrekten Vorbereitung des Welt-Bonzen-Treffens rückgängig gemacht werden. Ohne Diskussion wurde dieser Tagesordnungspunkt in ganzen 30 Sekunden abgehandelt, so als gelte es eine orthographisch falsche Gemeindesatzung zu korrigieren. Das Beschlußprotokoll vermerkt: Einstimmig!

Das die Damen und Herren Stadtvertreter in Bad Doberan für ihre Gemeinde damit einen Präzedenzfall geschaffen haben, der in Zukunft noch sehr unangenehme Folgen haben könnte, war ihnen wohl nicht bewußt. Wenn man einem Toten die Ehrenbürgerschaft aberkennen kann, weil diese mit dem Tode nicht erloschen ist - dann sind Tote auch befähigt, zum Ehrenbürger erklärt zu werden. Und da es wesentlich mehr tote unliebsame Nicht-Ehrenbürger gibt, als verstorbene unliebsame Noch-Ehrenbürger, dürfte sich hier schon bald eine Möglichkeit eröffnen, mit demokratischen Mitteln unliebsame Anträge zu stellen und so die Vergangenheit in Zukunft lebendig werden zu lassen...

Die nächsten wichtigen Termine der Stadt sollen auch noch genannt werden:

- Am 15.04.2007 findet ein Anti-G-8-Zaunspaziergang statt, der die Wanderer bis zum Seebrückenvorplatz führen soll.

- 01.06.2007 ist das Kinderfest angesagt.

- Im Zentrum Doberans soll während des G8-Treffens eine öffentliche Fraktionssitzung der Linkspartei.PDS-Bundestagsfraktion abgehalten werden.

- Auf dem Kamp ist eine Dauerveranstaltung bis 09.06.2007 beantragt worden - es werden 300-500 Teilnehmer erwartet.

- Ein Sternmarsch mit geschätzten 30.000 Mitläufern soll am 07.06.2007 nach Heiligendamm aufbrechen.

Die Nationaldemokraten der ersten Stadt im Reich, die Adolf Hitler die Ehrenbürgerschaft verlieh, werden Sie über erste und letzte Geschehnisse auf dem laufenden halten.
zurück | drucken Erstellt am Freitag, 13. April 2007