Haltung der NPD zum Wohnungsverkauf durch den Staat
Gegen den Verkauf von Wohnungen aus öffentlichem Bestand wendet sich der Mieterbund für Mecklenburg und Pommern. Das meldet dpa/regioline heute. "Leidtragende seien die Mieter, die anschließend mit Umwandlungen, teuren Modernisierungen und Mieterhöhungen konfrontiert seien, heiß es beim Verbandstag am Freitag in Rostock. Nach solchen Privatisierungen würden Wohnungen von den Investoren nach allen bisherigen Erfahrungen nur noch als Wirtschaftsgut gesehen. Im Mittelpunkt stehe die Erzielung einer höchstmöglichen Rendite."
Damit befindet sich der MB auf einer Wellenlänge mit der NPD. Deren Vertreter, so in Anklam und Dresden, wendeten sich in der Vergangenheit mit aller Schärfe gegen das Ansinnen, durch den Verkauf von kommunalen Wohneinheiten an sog. Investoren aus den USA den Handlungsspielraum der Gemeinden zum Nachteil der kommenden Generationen einzuengen.
In Dresden wurden im April 48.000 Wohnungen der WOBA an die "Fortress-Gruppe" verscherbelt. Das "Nationale Bündnis" (NB) Dresden wandte sich als einzige politische Kraft geschlossen gegen den Schritt. Neun von 16 PDS-Stadtverordneten stimmten für den Verkauf - die PDS zeigte damit einmal mehr, daß sie sich von der Rolle als vorgeblicher Anwalt der Schwachen mehr und mehr verabschiedet.
In Rostock formulierte der Bürger Lutz Dessau für die Einwohnerfragestunde der Bürgerschaftssitzung vom 14. Juni eine Stellungnahme/Anfrage, die nachstehenden Wortlaut trägt:
Antrag auf Wortmeldung im Rahmen der Einwohnerfragestunde der Bürgerschaftssitzung am 14. Juni 2006
Thema: Verkauf von kommunalen Wohnungseinheiten (Portfolio-Bildung)
Wie den regionalen Medien in den vergangenen acht Wochen zu entnehmen war, besteht seitens der Hansestadt Rostock die Absicht, einen Teil des WIRO-Wohnungsbestandes zu verkaufen. Die Rede ist von etwa 3000 Einheiten, wobei die Angaben über die Gegenden, die davon betroffen sein werden, differieren. Erwähnt wurde in diesem Zusammenhang die "Deutsche Annington" (Sitz: Frankfurt/Main). Die Berichte wurden, wie zu lesen war, von den Stadtoberen zumindest nicht dementiert.
Das Thema "Verkauf kommunaler Wohneinheiten" (an zumeist aus dem anglo-amerikanischen Raum stammende "Investoren"; bislang Verkauf von etwa 500.000 Wohnungen aus Bundes- oder kommunalen Bestand) bewegt die Gemüter über Partei- und Weltanschauungsgrenzen hinweg. Ob nun das globalisierungskritische Netzwerk "attac", weite Teile der PDS-Mitgliedschaft (siehe Leserbriefseiten in "Neues Deutschland", Monate April, Mai 2006), die Bündnisgrünen (v. a. Landesverband Niedersachsen), Oberbürgermeister, die den großen Parteien angehören, oder nationalistische NPD: Die Ablehnung erfolgt auf breiter Front und dabei sicherlich aus unterschiedlichen Motivationen heraus.
"Die Welt" (Hamburg) bemerkt zum Procedere in ihrer Ausgabe vom 5. Januar 2006: "Für die Finanzinvestoren ist jeder Kauf fast ein Geschäft ohne Risiko: Für eine Immobilienfirma zum Preis von beispielsweise einer Milliarde Euro zahlt der Investor nur 30 Prozent aus dem Fonds (gespeist von Privatleuten, Pensionskassen, Versicherungen), für die restlichen 700 Millionen Euro nimmt er Kredite auf. Diese werden aus den Mieteinnahmen getilgt. Solange die Rendite aus den Mieteinnahmen höher ist als die Kreditzinsen, so wie derzeit, streicht der Investor hier bereits einen kleinen Gewinn ein. Gesteigert wird der Profit durch die Aufteilung und den Weiterverkauf von Wohnungen an die Mieter. Am Ende der Fondslaufzeit verkauft der Investor die Restbestände und streicht den gesamten Kaufpreis ein. Bezahlt hat er nur 30 Prozent, kassiert aber 100 Prozent. Und der Staat bekommt keinen Cent Steuer, da der Investor von Anfang an in der Kreide stand."
An erster Stelle steht die Erwirtschaftung von Renditen (meist im zweistelligen Bereich). Vordergründig dreht sich zwar alles um "Sozialchartas" (u. a. Verbot von Luxussanierungen, Kündigungsschutz über fünf oder zehn Jahre). Tatsächlich bewegt sich die Sache im Bereich „börsennotierter Handel“. Sobald die Eigentumsrechte über Aktien frei handelbar sind, können die einst kommunalen Gesellschaften zum Übernahmeobjekt werden.
Der Wert der Immobilien wird alles andere als gesteigert. Kapital in Gestalt von Mieteinnahmen, das bislang für Maßnahmen der Instandhaltung zurückgelegt wurde, findet für die Befriedigung von Renditeansprüchen der Anleger Verwendung.
Und nicht zuletzt würde sich die Stadt durch den Verkauf dieses Bereichs kommunalen Tafelsilbers den Spielraum für künftiges Handeln entziehen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bitte Sie, sich der Verantwortung auch in dieser Hinsicht im Klaren zu sein. Handeln Sie bei allen Haushaltsproblemen nicht kurzsichtig. Ich spreche damit, glaube ich, im Namen vieler Rostockerinnen und Rostocker.
Rostock, 01. Juni 2006
Lutz Dessau
Am 7. Juni teilte Bürgerschafts-Präsidentin Frau Liesel Eschenburg (CDU) dem Bürger mit, daß sie seinem Antrag auf Wortmeldung "nach der Beratung im Präsidium … nicht stattgeben kann. Ihren Hinweis, daß sich die Bürgerschaft auch bezüglich der Verantwortung bei einem möglichen Verkauf von kommunalem Wohnungseinheiten im Klaren sein muß, habe ich weitergegeben."
Dem Bürger war diese Antwort zu dünn. Dem Schreiben fehle "jegliche Begründung, zumal das Thema … zumindest im offiziellen Teil der Tagesordnung keine Rolle spielt. Die Weitergabe meines Hinweises, die Mitglieder des Stadtparlamentes mögen sich der Verantwortung für die Zukunft Rostocks bewußt sein, an die Fraktionen erachte ich als nicht ausreichend." Er forderte mit Fristsetzung eine Begründung.
Kurz vor Verstreichen der Frist (13. Juni, 18.00 Uhr) erreichte ihn ein Fax, in dem Frau Eschenburg mitteilte: "Sehr geehrter Herr …, bezugnehmend auf Ihr Schreiben teile ich Ihnen mit, daß es sich um eine Ermessensentscheidung der Bürgerschaft handelt. In diesem Zusammenhang verweise ich auf die Rechtssprechung vom VG Braunschweig, 1. Kammerbeschluß vom 16. Juli 1997."
Die Sache wird der Bürger nicht auf sich beruhen lassen.
Der Fall zeigt, wie die Handlanger des Systems mittels diverser Hürden und Bremsen versuchen, sich um Probleme herumzudrücken und ganz nebenbei noch die Meinungsfreiheit einzuschränken. Wohlgemerkt: Der Bürger hatte fristgerecht zum 2. Juni die Anfrage eingereicht, zumal "sein" Thema im offiziellen Teil der Sitzung laut Tagesordnung keine Rolle spielte. "Volksverhetzenden", "rassistischen" und/oder "rechtsextremen" Charakter weist die Anfrage nicht auf. Auch hat der Fragesteller seinen Hauptwohnsitz in Rostock.
Schlechte Karten für Frau Eschenburg. Wir bleiben am Ball!
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Erstellt am Freitag, 23. Juni 2006