Streit um Sparkassenfusion in Stralsunder Bürgerschaft

Stralsund / Vorpommern: In der Stralsunder Bürgerschaft wurde gestern über die Fusion der Sparkasse Stralsund mit der Sparkasse Vorpommern debattiert und abgestimmt. Während SPD und Grüne (Forum Kommunalpolitik) für eine Fusion ohne wenn und aber plädierten, stellte Thomas Haack von den Bürgern für Stralsund (BfS) den Antrag, daß Fusionsverhandlungen erst dann aufgenommen werden sollten, wenn zuvor auch die Sparkasse Vorpommern von unabhängigen Wirtschaftsprüfern auf mögliche Risiken geprüft wird. Haack machte dabei vor allem geltend, daß es sich bei den Verhandlungen um die Stralsunder Bürgerschaft nicht allein nur um Fusionsgespräche, sondern im wahrsten Sinne des Wortes um den Versuch einer feindlichen Übernahme gehandelt hatte. Stattdessen verlangte der frühere Sozialdemokrat eine Fusion auf gleicher Augenhöhe. So verlangte er u. a. eine Überprüfung der 30 wichtigsten Kredite der Sparkasse Vorpommerns. Nach unserem Dafürhalten keine ungerechte Forderung, mußte sich die Sparkasse Stralsund doch auch von ihrem Fusionspartner auf Herz und Nieren prüfen lassen.

Während die Befürworter einer sofortigen "Ohne-wenn-und-aber-Fusion" vor allem ein Wirtschaftsgutachten ins Feld führten, wonach es zu einer Sparkassenfusion keinerlei Alternative gäbe, begründeten die Gegner einer sofortigen Fusion ihre Ablehnung u. a. auch mit den Hinweisen auf die derzeit recht desolate Situation der Sparkassen Demmin und Neubrandenburg, die ebenfalls fusioniert hatten, ohne daß es beiden Kreditinstituten zum Vorteil gereicht hätte. Ein Einwand der von den Gegnern während der Diskussion übrigens geflissentlich ignoriert wurde.

Überhaupt ging es auf der Diskussion recht herzhaft zu. Beide Seiten blieben sich nichts schuldig. So bezeichnete Thomas Haack vom BfS seinen Gegner Hans-Walter Westphal König der Polemiker, der die Stralsunder Sparkasse bereits als bloße Beschäftigungsgesellschaft abgeschrieben hat, so konterte Westphal diesen Vorwurf mit dem Hinweis, daß Haack der Kaiser der Demagogie sei. Demokraten unter sich.

Die Emotionalität der Auseinandersetzung war zuvor noch gesteigert worden, nach dem der parteilose Abgeordnete Michael Adomeit einen Bürgerentscheid beantragt hatte, in dem Stralsunder darüber entscheiden sollten, ob sie dem von der Sparkassen-Affäre angeschlagenen Oberbürgermeister Harald Lastovka auch noch weiterhin vertrauen. Diesem war von seinen Gegnern in den vergangenen Tagen vorgeworfen worden, er hätte persönlichen Einfluß auf die
Beautragung einer Anwaltskanzlei genommen, an der auch seine Frau beteiligt ist. Der aus Flensburg kommende SPD-Fraktionschef Hans-Walter Westphal bezeichnete dies als klaren Fall von Amtsmißbrauch und warf dem Oberbürgermeister vor, seinen politischen Offenbarungseid
geleistet zu haben.

Lastovka verteidigte sich mit dem Argument, daß die damalige Entscheidung über die Beauftragung der Anwaltskanzlei nicht von ihm veranlaßt wurde, sondern vom dafür zuständigen Gremium. Er selber hatte sich seinerzeit bei der Entscheidung darüber der Stimme enthalten. Dies ging zwar aus dem entsprechenden Protokoll namentlich nicht hervor, wurde aber von den Bürgerschaftsabgeordneten Thomas Haack (BfR) und Torsten Henning (CDU) öffentlich eidesstattlich bestätigt. Die Diskussion machte hinreichend deutlich, daß Adomeits Antrag lediglich vorgeschoben war, um es SPD und Grünen (Forum Kommunalpolitik) massiv gegen die Person Lastovkas zu polemisieren. Dabei war nur allzu ersichtlich, daß es hier weniger um die Lösung kommunaler Probleme ging, sondern hauptsächlich um den Versuch, sich selber für den Posten des Oberbürgermeisters interessant zu machen.

Für uns besonders interessant war dabei ein Vorwurf Westphals gegenüber dem regionalen Sonntagsblatt SUNDECHO. So sagte er in seiner Rede: ...Zur Beschädigung des politischen Gegners und damit der Abschwächung von dessen Argumenten war jedes Mittel recht.
Besonders unrühmlich war hierbei die Einbindung eines Presseorgans namens Sundecho. Was in diesem Organ, einem Anzeigenblatt, an persönlichen Diffamierungen, einseitigen Halb- und Unwahrheiten verbreitet worden ist, ging nicht mehr auf die berühmte Kuhhaut. ... Ein moralinsaures Jammergeschrei, daß nicht nur auf Seiten der politischen Gegner Westphals Heiterkeit auslöste, zumal in Stralsund nur allzu bekannt ist, daß die Stralsunder Linksparteien keineswegs nur von einem lediglich sonntags erscheinenden Anzeigenblättchen unterstützt werden, sondern vom ehemaligen SED-Bezirksorgan, der sich heute als unabhängig gebärdenden und täglich erscheinenden OSTSEE-ZEITUNG. Deren Stralsunder Lokalausgabe polemisiert nun schon seit Jahr und Tag gegen Lastovka und die örtliche CDU, indem sie seinen Gegnern möglichst breiten Raum für ihre Angriffe bietet. Ist es daher wirklich so verwerflich, wenn die Gegenseite dasselbe tut.

In einer sehr emotional gehaltenen Rede verteidigte der CDU-Abgeordnete Torsten Henning Oberbürgermeister Lastovka gegen die Vorwürfe seiner politischen Gegner, in der er ihnen vorwarf, diesen lediglich als Sündenbock für das Versagen anderer zu benutzen und von der Mitverantwortung anderer Hauptausschußmitglieder der Bürgerschaft abzulenken. Die Vorwürfe Westphals wegen des SUNDECHOS konterte Henning mit einem für allgemeines Gelächter sorgenden Verweis auf die Hofberichterstattung der OSTSEE-ZEITUNG. Wörtlich warf er seinen Gegnern darüber hinaus vor: Sie sind von Anfang an hier angetreten, um den Oberbürgermeister und den Wahlkreis Angelika Merkel kaputtzumachen. Ein Vorwurf der sicherlich nicht ganz unberechtigt ist, aber wegen dem wir sicherlich keinen Stein werfen wollen.

Wäre noch anzumerken, daß unter den vielen Rednern des Nachmittags auch erstmals ein Vertreter der NPD den Weg zum Rednerpodium fand. In einer kurzen Ansprache wies der NPD-Abgeordnete Bernd Flotow nicht nur auf die Notwendigkeit gegenseitiger Offenheit bei den Fusionsverhandlungen zwischen den beiden Sparkassen hin, sondern auch darauf, wohin feindliche
Übernahmen von Betrieben führen können. Flotow nannte als Beispiele die Schicksale der Stralsunder Molkerei und der Zuckerfabrik, die auch erst von fremden Firmen übernommen wurden, um sie dann eingehen zu lassen. In seiner Rede sagte Flotow außerdem, daß es sich die Stadt nicht erlauben könne, von anderen Finanzinstituten abhängig zu sein.

Die Abstimmungsergebnisse ergaben dann letztlich, daß weder die Forderung nach einem Bürgerentscheid zur Abwahl des Oberbürgermeisters, noch die Forderung nach einer sofortigen "Ohne-wenn-und-aber-Fusion" mit der Sparkasse Vorpommern die notwendigen Mehrheiten fand. So wurde Adomeits Antrag mit 26:13 Stimmen bei zwei Enthaltungen abgelehnt. Unter denen die gegen Adomeits Antrag stimmten befanden sich auch die Abgeordneten der NPD. Diese
stimmten allerdings nicht wegen übermäßiger Sympathie für Lastovka gegen Adomeit, sondern hauptsächlich deshalb, weil es derzeit keine wirklich bessere Alternative für ihn gibt und die Zahl seiner Verdienste um Stralsund in seiner bisherigen 15jährigen Amtszeit, die möglicher und durchaus vorhandene Fehler überwiegt.

Interessant auch das Abstimmungsverhalten der PDS, die bei dieser Abstimmung mehrheitlich für Lastovka votierte. Unter den dreien die dies nicht taten befand sich u. a. auch Karsten Neumann, der erst unlängst zum obersten Datenschützer des Landes Mecklenburg-Vorpommern avanciert ist. Neumann war bei den letzten Bürgermeisterwahlen der Gegenkandidat Lastovkas und es ist keineswegs unwahrscheinlich, daß er sich für die nächsten Wahlen mehr Chancen ausrechnet. Allerdings muß er sich bis dahin noch etwas gedulden, denn der gestrige Versuch dieses Verfahren etwas zu beschleunigen ging tüchtig in die Binsen.

Bei der Abstimmung um die Fusion der Sparkassen wurde, im Gegensatz zu den vorhergehenden Abstimmungen, auf Betreiben der SPD-Fraktion namentlich abgestimmt. Ungeachtet dessen drang Rot-Grün mit einer Forderung nach einer sofortigen Fusion nicht durch. Lediglich 17 Abgeordnete mochten sich dafür zu erwärmen, 23 dagegen, darunter auch die NPD, folgten dem Antrag der
Bürger für Stralsund.
zurück | drucken Erstellt am Freitag, 04. März 2005