Pulverfaß „Cross Border Leasing“?

Vermieten und sogleich wieder zurückmieten – scheinbar lukrative Verträge dieser Art haben finanziell klamme deutsche Kommunen vornehmlich in den neunziger Jahren mit US-amerikanischen „Investoren“ geschlossen. Die hiesigen Stadtkämmerer sahen dabei vornehmlich auf den Barwertvorteil, den die komplizierten und – das sei schon jetzt gesagt – risikobehafteten Transaktionen denn auch tatsächlich erbrachten. Ihr Name wird unter der Bezeichnung „Cross Border Leasing“ zusammengefaßt.
„Verleast“ wurden unter anderem Abwasserwerke einschließlich der Kanalnetze, U- und Straßenbahnen, Stadt- und Messehallen, Schulen und andere öffentliche Gebäude.

Auch mecklenburgische Städte betroffen

Auch in Mecklenburg schlossen Kommunen und Unternehmen entsprechende Vereinbarungen mit US-Finanzinvestoren. In einer Kleinen Anfrage der NPD-Landtagsfraktion (Drucksache 5/2521) heißt es dazu:

„Schwerin: 
Hier wurden zwei Vereinbarungen getroffen. Zum einen durch die Schweriner Abwasserentsorgung (SAE) für Abwasseranlagen und zum anderen durch die Wasserversorgungs- und Abwasserentsorgung Schwerin GmbH (SWS/WAG) für Wasserversorgungsanlagen.
Datum der Vertragsunterzeichnung war der 7. Juni 2002 mit einer Laufzeit von 99 Jahren. Vertragspartner ist die John Hancock Life Insurance Company. Der Barwertvorteil beläuft sich auf etwa 10 Millionen Euro.

Rostock:
Hier ist durch die Rostocker Straßenbahn AG (RSAG) eine Cross Border Leasing Vereinbarung geschlossen worden. Weitere Erkenntnisse liegen nicht vor. Vertragsabschluß war im Jahr 1996.

Neubrandenburg:
Hier sind die Stadtwerke Neubrandenburg GmbH eine Cross Border Leasing Vereinbarung eingegangen. Weitere Erkenntnisse liegen nicht vor.“


Risiko: Vereinbarungen nach Recht des Staates New York

Was nun aber ist „Cross Border Leasing“? CBL folgt dem Prinzip „Mieten und sofortiges Zurückmieten“. Der „Investor“ zahlt für die gesamte Mietzeit (sie kann bis zu 100 Jahre betragen) den Mietzins in einem Betrag an eine Kommune, die den so erhaltenen Barwertvorteil nutzt, um bestehende Haushaltslöcher zu stopfen. Die Kommune mietet die Anlage für eine kürzere Laufzeit zurück, wobei sie die „Möglichkeit“ erhält, die verleaste Anlage – also die eigene und mit Steuergroschen der Menschen aufgebaute! - nach Ablauf der Mietzeit zurückzuerwerben.
Den Mietzins für die gesamte Laufzeit zuzüglich Rückkaufswert stellt die Kommune aus den erhaltenen „Mietvorauszahlungen“ einer Bank zur Verfügung. Das Geldinstitut verpflichtet sich, aus den erhaltenen Geldern die laufende Miete zugunsten des „Investors“ und nach Ende der Mietzeit den Rückkaufswert zu begleichen.

1000seitige Verträge sind kaum bekannt


Das Wörtchen „Investor“ beinhaltet dabei nicht unser Verständnis von Investieren in ein Objekt, mithin das Schaffen von Werten. Die „Partner“ bundesdeutscher Kommunen machten sich vielmehr die damals bestehenden steuerrechtlichen Regelungen der Vereinigten Staaten zunutze, um so das eigene Geldsäckel zu füllen.
Für alle Verträge, die oft über 1000 Seiten umfassen, meist nicht ins Deutsche übersetzt wurden und New Yorker Recht entsprechen, sind die USA der Gerichtsstand. Transparenz ist überdies nicht gegeben, da die Verträge oft nur wenigen Personen, beispielsweise Stadtoberhäuptern, Finanzsenatoren oder beteiligten Anwaltskanzleien (also nicht einmal den Stadtparlamenten!) bekannt sind.

Kommunen nur in der Beobachterrolle

Die eine oder andere Einzelheit drang trotzdem nach draußen. So müssen die an den „Transfers“ beteiligten Banken und Versicherungen weiter existieren und ihr Rating (auf deutsch: Bewertung, Einschätzung) behalten.
Um diesbezüglich gewappnet zu sein, verpflichteten sich die Kommunen, während der gesamten Laufzeit die Bonität jener Institute zu beobachten und im Falle eines Falles innerhalb von 90 Tagen ein neues Institut zu gewinnen. Im Fall des Versicherungskonzern AIG geschah dies offenbar nicht – das Unternehmen, verantwortlich für die Absicherung der meisten CBL-Transfers - hatte sich am weltweiten Spekulationspoker beteiligt und war so ins Schlingern geraten. Andererseits wäre es ohnehin schwer gewesen, für die weitere Besicherung der CBL-Transaktionen ein neues Institut aufzutreiben, da sich die meisten Banken am Finanzroulette teilnahmen.

Druck lastet nur auf deutscher Seite

Ein weiteres Problem ergibt sich aus dem Status der US-Seite, die nach deutschem Recht lediglich Mieter und gleichzeitig Vermieter ist. Für eigentliche Investitionen zeichnen dabei nur die „verleasten“ BRD-Unternehmen und –Kommunen verantwortlich. Erhöht wird der Druck durch den Nachweis, den der „Investor“ gegenüber seiner Finanzbehörde über die Funktionsfähigkeit der Anlage erbringen muß. Die Anlagen dürfen dabei nicht verändert bzw. verkleinert, also nicht billiger werden.

Drohen BRD-Kommunen jetzt saftige Ersatzzahlungen?


Die meisten Verträge sollen überdies Klauseln enthalten, mit denen sich die US-„Investoren“ für den Fall einer Veränderung der Steuergesetzgebung im eigenen Lande absichern. Bei diesem Szenario müßten die deutschen „Partner“, sprich, die ohnehin gebeutelten Kommunen, der US-amerikanischen Seite den entgangenen Gewinn ersetzen. 
Und es kam, wie es kommen mußte: 2005 legte die US-Finanzverwaltung (IRS) fest, daß die bisherigen Leasing-Geschäfte einer mißbräuchlichen Steuerumgehung gleichkommen. Die weggebrochenen Steuervorteile könnten durch in den Verträgen enthaltene Schadenersatzforderungen kompensiert werden, womit der einstige „Barwertvorteil“, den BRD-Kommunen erlangt haben, mehr als kompensiert werden würde. Hinzu kommt, daß die New Yorker Recht folgenden Verträge sogar dann noch Bestand haben, wenn sie gegen geltendes US-Recht verstoßen. Na dann: Prost Mahlzeit!

Quelle: www.npd-mv.de Erstellt am Sonntag, 25. Oktober 2009