Ein Hoch auf die Deutsch-Polnische Freundschaft (D.P.F.)

Seit geraumer Zeit wird geradezu ein Feuerwerk an Jubelmeldungen in der einheimischen Medienlandschaft abgebrannt. Zugegeben: Manch gequälter Ausdruck erinnert stark an die Deutsch-Sowjetische Freundschaft (DSF); jener mit schwulstigen Veranstaltungen garnierte "freiwillige Zwang". Offiziell soll das Völkerverständnis zwischen Polen und Deutschen auf einer gesunden Basis voller Eintracht von Anfang an aufbauen.

Geht es aber nach dem Willen der derzeitigen Machthaber aus dem Altparteien-Kartell, wird die "bewährte" Methodik von damals stilecht auf die heutige Zeit übertragen. Manch besorgte Eltern, die ihre Schulzeit in der DDR absolvierten, fragen sich nunmehr schon, ob ihre Kleinsten im Staats–, Verzeihung! Sozialkundeunterricht ebenso ergebene Freundschaftsbriefe an Stanislaw, Janek oder Agniezska schreiben müssen, wie einst an sowjetische Komsomolzen.

Wenn nur alles beim deutsch - polnischen - Freundschaftsnetzwerk so klappen würde, wie von den Initiatoren erträumt: Beim langwierigen Eröffnungs-Prozedere des 1,4 Kilometer langen Bahnstreckenabschnittes auf Usedom war wieder einmal zu beobachten, daß eine Zusammenarbeit von Polen und Deutschen auf kommunaler Ebene ausdrücklich erwünscht ist. Doch gestaltete sich die Betriebsaufnahme des Schienenverkehrs zwischen dem polnisch-verwalteten Swinemünde und dem Kaiserbad Ahlbeck schwieriger als erwartet.

Die Usedomer Bäderbahn (im Volksbund auch als "Insel-Dackel" bezeichnet) ließ den Streckenabschnitt für 3,1 Millionen Euro bauen, wovon die Europäische Union und das Land Mecklenburg-Vorpommern 90 Prozent trugen. Da die BRD als größter Netto-Einzahler maßgeblich die Brüssler Fördertöpfe füllt, setzt sich demzufolge das Investitionsvolumen mehrheitlich aus deutschen Geldern bzw. Steuern zusammen.

Nach rekordverdächtiger Fertigstellung der Baumaßnahme im Februar 2008 verschob sich das Datum der Inbetriebnahme mehrere Male – bis ins Groteske. Denn im selben Monat lüftete sich schon der Vorhang und Ministerpräsident Harald Ringstorff (SPD) setzte sich mit seinem polnischen Pendant, dem Marschall von Westpommern (amtliche Anrede), zu einer medienwirksamen Probefahrt "vom deutschen zum polnischen Teil Usedoms" in Szene.

Als ursprüngliches Ziel, Urlauber auf den Gleisen der Deutschen Bahn (die Usedomer Bäderbahn ist zu 100 Prozent eine Tochtergesellschaft des privatisierten Bahnunternehmens) bis ins Zentrum von Swinemünde zu bringen, wurde der 01. April in diesem Jahr anvisiert. Ab diesem Datum war die Bahnstrecke theoretisch betriebsfertig. Lediglich die Genehmigung seitens der polnischen Behörden blieb aus.

Entnervt stellte daraufhin der Geschäftsführer der Usedomer Bäderbahn im Frühling fest: "Da kümmere ich mich nicht mehr drum. Wir haben den Polen genehmigungsreife Unterlagen übergeben. Mehr können wir nicht machen. Das ist jetzt ein Thema für die Politik." Wenn er da nicht mal auf das falsche Pferd gesetzt hat…

Ein halbes Jahr später bequemte man sich seitens der Polen und erlaubte die Inbetriebnahme der grenzübergreifenden Teilstrecke. Nun können auch Grenzkriminelle ihre "Mitbringsel" bequem per Bahn transportieren und ihr "Geschäft" floriert dank der totalen Grenzöffnung.

Derjenige, der vermutet hätte, daß ein extra abkommandiertes Jubelkomitee das Zeremoniell der D.P.F. unterstreichen wird, sollte enttäuscht werden. Sah man noch am Tag des Wegfalls sämtlicher Grenzkontrollen – den 21. Dezember 2007 – den Ministerpräsidenten Harald Ringstorff (SPD) die roten Wangen von weiß-roten Fähnchen schwenkenden Kindern tätscheln, so begnügte sich die Politprominenz an diesem ereignisschwangeren Tag mit weniger Tamtam. Der Ministerpräsident selbst war dieses mal verhindert gewesen. Auch hatte der polnische Marschall der Woiwodschaft Westpommern anscheinend Wichtigeres im Terminkalender zu stehen.

Die Politprominenz setzte sich demgemäß aus Lokalpolitikern diesseits und jenseits der Swine, aus Vertretern des Kapitals und dem Landesverkehrsminister Otto Ebnet (SPD) zusammen. Zwischen Luftballons und bei klingendem Spiel belobhudelte man sich gegenseitig, tauschte Spätsommersträuße aus und schwor brüderliche Einigkeit in der D.P.F. Natürlich wurden das "Redespektakel" polnisch synchronisiert. Je länger die Veranstaltung dauerte, desto lichter wurden die Reihen in den Zuschauerrängen. Wohl auch, weil viele zur protokollarischen Entgegennahme der Gratulationsglückwünsche auf Rednerpodium gerufen wurden.

Das Geheimnis der verzögerten behördlichen Genehmigung zur Inbetriebnahme der Bahnteilstrecke konnte nicht gelüftet werden (der Swinemünder Stadtpräsident betonte, daß die Bewilligung vom Stadtrat im "Expresstempo" beschlossen wurde). Stattdessen schwor Verkehrsminister Ebnet die Anwesenden "des Familienfestes" (O-Ton) ein, sich weiterhin engagiert für ein weiteres „Zusammenwachsen“ von Polen und Deutschen zu zeigen. Peter Heise, Geschäftsführer der Europaregion "Pomerania e.V.", bedankte sich brav für die (deutschen Steuer-) Millionen aus Brüssel und unterstrich, daß die Bahnverbindung von Ahlbeck nach Swinemünde nur deshalb zu Stande gekommen sei, weil man gemeinsam an einem Strick gezogen habe.

Man fragt sich bloß, in welche Richtung gezogen wurde ...
zurück | drucken Erstellt am Montag, 22. September 2008