Der Fall Galander - Krimi im Anklamer Rathaus

Was sich am 13.12.2007 im Anklamer Rathaus abspielte, dürfte viele Bürger mit Erstaunen erfüllt haben. Staatsanwaltschaft und Polizei rückten mit einer halben Armee an. Nicht nur der Sitz der Stadtverwaltung, auch die Privatwohnung des Bürgermeisters und 7 weitere Objekte wurden durchsucht und große Mengen von Dokumenten beschlagnahmt. Nachdem man Michael Galander sogar einer erkennungsdienstlichen Behandlung unterzogen hatte – die in der Regel in der Abnahme von Fingerabdrücken und dem Anfertigen von Karteifotos besteht – stellt sich die Frage, welche schlimmen Straftaten ihm eigentlich vorgeworfen werden.

Angesichts eines solchen Aufwandes wäre zu erwarten, daß er mindestens die halbe Stadt heimlich an die Mafia verschoben hätte. Statt dessen beziehen sich die Ermittlungen auf einen ganz anderen Sachverhalt:

Er soll, so lautet der Verdacht, Anklamer Firmen bei der Vergabe von Bauaufträgen bevorzugt haben! Und das soll verboten sein? Die unerwartete Antwort lautet: "Ja, unter Umständen durchaus." Wenn jeder Bürgermeister nämlich vollkommen frei in seiner Entscheidung wäre, welche Unternehmen er als Geschäftspartner der Stadt auswählt, besteht die Gefahr der Vetternwirtschaft. Verwandte und Bekannte könnten Baufirmen gründen und sich dank ihres Kumpels im Rathaus eine goldene Nase verdienen, während ihre Konkurrenten mit weniger guten Beziehungen in den Mond schauen. Deshalb gibt es ein Vergaberecht, das festlegt, nach welchen Regeln und Gesichtspunkten Aufträge zu verteilen sind. Im Mittelpunkt steht dabei die "Wirtschaftlichkeit". Es gibt zwar noch andere Aspekte zu beachten, grundsätzlich muß der bevorzugt werden, der den Bauauftrag, zur Schonung der Stadtkasse, am preiswertesten erledigt. Beachtet ein Bürgermeister das nicht, droht eine Verfolgung wegen einer Straftat, die sich "Untreue" nennt und in die man auch dann schnell hineingestolpert ist, wenn man gar keine bösen Absichten verfolgt.

In Gefahr befindet sich jeder, der ein fremdes Vermögen betreut. Dieses zu schädigen, stellt den ersten Schritt in große Schwierigkeiten dar. Als Galander Aufträge an Firmen vergab, die nicht das wirtschaftlichste Angebot präsentierten, hat er genau diesen ersten Schritt getan.

Um mehr als 200.000 Euro, so die Staatsanwaltschaft, soll er auf diese Weise die Kasse der Stadt geschädigt haben. Natürlich reicht das noch nicht. Die Dezimierung des anvertrauten Vermögens muß auf rechtswidrige Weise erfolgt sein, also in diesem Fall unter Bruch des Vergaberechtes. Der Meinung war hier der Landkreis als Kommunalaufsicht, und die Staatsanwaltschaft scheint diese Auffassung zu teilen, zumindest, was die Arbeiten am Neuen Markt betrifft. Aber kann das für eine Strafverfolgung ausreichen? Wer will denn noch Bürgermeister werden, wenn jede falsche Entscheidung auf dem Gebiet des sehr komplizierten Vergaberechtes direkt in den Knast führen kann? Genau dafür gibt es aber Sicherungen. Ein Bürgermeister muß kein Jurist sein und erst recht kein Spezialist für Vergaberecht. Dazu hat er seine Leute in der Verwaltung, nämlich den Stadtjustiziar und den Bauamtsleiter. Deren Pflicht ist es, den Rathauschef auf rechtliche Mängel und Gefahren aufmerksam zu machen. Bestätigen sie ihm die Korrektheit seiner Entscheidung, ist er aus allen Risiken raus. Warnen sie ihn, läßt er besser die Finger von der Angelegenheit. Außerdem gibt es noch die Möglichkeit, die Rechtsabteilung des Landkreises zu befragen.

All diese Sicherungen hat Galander geradezu planmäßig beseitigt und mißachtet. Der Justiziar wurde in die Friedhofsverwaltung abgeschoben, der Bauamtsleiter Brambach wegen mangelnder Willfährigkeit entlassen. Der Rechtsaufsicht schließlich hat Galander klar zu verstehen gegeben, daß er auf sie pfeift. Vorzuwerfen ist ihm nicht, daß er Anklamer Baufirmen Arbeit verschaffen wollte. Er hätte dabei aber die Grenzen des rechtlich Möglichen beachten müssen. Als Familienvater kann man schließlich auch nicht verkünden, man werde dem Finanzamt von nun an keinen Pfennig mehr bezahlen, weil das ganze Geld den Kindern zugute kommen soll. So löblich der Vorsatz auch ist – am Ende werden die Kinder weniger haben, weil sich das Finanzamt nicht nur das holen wird, was ihm zusteht, sondern auch noch saftige Strafen folgen läßt. Man kann zugunsten Anklamer Unternehmen an die Grenzen des Vergaberechts gehen – aber nicht darüber, sonst zahlt man nämlich drauf.

Deshalb war es richtig, daß die Stadtversammlung Galander vorläufig vom Dienst suspendiert hat. Durch seine Unbeherrschtheit und mangelnde Vorsicht setzte er die Stadt ständig großen rechtlichen Risiken aus. Was er versuchte, läßt sich auch wesentlich eleganter, weniger lärmend und so erledigen, daß die Staatsanwaltschaft kein Dauergast in Anklam wird. Hätte Galander so weiter gemacht, hätte man der Strafverfolgungsbehörde der Einfachheit halber gleich ein eigenes Zimmer im Rathaus einrichten können.
zurück | drucken Erstellt am Montag, 18. Februar 2008