Volksbund versucht NPD-Landtagsabgeordnete auszuschließen

Während Innenminister Caffier, der nebenbei auch Landesvorsitzender des Volksbundes ist, schon eine massive Hetzkampagne gegen die NPD betrieb, nahm der Verein im Sommer 2007 problemlos die NPD-Landtagsabgeordneten Stefan Köster, Tino Müller und Michael Andrejewski als Mitglieder auf, ebenso die Wahlkreismitarbeiter Enrico Hamisch und Alexander Wendt sowie weitere Parteimitglieder. Die Beiträge wurden abgebucht und die Mitgliederzeitung zugesandt, verbunden mit der Bitte, doch noch weitere Bürger zum Beitritt zu bewegen. Es dauerte einige Monate, dann ging den fünf hier namentlich Genannten ein Schreiben zu, in dem ihre Aufnahme als bedauerliche Fehlfunktion im Zusammenhang mit einem EDV-Ausfall zur fraglichen Zeit dargestellt wurde. Sie seien gar nicht wirksam Mitglieder geworden.

Dies, so lautete ihre Antwort, sei aber ein seltsames Computerversagen, daß nur diejenigen davon betroffen seien, die der Volksbund als NPD-Funktionäre kenne, während andere, die gleichzeitig beigetreten waren, keine entsprechenden Schreiben erhalten hätten. Zusammen mit Einlassungen zum geltenden Vereinsrecht bewirkte diese Argumentation, daß der Volksbund einen Rückzieher machte, die Mitgliedschaft anerkannte und jetzt ein förmliches Ausschlußverfahren in Gang gesetzt hat. Nach einer Anhörung, die nur als Farce bezeichnet werden kann, folgt nun eine Auseinandersetzung vor dem vereinsinternen Schiedsgericht. Dann wird die Angelegenheit vor den ordentlichen Gerichten ausgetragen werden.

Wie sich die Betroffenen gegen den Willkürakt gewehrt haben, geht aus den folgenden Schreiben hervor.

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Schreiben aus dem Monat August 2007

An den
Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V
Werner-Hilpert-Strasse 2
34112 Kassel

Ihr Schreiben vom 3.8.2007

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich widerspreche Ihrer Darstellung, wonach ich nicht die Mitgliedschaft in Ihrem Verein erworben hätte, weil die von Ihnen "Mitgliederbegrüßungsschreiben" genannte Aufnahmebestätigung versehentlich erfolgt sei. Was Sie vorbringen, widerspricht den einschlägigen Bestimmungen des Vereinsrechts. Der Beitritt zu einem Verein ist ein Rechtsgeschäft. Er gilt als Vertrag eigener Art. Dieser Vertrag ist zustande gekommen durch meinen Antrag auf Mitgliedschaft und Ihre schriftliche Aufnahmebestätigung, spätestens aber durch die Abbuchung meines ersten Mitgliedsbeitrags und der Zusendung der Mitgliederzeitung. Hinsichtlich des dadurch geschaffenen Vertrauenstatbestands spielt es keine Rolle, was bei Ihnen intern vor sich gegangen ist.

Ihre Behauptung angeblicher EDV-Umstellungen und daraus resultierender versehentlicher Zusendungen entbehrt jeglicher Glaubwürdigkeit. Auch in einer etwaigen gerichtlichen Auseinandersetzung hätten Sie dafür erst einmal den Beweis anzutreten. Mir sind einige Personen in meiner Region bekannt, die zur selben Zeit als Mitglieder aufgenommen wurden und bisher keine Anschreiben erhielten, in denen ihr Vereinsbeitritt für nichtig erklärt wurde. Die EDV-Umstellung wirkte sich wohl sehr selektiv aus. Ganz offensichtlich liegt hier lediglich eine Schutzbehauptung vor, die nicht der Wahrheit entspricht. Es ist Ihre Obliegenheit, dafür zu sorgen, daß Ihre Technik und Ihre organisatorischen Abläufe funktionieren.
Wenn Sie dazu nicht in der Lage sind, kann das nicht zu meinen Lasten gehen.

Falls Sie bei meiner Aufnahme als Mitglied Ihre eigene Satzung verletzt haben sollten, führt dies nicht zu einer Nichtigkeit meines Beitritts.
Diese Satzung ist gegenüber den allgemeinen Bestimmungen des Vereinsrechts nachrangig. Zu Gunsten Ihrer Mitglieder können Sie auch von der Satzung abweichen, was Sie hier getan haben. Mein Beitritt ist rechtswirksam, der entsprechende Vertrag gilt. Meinen Beitrag zahle ich weiter. Gelder, die Sie mir zurückerstatten, werde ich wieder auf Ihr Konto überweisen. Ich bestehe auf meiner Mitgliedschaft. Sollten Sie diese beenden wollen, ist dies nur über ein förmliches Ausschlußverfahren möglich, für das Sie dann Gründe anführen müßten. Ihr Bundesvorstand kann sich die Mühe sparen, über meinen Antrag zur Mitgliedschaft zu entscheiden, weil über diesen bereits positiv entschieden ist.

Falls Sie bei Ihrer Rechtsauffassung bleiben sollten, werde ich meine Mitgliedschaft gerichtlich feststellen lassen.

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Schreiben aus dem Monat November 2007

An den
Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V
Werner-Hilpertstrasse 2
34112 Kassel

Ihr Schreiben vom 14.11.2007: Rechtliches Gehör bezüglich Ausschlußverfahren

Sehr geehrter Herr Führer,

Sie beabsichtigen, Ihre Mitglieder Michael Andrejewski, Stefan Köster, Tino Müller, Alexander Wendt und Enrico Hamisch aus dem Verein gemäß §§ 5(1), 6 der Satzung auszuschließen.

Nach dem sehr allgemein gehaltenen, in hohem Maße unbestimmten § 5(1) der Satzung ist ein Mitglied aus dem Volksbund auszuschließen, wenn durch die Mitgliedschaft nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Bundesvorstandes "die Belange des Volksbundes beeinträchtigt" werden.

Der dem Verwaltungsrecht entlehnte Begriff "pflichtgemäßes Ermessen" eröffnet die Möglichkeit, daß ein Vereinsausschluß aufgrund von Ermessensfehlern rechtswidrig sein könnte. Wie Ihrem Schreiben zu entnehmen ist, hat überhaupt kein Abwägungsprozeß stattgefunden, so daß ein Ermessensausfall vorliegt, den der nach § 6 der Satzung zuständige Bundesvorstand zu verantworten hat. Dafür spricht auch Ihre sehr oberflächliche Recherche. Sie begnügten sich offenbar mit einem kurzen Blick in das Internetlexikon "Wikipedia", aus dem sämtliche von Ihnen ins Feld geführten Aussagen und Sachverhalte stammen und das für seine Unzuverlässigkeit berüchtigt ist.

Diese Art von Schnellverfahren wird den Voraussetzungen, die an pflichtgemäßes Ermessen zu stellen sind, noch nicht einmal annähernd gerecht. Schon deshalb wäre ein Ausschluß rechtswidrig.

Zudem stellt die Satzung auf "Belange" des Volksbundes ab. Diese ergeben sich wohl unstreitig aus der Präambel und den in § 2 der Satzung aufgezählten Aufgaben. In deren Zentrum steht –wie von Ihnen formuliert – die Versöhnung über den Gräbern , auch mit ehemaligen Feinden. Von dem Grundgedanken ausgehend, daß angesichts des Totengedenkens alle Gegnerschaft zumindest ruhen sollte, verbietet sich ein Ausschluß aus der Gemeinschaft der Trauernden nur aus politischen Gründen von selbst und müßte als barbarisch und der Menschenwürde gemäß Art. 1 Grundgesetz zuwiderlaufend bezeichnet werden.

So wie es keine Rolle spielen darf, welcher Partei die auf den Soldatenfriedhöfen Ruhenden zu Ihren Lebzeiten angehörten und welche Auffassungen sie vertraten, so wenig kann es darauf ankommen, in welcher Partei heute jemand ist, der sich in der Kriegsgräberfürsorge engagieren will.

Die bloße Mitgliedschaft in der NPD kann daher kein Ausschlußgrund sein. Gleiches gilt für die "Identifikation mit deren Zielen". Niemand wird Mitglied einer Partei, wenn er sich nicht mit deren Zielen identifiziert.

Da der Volksbund bisher noch nicht dazu übergegangen ist, ehemalige Mitglieder der NSDAP oder der Waffen-SS von den Soldatenfriedhöfen zu entfernen – was dann auch etwa für Günther Grass hätte gelten müssen, wäre er denn gefallen – kann er jetzt erst recht nicht Mitglieder ausschließen, nur weil sie einer nationaldemokratischen Partei angehören, deren Verfassungswidrigkeit noch nicht einmal von dem einzig dazu befugten Bundesverfassungsgericht festgestellt worden ist.

Gegen jeden der Auszuschließenden wurden noch zusätzlich individuelle Vorwürfe erhoben, die wohl eine intensive Einzelfallprüfung vorspiegeln sollen.

Bei Michael Andrejewski war das eine einzige Äußerung, in der er erklärte, er lehne das herrschende System ab und wolle es angreifen.
Sie scheinen automatisch davon auszugehen, daß mit "System" das Grundgesetz gemeint sei. Das ist keineswegs zwingend. Der bekannte Verwaltungswissenschaftler Hans-Herbert von Arnim veröffentlichte ein Buch mit dem Titel "Das System", worunter er ein Netzwerk aus Parteibuchwirtschaft und Korruption verstand, das seiner Meinung nach in diesem Staat große Macht habe. Dieses System meinte Andrejewski. Sie müssen schon ihm überlassen, was er unter "System" versteht.

Bei Stefan Köster beziehen Sie sich auf eine angebliche Verurteilung wegen "schwerer Körperverletzung zu 6 Monaten Haft auf Bewährung."
Diese sollte rechtskräftig sein. Ihre Recherchen sind in diesem Fall sehr schlampig. Rechtskräftig verurteilt wurde Stefan Köster nur zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen. Nach den Bestimmungen des BZRG gilt er damit als nicht vorbestraft. Das Prinzip der Verhältnismäßigkeit ist in jedem Abwägungsprozeß und jeder Ermessensentscheidung in besonderem Maße zu berücksichtigen. Es wäre unverhältnismäßig, einen Vereinsausschluß wegen einer solchen Bagatellverurteilung anzustreben. Außerdem haben Sie nicht dargelegt, daß es Ihre ständige Praxis ist, Mitglieder wegen Verurteilungen zu Geldstrafen unter 91 Tagessätzen generell auszuschließen.

Noch unverhältnismäßiger wäre ein Ausschluß von Herrn Wendt wegen einer Verurteilung, über deren Einzelheiten Sie sich offenbar noch gar nicht informiert haben. Sonst wüßten Sie, daß ihm lediglich eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen auferlegt wurde. Auch er gilt damit als nicht vorbestraft.

Tino Müller wird das Sammeln von 2000 Unterschriften gegen die Einrichtung eines Asylbewerberheims mitten in Ueckermünde zum Vorwurf gemacht. Aus der Ablehnung einer von den Behörden getroffenen Standortentscheidung kann aber noch nicht geschlossen werden, daß er Völkerverständigung und Versöhnung ablehne. Dies kann man ihm ebenso wenig vorwerfen wie dem NS-verfolgten jüdischen Autor Ralph Giordano, nur weil dieser sich gegen den Bau einer riesigen Moschee in Köln stellt. Quer durch die Parteienlandschaft gibt es zu den Themen „Einwanderung“ und „Asyl“ höchst unterschiedliche Standpunkte. Erinnert sei an die Wahlkampfparole des CDU-Ministerpräsidenten von NRW Rüttgers: "Kinder statt Inder." Wenn Sie im Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens gleiche Maßstäbe an alle Mitglieder anlegen wollen, müßten Sie neben Tino Müller auch zahlreiche Vertreter der etablierten Parteien ausschließen – auch Helmut Schmidt, der vor kurzem sagte, es sei ein Fehler gewesen, so viele Ausländer in Deutschland aufzunehmen.

Enrico Hamisch kreiden Sie angebliche Aussagen im „Inselboten“ an, die Sie in einer Anlage beilegen wollten. Das haben Sie leider vergessen, was wiederum für Ihre Oberflächlichkeit spricht.

Generell muß in die Abwägung einfließen, daß hier nicht nur ein Vereinsausschluß zur Debatte steht. Da der Volksbund das Hausrecht hinsichtlich zahlreicher Soldatenfriedhöfe und Gedenkstätten innehat, kann er jedem Nichtmitglied den Zutritt an den offiziellen Gedenktagen – etwa am Volkstrauertag – verweigern, wenn ihm etwa dessen Parteibuch nicht gefällt. Die Tatsache, daß der Volksbund in diesen Fällen als Beliehener Hoheitsrechte ausübt, begründet besondere Pflichten, die über die eines gewöhnlichen Vereins hinausgehen. Das Recht, Bürger vom Volkstrauertag auszuschließen, darf ihm keineswegs zustehen.

Zu berücksichtigen ist ferner, daß von den Auszuschließenden keinerlei Werbung mit ihrer Mitgliedschaft getrieben wurde. Diese wurde nicht Bestandteil öffentlicher Propaganda, was für die Ernsthaftigkeit des Engagements spricht. Mißbrauch kann ihnen in keiner Weise vorgeworfen werden.

Andererseits spricht vieles dafür, daß der Bundesvorstand nur zum Schein nach pflichtgemäßem Ermessen entscheidet. Durch die Rücküberweisung der Beiträge mit der Bemerkung „irrtümliche Überweisung“ wurde die angeblich noch ausstehende Entscheidung bereits vorweg genommen. Noch sind die Auszuschließenden Mitglieder mit allen Rechten und Pflichten, auch wenn Sie zunächst versuchten, dies in Abrede zu stellen. Das gilt auch für die Beitragspflicht.

Allein dieser Umstand würde in einer möglichen weiteren Auseinandersetzung beweisen, daß kein pflichtgemäßes Ermessen vorlag.
zurück | drucken Erstellt am Donnerstag, 17. Januar 2008