Kommunalverfassung als Alibi - Anfrage zu Rußland-Sanktionen abgeblockt

Fragen von Abgeordneten haben sich „auf Angelegenheiten der Gemeinde“ zu beziehen: Um eine Anfrage des NPD-Vertreters Thomas Jägerzu möglichen Auswirkungen der Anti-Rußland-Sanktionen auf die Rostocker Wirtschaft nicht beantworten zu müssen, nutzte die Rostocker Stadtverwaltung die Kommunalverfassung M/V als willkommenes Alibi. Wie‘s auch anders geht, zeigt das Beispiel München.

Mehr als 6.000 deutsche Unternehmen pflegen teilweise recht enge Beziehungen zu russischen Partnern. Wie Fachleute ermittelt haben, hängen am Rußland-Geschäft hierzulande etwa 300.000 Arbeitsplätze. Laut www.onvista.de treffen die EU-Sanktionen „den klassischen deutschen Mittelständler mit 100, 150 Angestellten und einem hohen Rußland-Anteil“ (http://www.onvista.de/news/russland-sanktionen-machen-deutsche-wirtschaft-nervoes-1050849).

Um mögliche Folgen der Sanktionen für die Wirtschaft in HRO in Erfahrung zu bringen, richtete der NPD-Bürgerschaftsabgeordnete Thomas Jäger eine Anfrage an die Verwaltung. Jäger wollte unter anderem wissen, wie sich die Handelsbilanz von in Rostock ansässigen Unternehmen mit Rußland unmittelbar vor Verhängung der EU-Sanktionen und der Einfuhrverbote darstellte. Des weiteren fragte der Abgeordnete, welche Branchen beziehungsweise Unternehmen besonders vom Handel mit der Russischen Föderation profitieren. Außerdem erkundigte er sich, ob Sanktionen und Einfuhrverbote bereits negative Auswirkungen wie zum Beispiel stornierte Aufträge, Umsatzrückgänge, Kurzarbeit oder gar Entlassungen nach sich gezogen hätten.



Münchener Stadtverwaltung etwas auskunftsfreudiger

Ein wenig auskunftsfreudiger zeigte sich das Referat für Arbeit und Wirtschaft der bayerischen Landeshauptstadt München im Fall einer ähnlich gelagerten Anfrage des Stadtrats Karl Richter (Bürger-Initiative Ausländerstopp/BIA). Zwar hatte die Verwaltung bezogen auf München selbst keine detaillierten Angaben zu bieten. Doch geht aus der Anfrage hervor, daß es in Bayern immerhin 2.000 Betriebe gebe, die sich auf dem russischen Markt engagieren. Bis Ende Mai seien bayerischen Exporte nach Rußland im Vergleich zum Vorjahr um 6,2 Prozent zurückgegangen. „Die Sanktionen gegen Rußland können für München auch nach Einschätzung der IHK für München und Oberbayern und dem Referat für Arbeit und Wirtschaft Auswirkungen u. a. in den Branchen Elektrotechnik, Autoindustrie und Maschinenbau haben“, heißt es in der Antwort.

Provokation Rußlands durch EU- und NATO-Osterweiterung

Die NPD-Fraktion im Schweriner Landtag hat sich zu den Sanktionen mehrfach klar positioniert. Bereits im Mai forderte die NPD ein unverzügliches Ende der EU-Eskalationspolitik durch Aufhebung sämtlicher EU-Sanktionen gegen russische Staatsbürger, Institutionen und Unternehmen. Stattdessen soll die Zusammenarbeit mit der Russischen Föderation beibehalten und vertieft werden (Drucksache 6/2939). In einem weiteren Antrag wandten sich die Nationalen klipp und klar gegen einen Krieg mit der Russischen Föderation (Drucksache 6/3249).

Die Hauptverantwortung für den Rußland-Ukraine-Konflikt liegt im übrigen eindeutig beim Westen. Entgegen früheren Bekundungen ist eine Erweiterung von NATO und EU quasi bis vor die Haustür Moskaus erfolgt. John J. Mearsheim, Dekan für Politikwissenschaft an der Universität of Chicago, hat die geopolitisch motivierte Ausdehnung in einem Artikel in Foreign Affairs als eine wesentliche Ursache des Konflikts in der Ukraine dargestellt. Die Osterweiterung beurteilt Mearsheim als völlig unnötige und gefährliche Provokation Rußlands.    

Im Fokus: reiche Erdöl- und Erdgas-Lagerstätten des „Eurasischen Balkans“

Washington und seinen Hiwis als getreuen Schildknappen des Großkapitals geht es letzten Endes um einen Zugriff auf die Bodenschätze der Region. Im Brennpunkt steht dabei ein gewaltiges Territorium, das sich vom Nahen Osten über die Kaspische Region bis in den Hohen Norden Rußlands erstreckt. Dort befinden sich rund zwei Drittel der weltweit bekannten natürlichen Erdgas- und Erdöl-Lagerstätten, bei denen sich eine wirtschaftliche Förderung lohnt. Der

US-Präsidentenberater Zbigniew Brzezinski spricht in diesem Zusammenhang vom „Eurasischen Balkan“, der für die USA von größter Wichtigkeit sei. Rußland war, ist und bleibt hier der mächtigste Gegenspieler.  

Die derzeit in Berlin sowie auf Länder- und kommunaler Ebene verantwortliche Politik übt sich derweil in bloßen Lippenbekenntnissen: Man wolle mit Moskau im Gespräch bleiben – natürlich „innerhalb des von der EU vorgegebenen Rahmens.“ Und sobald es Klippen in Form von kniffligen Fragen zu umschiffen gilt, bleibt ja als Notanker immer noch die Kommunalverfassung M/V. 
zurück | drucken Erstellt am Montag, 13. Oktober 2014