Egon Bahr, Ex-SPD-Spitzenpolitiker, gibt zu: Grundgesetz galt in BRD bis zur Wende nicht.

Viele Zuschauer haben die Politmagazine der öffentlich-rechtlichen Sender nicht mehr. Zu recht, weil sie zahm und langweilig geworden sind.
 
Von seltenen Ausnahmesendungen abgesehen wie der, die am Dienstag, den 24.6, abends in dem Format "Fakt" bei der ARD zu sehen war. Es ging um massenhafte Postkontrolle zur Zeit des Kalten Krieges. Täter war zur Abwechslung mal nicht die Stasi, sondern der westdeutsche BRD-Staat. Eigentlich stand das  vom Grundgesetz garantierte Postgeheimnis solchen Machenschaften entgegen, doch ließ sich die Adenauer-Regierung den Trick einfallen, alle Briefe aus der DDR per Gesetz zur Ware zu erklären.
 
Und wie jede andere Ware auch durften die Postsendungen dann vom Zoll kontrolliert werden. Geöffnet, gelesen und sogar vernichtet. Allein im Jahre 1960 spionierten die westdeutschen Behörden 17 Millionen Briefe aus, die mitteldeutsche Bürger an Bekannte und Verwandte in der BRD schickten. Auch die Bundeswehr wurde eingespannt. In Hochzeiten kam das Militär auf 100 000 Briefkontrollen in der Woche. Über all dem standen natürlich die Alliierten. Zum Deutschlandvertrag, durch den wir angeblich wieder souverän wurden, legten die Siegermächte Adenauer an den ahnungslosen Wählern vorbei geheime Zusatzprotokolle vor, die ihnen die totale und uneingeschränkte Geheimdienstkontrolle über die BRD zusicherten. Adenauer unterschrieb, und laut Egon Bahr (SPD), einem führenden Mann der SPD/FDP-Regierung Willy Brandts, taten dies auch alle folgenden Bundeskanzler bis 1989. Wie vertrug sich das nun mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, in deren Namen die NPD damals schon verboten werden sollte?
 
Egon Bahr dazu wörtlich in der Sendung: "Wir haben damals in einer Situation gelebt, und die ist im Prinzip nicht mehr geändert worden bis zur deutschen Einheit, in der die Rechte der drei Mächte in Bezug auf Deutschland und Berlin die Verfassung außer Kraft gesetzt haben."
 
Das Grundgesetz war also außer Kraft gesetzt. Das Grundgesetz, auf das Beamte schwören mußten. In dessen Namen Staatsdiener, an deren Verfassungstreue gezweifelt wurde, aus dem Amt gejagt wurden. Was hat der Verfassungsschutz da eigentlich geschützt, wenn die Verfassung außer Kraft war?
 
Angesichts des NSA-Skandals können wir davon ausgehen, daß das Grundgesetz immer noch nicht gilt. Umso lächerlicher ist das NPD-Verbotsverfahren. In diesem müßte auch geklärt werden, welche geheimen Zusatzprotokolle heute über der Verfassung stehen und welchen Stellenwert sie eigentlich wirklich hat. Vielleicht könnte man Egon Bahr als Zeugen hören.
zurück | drucken Erstellt am Donnerstag, 26. Juni 2014