Dürfen NPD-Anhänger Gauck jetzt auch einen "Spinner" nennen?

Bundespräsident Gauck darf, so hält es das Bundesverfassungsgericht für rechtmäßig, NPD-Anhänger als "Spinner" bezeichnen.
 
Damit verletze er nicht seine Neutralitätspflicht. Vielmehr sei es ihm erlaubt, "sein Anliegen auch in zugespitzter Wortwahl vorbringen." Die Systempresse jubelt. Kein Maulkorb für das Staatsoberhaupt! In einem offensichtlich so in die Redefreiheit verliebten Staat dürfte die "zugespitzte Wortwahl" aber keine Einbahnstrasse sein. Gleiches Recht für alle. Also "Spinner Gauck"? Besser nicht. Da gibt es nämlich im Strafgesetzbuch den Paragraphen 90 mit der schönen Überschrift: "Verunglimpfung des Bundespräsidenten".
 
Wortlaut: "Wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften den Bundespräsidenten verunglimpft, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu 5 Jahren bestraft."
 
5 Jahre Gefängnis! Da konnte man in der DDR mit Honeckerwitzen billiger davon kommen!
Als Verunglimpfung gilt dabei "eine nach Form, Inhalt, den Begleitumständen oder dem Beweggrund erhebliche Ehrenkränkung", so ein Kommentar.
 
Im Klartext: So ziemlich alles. Auf jeden Fall die Bezeichnung "Spinner". Übrigens auch das von vielen gern verwendete Wort "Gauckler". Vorsicht! Jede Kritik ist bei diesem Gummiparagraphen gefährlich.
 
Wie passen solche Verhältnisse nun in eine Demokratie? Das Staatsoberhaupt darf Bürger nach Belieben beleidigen, die, sollten sie im selben Ton antworten, 5 Jahre Knast riskieren.
 
Die Antwort des Bundesverfassungsgerichtes ist überraschend. O-Ton: Die Wahl des Bundespräsidenten offenbare sich als "ein eigentümlicher, demokratisch veredelter Rückgriff auf das Erbe der konstitutionellen Monarchie, der vom Verfassungsgeber so gewollt war und der der Bundesrepublik letztendlich gut tat."
 
Aha, die BRD ist also gar keine demokratische Republik, wie wir bisher dachten, sondern ein Mischsystem aus demokratischen und monarchischen Elementen. Die Wahl eines Bundespräsidenten stellt eine Art Krönungsmesse dar. Deswegen gibt es dort auch keine Aussprache und kein Rederecht der nicht königlichen Kandidaten.
 
Konsequenterweise sollte man § 90 StGB umtaufen in "Majestätsbeleidigung". Wie in der guten alten Zeit.
 
Welche Erbstücke der Monarchie wird Karlsruhe wohl noch "demokratisch veredeln“? Das ius primae noctis? Darunter verstand man das Recht eines Fürsten, mit jeder Braut des Landes die erste Nacht zu verbringen, noch vor dem Bräutigam. Falls das Bundesverfassungsgericht Gauck dieses Privileg auch noch zugestehen sollte, müssen die betroffenen Frauen das eben als ihre staatsbürgerliche Pflicht ansehen. Alles für die Bundesrepublik! Oder die lettres des cachet? Mit diesen "Fangbriefen" durften die französischen Könige jeden Untertanen ohne Prozess wegsperren lassen, beliebig lange, als besonderes monarchisches Vorrecht.
 
Also, liebe Untertanen. Die Majestät darf Euch "Spinner" nennen. Ihr sie nicht. Es sei denn, Ihr habt keine Lust, die nächsten 5 Jahre Miete zu zahlen.
zurück | drucken Erstellt am Mittwoch, 11. Juni 2014