Mieterhöhungen nicht ausgeschlossen

Schwerin will es und Rostock augenblicklich nicht, Wolgast und Anklam gedenken es (noch?) nicht zu tun – der Verkauf kommunalen Wohnungseigentums wird von den Systemparteien seit etwa sechs Jahren als probates Mittel angesehen, um die klammen kommunalen Geldsäckel aufzufüllen. Gewiß, Dresden ist durch den Verkauf der gesamten Woba (48.000 Wohnungen) schuldenfrei – noch. Was bleibt, ist ein Arbeitslosigkeit produzierendes System mit ständig steigenden Sozialkosten. Und: Wilhelmshaven, das sich vor fünf Jahren als eine der ersten bundesdeutschen Kommunen eines Teil seiner Wohnungen durch Verkauf entledigte, war auch schuldenfrei, hat diesen Vorsprung aber mittlerweile wieder aufgebraucht. Die (Einmal-)Verkaufserlöse dienen halt nur dem Stopfen anderer Löcher, hervorgerufen durch die vom volkstreuen Widerstand immer wieder zur Sprache gebrachten Milliarden-Geschenke zugunsten fremder Interessen.

Um einmal mehr die Dimensionen der Wohnungs-"Deals" zu verdeutlichen, wird an dieser Stelle ein Beitrag aus der Börsen-Zeitung (06. 10. 2006) zitiert. Die B-Z ist ein wichtiges Informationsmittel für Anleger; Schon deshalb herrscht hier schonungslose Offenheit – für uns eine gute Möglichkeit, um Einblick in das Denken der Heuschrecken zu erhalten.

Gagfah könnte 8 Mrd. Euro wert sein

Konsortialbanken beziffern operative Rendite des Börsenkandidaten aus Wohnungsmieten auf 5 Prozent

Von Christoph Ruhkamp, Düsseldorf

Die US-Beteiligungsgesellschaft Fortress will Ende Oktober beim voraussichtlich größten deutschen IPO (1) dieses Jahres ihre in Luxemburg ansässige Immobilien-Holding Gagfah mit 150.000 deutschen Wohnungen an die Börse bringen und dabei bis zu 20 % der Anteile abgeben – was einem Emissionsvolumen von 1,6 Mrd. Euro entspräche. Gemäß den Emissionsstudien der Konsortialbanken Deutsche Bank, DZ Bank und Dresdner Kleinwort, die der Börsen-Zeitung vorliegen, wird der Wert der Gesellschaft auf 8 Mrd. Euro geschätzt. Die Rendite aus dem operativen Nettoertrag (Net Operating Income), der vor allem aus Wohnungsmieten stammt, liege bei 5,2 %, was 416 Mill. Euro entspricht.

Aktie gleicht einem Reit

Nach Angaben der Deutsche-Bank-Studie bietet die Gagfah SA (2) den potentiellen Investoren bereits heute die Charakteristika des in Deutschland erst für 2007 geplanten Anlagevehikels Real Estate Investment Trust (Reit). Es werde eine steuerbegünstigte Immobilienplattform geboten, die mit ihren stabilen und vorhersagbaren Einnahmen einer sicheren Anleihe gleiche. Nach Informationen der Börsen-Zeitung liegt der Steuervorteil darin, daß die drei deutschen Holding-Gesellschaften der Gagfah weitgehend steuerfreie Schuldzinsen an die Luxemburger Mutter zahle, die als Dividenden ausgeschüttet werden.
Laut Deutsche Bank kommen Wachstumschancen durch Käufe und Verkäufe von Wohnungen hinzu sowie Größenvorteile nach weiteren Akquisitionen aus Beständen der öffentlichen Hand. Die Gagfah werde die liquideste Aktie im deutschen Wohnungssektor sein. Zudem habe der Eigentümer Fortress bereits zahlreiche andere Immobilienunternehmen in anderen Ländern erfolgreich an die Börse geführt.
So habe die in Amsterdam notierte Fortress-Tochter Eurocastle, die große Büroimmobilienpakete von Deutsche Bank, Dresdner Bank und DB Real Estate übernommen hatte, seit dem Börsengang im Herbst 2002 eine Gesamtrendite aus Kurssteigerung und Dividenden von 181 % geliefert. Den Anstieg der operativen Erträge (Funds from Operations) und Dividenden schätzt die Bank für 2007 und 2008 auf 33 % und 13 %. Während die europäische Durchschnitts-Immobilienaktie eine Dividendenrendite von 2,7 % biete, seien es in Deutschland 3,4 %.
Auch nach Angaben der DZ-Bank-Studie handelt es sich bei der Gagfah als dann größter börsennotierter deutscher Wohnungsgesellschaft um ein stabiles Geschäftsmodell. Der operative Ertrag (Funds from Operations) je Aktie werde bis 2010 um jährlich 12 % zunehmen. Die Erträge aus dem angestammten Geschäft könnten unter anderem durch Mieterhöhungen, Verringerung der Leerstandsquoten und Kostensenkungen gesteigert werden.

Fortress zahlte 7 Mrd. Euro

Das Vermietungsgeschäft könne durch Akquisitionen größerer Wohnungspakete ausgeweitet werden, die durch höhere Finanzschulden und neue Aktien refinanziert würden. Zu den Risiken der Gagfah zählten dagegen Zinserhöhungen, Änderungen der Steuergesetze und der vermehrte Wettbewerb zwischen Finanzinvestoren um große Immobilienportfolios. Die DZ Bank beziffert die jährlichen Mieteinnahmen der Gagfah SA, die zur Hälfte aus der Essener Gagfah GmbH besteht, auf 518 Mill. Euro, den Kaufpreis bei Akquisition durch Fortress auf 7 Mrd. Euro und den Kaufpreis je Wohnung auf 46.000 Euro. Die Bruttorendite liege bei 7,4 %.
Nach Angaben des Analysehauses Kempen und der Investmentbank Dresdner Kleinwort in einer gemeinsamen Studie liegt ein bedeutendes Wachstumspotential in der Senkung der Leerstandsquote, die mit 6,2 % beziffert wird. Hinzu komme ein neuer ,aggressiver Management-Ansatz’ unter dem neuen Gagfah-Chef, dem Ex-Bürgermeister von Oberhausen und Ex-RAG-Immobilienvorstand Burkhard Drescher. Ein weiterer Pluspunkt seien Synergien zwischen den drei in der Holding zusammengefaßten Unternehmen – der Essener Gagfah, der Hannoveraner Nileg und der Dresdner Woba.
Unter anderem durch Mieterhöhungen könnten die operativen Erträge (Funds from Operations) je Aktie von 0,69 Euro im laufenden Jahr bis 2010 auf 1,08 Euro steigen. Die Gagfah beabsichtige, einen ,substantiellen Teil’ der operativen Erträge in Form von vierteljährlichen Dividenden auszuschütten. Obwohl das Unternehmen insgesamt relativ wenig riskant sei, zählten zu den Gefahren die hohe Verschuldung, die insbesondere in Dresden hohe Leerstandsquote sowie die Abhängigkeit von Zukäufen.“

(1) IPO = Initial Public Offering, (erstmaliger) Gang an die Börse
(2) Gagfah = Gemeinnützige Aktien-Gesellschaft für Angestellten-Heimstätten (Bundesanstalt für Angestellte, BfA)
(3) REIT = börsennotierte und steuerfreie Immobilienfonds

Beim Lesen des Beitrags mag sich manch einer an ein Kriegsszenario erinnert fühlen. Abwegig ist dieses Urteil gewiß nicht. Wir befinden uns mitten in einem Wirtschaftskrieg, in dem Rendite, Übernahmen und Weiterverkäufe an der Tagesordnung sind. Geld, das, um bei den Wohnungsverkäufen zu bleiben, unter normalen Umständen für Sanierungs- und Reparaturmaßnahmen aufgewendet wird, tummelt sich auf dem Börsenparkett. Als willige Hiwis fungieren auch hier Vertreter der Berliner Kartellparteien, die das soziale und nationale (Geborgenheits-)Prinzip zugunsten einer schrankenlos waltenden Geldoligarchie opfern. Die Bundesrepublik verfährt auch hier nach dem Motto „Germans to the Front“. Die Mieterinnen und Mieter werden’s zu spüren bekommen.
zurück | drucken Erstellt am Donnerstag, 08. Februar 2007