„Alles schick“ für Heinrich A.

Zuwanderung von Fachkräften und Armutsmigranten - ein paar notwendige Anmerkungen zu Heinrich Alts Äußerungen in der Rheinischen Post.

Heinrich Alt gehört zum Vorstand der Bundesanstalt für Arbeit. Für ihn ist die Welt derzeit schön, so richtig schön. Zum 1. Januar 2014 trat die volle Arbeitnehmer-Freizügigkeit für Bulgarien und Rumänien in Kraft. Aus diesem Grund führte die in Düsseldorf erscheinende Rheinische Post mit dem BA-Mann ein Gespräch (Ausgabe vom 9. Januar), in dem Alt über den möglichen Zuwachs in den höchsten Tönen schwärmte. So rechne die bundeseigene Anstalt damit, „daß unter den Neuzuwanderern jeder zweite eine gute Ausbildung mitbringt.“ In so genannten Mangelberufen „ – Ärzte, Krankenschwestern oder IT-Fachleute – sind Rumänen und Bulgaren heute schon in Deutschland tätig.“

Neokolonialismus in Reinkultur

Was Alt hier wie einen routinemäßigen Vorgang am Supermarkt-Scanner darstellt, ist letztlich Neokolonialismus in Reinkultur. Aber wie sagt der Volksmund so schön? „Wie der Herr, so’s Gescherr“. Haben doch Alts Chefin Merkel und der Bundes-Gau(c)kler den „Kampf um die besten Köpfe“ ausgerufen. Da spielt der geldliche und ideelle Aufwand, den die Herkunftsländer für die Ausbildung der späteren Fachleute betrieben haben, überhaupt keine Rolle.

Umkehrschluß laut BA-Prognose: Jeder Zweite schlecht- bis unterqualifiziert

Müßte Deutschland – wie im Fußball üblich – Ablösesummen „pro Nase“ zahlen, würde der Staatsbankrott wohl nicht mehr lange auf sich warten lassen. Arbeitslose deutsche Fachkräfte, die händeringend auf ihre Chance warten, werden überdies vor den Kopf gestoßen (25.07.2013: Das Gesülze vom Ingenieur-Mangel). Und im Umkehrschluß sind – so die BA-Prognose denn stimmt – 50 Prozent der möglichen Zuwanderer aus genannten Staaten minder- bis gar nicht qualifiziert. Die bisher aus Rumänien und Bulgarien Eingewanderten haben überdurchschnittlich häufig (35 Pozent) keine berufliche Qualifikation. Die industrielle Reservearmee der Lohndrücker ist also im stetigen Anwachsen begriffen.  

Miese Bedingungen, miese Bezahlung: Deutsche Ärzte nehmen Reißaus

Dieser Personenkreis hat mit Ärzten nur insoweit zu tun, daß er für das eine oder andere mögliche Wehwehchen einen Mediziner brauchen wird. Doch lohnt es sich durchaus, einen genaueren Blick auf den so wichtigen Bereich der Medizin zu werfen.

Seit 2005 erheben die Ärztekammern in der Bundesrepublik Daten über die Abwanderung von Ärzten ins Ausland. Die begehrtesten Zielländer sind die Schweiz, Österreich, die USA und Großbritannien. 2007 verließen 2.600 junge Mediziner Deutschland, um in der Fremde ihr Glück zu suchen. 2011 waren es insgesamt 3.410 (davon 68,8 Prozent deutsche Ärzte), der höchste Wert seit Beginn der Erfassung. Es stimmen also auch auf diesem Sektor vornehmlich deutsche Fachkräfte mit den Füßen ab, weil sie das Verhältnis von (unzumutbaren) Arbeitsbedingungen und (zu geringer) Bezahlung nicht länger ertragen wollen. Böse Zungen sprechen hierbei von der Durchkapitalisierung des Krankenhausbetriebs.

Vorsicht, Lebensgefahr! Sprachverwirrung im OP

Die freigewordenen Stellen besetzen ausländische Mediziner, die oftmals aber nur über ungenügende Deutschkenntnisse verfügen. „Bei einer Dunkelziffer von 170.000 Behandlungsfehlern im Jahr ist bei geschätzt 34.000 Fällen Sprachverwirrung im Spiel. Viele ältere Patienten fühlen sich wie im Ausland“, schlägt die Deutsche Stiftung Patientenschutz Alarm. Verantwortlich für die katastrophalen Zustände ist für  Günther Jonitz, den Vorsitzenden der Berliner Ärztekammer, eine „richtig miese Gesundheitspolitik“, die übertrieben großen Wert auf Zahlen und Erträge lege und dabei den Menschen vergesse.

Die Ärzte-Gewerkschaft Marburger Bund erneuerte im November des vorvergangenen Jahres ihre Forderung nach einheitlichen Sprachprüfungen für alle in der BRD praktizierenden Ärzte.

Deutsche ins Ausland, Polen nach Deutschland, Ukrainer nach Polen 

Zum einen muß der Arzt-Alltag entbürokratisiert werden. Zum zweiten sollte eine entsprechend gute Bezahlung eigentlich zu den Selbstverständlichkeiten gehören.

Mit dem Abwanderungsproblem im medizinischen Bereich steht Deutschland übrigens nicht allein da. Polen beispielsweise ist auf diesem Gebiet über kurz oder lang vom Kollaps bedroht: Es „hat halb so viele Einwohner wie Deutschland, aber nur ein Viertel so viele Ärzte“, wird in einem Beitrag des Berliner Tagesspiegel vom 2. April 2013 auf die Schieflage verwiesen. 20 Prozent der Mediziner hätten zudem die 70 überschritten, derweil viele ihrer jungen Kollegen in die BRD oder nach Großbritannien auswanderten.  

„Polen sucht deshalb seit vier Jahren händeringend nach Spezialisten und auch Krankenschwestern aus der Ukraine und Weißrußland“ – starke Bewegung also auf dem kapitalistischen Verschiebe-Bahnhof.

Nationalen Interessen den Vorrang geben!

Um die Probleme zu lösen, kann nicht auf irgendwelche internationalen Tagungen gewartet werden. Wer sollte die Entscheidungen denn fällen? Die „EU“ vielleicht, die mit ihren Richtlinien zur „Arbeitnehmerfreizügigkeit“ ja erst die Schleusen geöffnet hat?

Hier sind ganz natürlich die nationalen Regierungen gefragt, so sie denn überhaupt noch Entscheidungen zum Wohle ihrer Völker treffen wollen. Ungarns Regierungschef Viktor Orban und seine nationalkonservative Fidesz-Partei änderten im März 2013 sogar die Verfassung, um junge Ärzte sowie akademisch ausgebildetes medizinisches Fachpersonal im Lande zu halten: Wer ein staatliches Stipendium erhält, muß nach Beendigung des Studiums für eine bestimmte Zeit in Ungarn tätig sein. Das darob einsetzende Gejaule aus dem fernen Brüssel interessierte die Orban und Co. nicht die Bohne.

Aus deutscher Sicht Alarmstufe „Rot“!

Für Deutschland herrscht ohnehin Alarmstufe eins und das nicht allein wegen abwandernder Ärzte und Krankenschwestern. Laut der Süddeutschen Zeitung vom 10. Januar hält die EU-Kommission das eigentlich schon großzügig ausgestaltete deutsche Sozialsystem für rechtswidrig. Künftig sollen demnach Zuwanderer aus der EU, auch wenn sie nicht aktiv nach einer Arbeit suchen, Anspruch auf Hartz-IV-Leistungen haben. Bis Ende des Jahres will der Europäische Gerichtshof eine Entscheidung fällen.  

Und jetzt auch noch die volle Arbeitnehmer-Freizügigkeit für bulgarische und rumänische Staatsbürger: Forscher des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg rechnen von 2014 an jährlich mit 100.000 bis 180.000 Einwanderern aus den genannten Staaten.

Heimatlandprinzip durchsetzen!

Vor diesem Hintergrund verlangt die NPD einmal mehr, im Hinblick auf die Gewährung von Sozialleistungen unverzüglich das Heimatlandprinzip im europäischen Recht zu verankern, wobei sich die Nationalen auf eine Forderung Prof. Hans-Werner Sinn vom renommierten Münchner ifo-Institut stützen (Drucksache 6/2398).

Eine Person, die einer gewissen Hilfe bedarf, muß ihre Ansprüche also künftig an ihr Heimatland richten und das unabhängig vom Ort, an dem sie sich gerade aufhält.
Heinrich Alt, Jahrgang 1950, wird definitiv nicht in die Lage geraten, Sozialleistungen beantragen zu müssen. Ihm winkt eine satte Pension. Möglicherweise verdingt er sich ja auch als Personal-Disponent: für ausländische Fachkräfte oder solche, die dafür gehalten werden.
zurück | drucken Erstellt am Montag, 13. Januar 2014