Auf die starke Überalterung des Lehrerkollegiums an den beruflichen Schulen wird jetzt mit einem Modell-Studiengang reagiert. Die nationale Opposition im Landtag hatte bereits vor über anderthalb Jahren nachhaltige Maßnahmen für eine Verjüngung des Lehrkörpers verlangt.
Mit dem Wintersemester 2013/14 ist an der Hochschule Neubrandenburg der erste Modell-Studiengang Berufspädagogik für Gesundheitsfachberufe mit 15 Studienplätzen gestartet. Die Überlegung, die dahintersteht, entspringt den allseits bekannten, alarmierenden und traurigen Befunden: Einerseits wird die Zahl der pflegebedürftigen Menschen im Land in den nächsten Jahren stark zunehmen. Andererseits fehlen tausende Pflegefachkräfte, aber auch qualifizierte Lehrer an den Berufsschulen, die das entsprechende Wissen vermitteln.
Das Projekt kommt gerade recht, weist doch die Lehrerschaft, die an beruflichen Schulen für den Unterricht im Gesundheitssektor verantwortlich ist, ein Durchschnittsalter von 57 Jahren auf!
Wer den Studiengang an der Neubrandenburger Hochschule belegen möchte, muß laut Neubrandenburger Zeitung (3. Dezember) neben der Fachhochschulreife eine abgeschlossene Berufsausbildung im Bereich Gesundheits- und Krankenpflege, Altenpflege oder Entbindungspflege vorweisen können.
Schwere Bürde:„Rot-rot“ stellte Ausbildung von Berufsschullehrern ein
In Neubrandenburg sollen die künftigen Lehrer demnach ein Bachelor-Studium absolvieren, ehe an der Universität Rostock eine bildungswissenschaftliche Master-Ausbildung erfolgt. Damit werden die Voraussetzungen für ein Referendariat an einer beruflichen Schule erfüllt.
Das klingt alles sehr durchdacht und vielversprechend, doch solange Bezahlung und Arbeitsbedingungen im Bereich der Pflege eher miserabel sind, ist die Ausbildung an den Berufsschulen für jene so wichtigen Beschäftigungszweige auf lange Sicht für die Katz.
Des weiteren sind von der Überalterung des Lehrkörpers so gut wie alle Unterrichtsfächer betroffen. Ein entscheidender Grund: Als M/V noch von einer Koalition aus SPD und der nunmehrigen „Opposition“ namens Die Linke regiert wurde, stellte das damalige Bildungsministerium die Berufsschullehrer-Ausbildung an der Uni Rostock quasi unbemerkt ein. Inzwischen unterrichtet jeder dritte Lehrer an den beruflichen Schulen in Fächern, für die er gar nicht ausgebildet ist.
Nur neun Prozent der Pädagogen jünger als 40 Jahre
Ende März 2012 lieferte das Statistische Landesamt die nüchternen, aber nichtsdestoweniger alarmierenden Zahlen. Demnach waren lediglich neun Prozent der Pädagogen an den Berufsschulen jünger als 40 Jahre. 2002 lag dieser Anteil noch bei 22 Prozent! Knapp jeder Dritte war im Frühjahr des vergangenen Jahres zwischen 40 und 50 Jahre alt. 60 Prozent und damit fast zwei Drittel der Pädagogen hatten die 50 bereits überschritten. Sie werden also in den nächsten zehn bis 15 Jahren in den Ruhestand gehen.
Die Angaben des Statistischen Landesamtes bestätigten einmal mehr die Antworten der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage des NPD-Landtagsabgeordneten David Petereit. (
Drucksache 6/147) vom Dezember 2011.
Prognosen zu Bedarfs- und Überhangfächern
Schließlich reichten die SED-Nachfolger im Frühjahr 2012 einen Antrag ein, mit dem sie forderten, eine fachgerechte Unterrichtsversorgung zu sichern und den Unterrichtsausfall zu vermindern. Der NPD langte dies nicht. Sie legte mit einem Änderungsantrag nach, in dem sie verlangte, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, „die darauf abzielen, der sich bereits jetzt deutlich abzeichnenden Überalterung der Berufsschullehrerschaft entgegenzusteuern.“
Der NPD-Abgeordnete Petereit bohrte noch einmal mit einer Kleinen Anfrage nach. Unter anderem wollte er wissen, ob hinsichtlich des Lehrkräftebedarfs bis zum Schuljahr 2020/21 belastbare Angaben gemacht werden können. Der Antwort der Landesregierung zufolge wird dann „voraussichtlich in den beruflichen Fachrichtungen Gesundheit und Pflege, Ernährung und Hauswirtschaft, Sozialwesen, Seefahrt und Fahrzeugtechnik ein Bedarf vorliegen“.
Von einem Überhang könne hingegen weiterhin in den Fachrichtungen Bautechnik, Agrarwirtschaft und Informationstechnik ausgegangen werden.
Experten: Pro Jahr müssen zwischen 50 und 80 Pädagogen ersetzt werden
Ein Mittel, um personellen Engpässen zu begegnen, sieht die Landesregierung in der Gewinnung von Seiteneinsteigern. Sie müssen über ein Hochschulstudium verfügen, das mit einem Mastergrad oder einem vergleichbaren Abschluß beendet worden ist und das einen inhaltlichen Bezug zu einem Unterrichtsfach des entsprechenden Lehramts aufweist. Notwendig sind auch eine pädagogische Zusatz-Qualifikation und eine mindestens fünfjährige Tätigkeit an einer öffentlichen oder privaten Schule.
Zwischen September 2012 und Juni 2013 wurden an den beruflichen Schulen 17 Seiteneinsteiger eingestellt (
Drucksache 6/1890). Des weiteren ist geplant, pädagogisch geeignete Fachkräfte aus der Wirtschaft für den Vertretungsunterricht zu gewinnen. Für über 200 Lehrkräfte soll es in den kommenden Jahren eine Qualifizierungs-Offensive geben.
Zum Schuljahr 2013/14 wurden an beruflichen Schulen zudem 30 Stellen (Stand: 24. Mai 2013) ausgeschrieben. Experten zufolge müßten pro Jahr allerdings zwischen 50 und 80 Pädagogen ersetzt werden.
Die Ausbildung von Berufsschullehrern ist allem Anschein nach aus dem Dornröschen-Schlaf erwacht. Zu hoffen bleibt in diesem Zusammenhang, daß die Landesregierung im Hinblick auf ihre Prognosen zu den Bedarfs- und den Überhangfächern im grünen Bereich liegt.
Denn Schwachstellen können sich die Verantwortlichen auf dem so wichtigen Gebiet der Berufsschullehrer(-Ausbildung) schon im Hinblick auf den immer wieder gern zitierten Fachkräftemangel nicht mehr leisten!