Ermahnungen, Ordnungsrufe, Rausschmiß: Kreistagspräsident Stieber (SPD) zog alle Register. Nach einer Serie von Ordnungsmaßnahmen wurden zum Ende der Kreistagssitzung Mecklenburgische Seenplatte der NPD-Fraktionsvorsitzende Hannes Welchar und kurz darauf das NPD-Kreistagsmitglied Norman Runge des Saales verwiesen. Mit ihrem Fraktionskollegen Jens Blasewitz kassierten die Nationalen 7 Ordnungsrufe an diesem Abend.
Ein Kreistag wird zur Spielwiese übellauniger Landtagsabgeordneter, und ein Kreistagspräsident versucht sich in der Rolle der Sitzungsleitung, ähnlich seiner Genossin, der Landtagspräsidentin Sylvia Brettschneider, die auch Mitglied im Kreistag Mecklenburgische Seenplatte ist.
Scheinbar kontrolliert und sachlich, wie gewohnt, möchte man meinen, überschaute der ergraute Kreistagspräsident des größten Landkreis Deutschlands die Geschicke von der Bühne des Präsidiums. Sichtlich angespannt und aufgeregt wirkt der Neubrandenburger SPD-Mann dagegen, wenn Mitglieder der NPD-Fraktion zum Podium schreiten. Das Mikrofon fest umschlungen und den Kugelschreiber in die Hand gequetscht. Immer nah am Geschehen, sollten die Nationalen nicht „politisch korrekt“ reden.
Daß Stieber so nervös war, dürfte wohl auch damit zu tun gehabt haben, daß ihn seine Genossin Sylvia Brettschneider fest im Blick hatte. Nach dem verbalen Seitenhieb des Mirower FDP-Bürgermeisters Karlo Schmettau gegen die verkorkste Rede des Fraktionsvorsitzenden der Sozialdemokraten, Michael Löffler, zum Haushaltsentwurf 2014 hielt es die Landtagspräsidentin nicht mehr auf ihrem Stuhl. Sie forderte ein Einschreiten des Kreistagspräsidenten und maßregelte ihren Genossen Stieber und die weiteren Präsidiumsmitglieder vor allen Anwesenden wie Schuljungen. Umgekehrte Szenen kennt man sonst nur aus dem Landtag, aber Kreistag und Landtag kann man ja auch schon mal verwechseln.
Asylanten ≠ Asylbewerber!
Das führte dann auch dazu, daß Stieber den Rednern der NPD-Fraktion Welchar und Runge für die Begriffe „Asylanten“ und „Asylflut“ Ordnungsrufe erteilte. Doch warum? Was ist denn überhaupt ein Asylant? Der Duden hat dazu eine einfache Definition parat. Es handelt sich um jemanden, der um Asyl nachsucht; jemand, der Asyl beansprucht. Ein bedeutungsgleiches Wort dazu wäre der Emigrant, also der Auswanderer. Und wer oder was ist nun ein Asylbewerber? Nach dem Duden ist es zwar auch jemand, der um Asyl nachsucht. Hingegen wäre das bedeutungsgleiche Wort dazu Flüchtling. Personen, die aus politischen, religiösen, wirtschaftlichen oder ethnischen Gründen ihre Heimat eilig verlassen haben oder verlassen mussten und dabei ihren Besitz zurückgelassen haben, heißt es im Duden dazu weiter.
Beide NPD-Redner gingen in ihren Ausführungen auf die Asylanten ein, jenen Personenkreis, der also eben nicht zu den lediglich ca. 2% derer gehört, die überhaupt in der Bundesrepublik Deutschland Asyl bekommen, sondern den Personenkreis, der als Wirtschaftsflüchtlinge in die Bundesrepublik strömt und letztlich sich auf der sozialen Hängematte ausruhen will. Sie sind somit nichts anderes als Auswanderer, die ihr Heil in einer neuen Heimat suchen. Von politischer Verfolgung kann also bei um die 98% der abgelehnten Asylbewerber keine Rede sein.
Vorder- oder Hintermecklenburger?
Mit der Bezeichnung „Mecklenburger und Pommern“ brachten die NPD-Redner das Faß zum Überlaufen. Es hagelte die nächsten Ordnungsrufe, weil das Kreistagspräsidium völlig fassungslos war, als von Pommern und nicht von Vorpommern gesprochen wurde. Dabei ist es nach Auffassung der NPD völlig richtig, die Bürger in Vorpommern als Pommern und in Mecklenburg als Mecklenburger zu bezeichnen. Schließlich stellt das heutige deutsche Vorpommern nur einen Teil des ehemaligen Pommern da. Nur aufgrund der Teilung zwischen Deutschland und Polen ändert sich nach Ansicht der NPD in der Bezeichnung der Bürger dieses Teilgebiets Deutschlands nichts. Von Vorder- oder Hintermecklenburgern würde heute niemand auf die Idee kommen zu sprechen.
Gegen Volk und Nation
Neutrale Beobachter der Kreistagssitzung konnten am Ende wohl nur noch mit dem Kopf schütteln. Der Führungsstill des Kreistagspräsidenten Stiebers an diesem Abend war unterirdisch. Er verpasste dem stellvertretenden NPD-Fraktionsvorsitzenden Jens Blasewitz einem Ordnungsruf, weil dieser die Worte Volk und Nation verwendet hatte. Bleibt abzuwarten, wann die ersten Kreistagsmitglieder ihre Haare färben müssen, denn blond, das geht mal gar nicht.
zurück
|
drucken
Erstellt am Donnerstag, 05. Dezember 2013