Geplantes Freihandelsabkommen: Verbraucherschutz, das war einmal?

Während führende Politiker es lobpreisen, mehren sich die mahnenden Stimmen: Das geplante Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU werde auch und gerade Deutschland eher zum Nachteil gereichen.

Es gehört wohl zu den hervorstechendsten Merkmalen der einstigen FDJ-Sekretärin Angela Merkel: Die jeweils in einem System benötigte Phraseologie beherrscht sie aus dem Effeff. So auch im Juni während eines Treffens mit US-Präsident Obama in Berlin, als unter anderem über das geplante „Transatlantische Handels- und Investitionsabkommen“ (TTIP) zwischen den USA und der EU gesprochen wurde.

„Mit voller Kraft“ – aber wohin?

„Ich freue mich sehr, daß wir die Eröffnung der Verhandlungen beschließen konnten. Und ich will für die deutsche Seite sagen, daß wir uns mit voller Kraft dafür einsetzen werden. Weil über die Tatsache hinaus, daß die Volkswirtschaften beiderseits des Atlantik gewinnen werden aus diesem Abkommen, und zwar beiderseits, wäre es auch ein Bekenntnis zu einer globalen Welt, in der gemeinsame Werte und auch gemeinsame wirtschaftliche Aktivitäten sich besser gestalten lassen. Und deshalb liegt mir persönlich sehr viel an diesem Freihandelsabkommen.“   

Soweit die Bundeskanzlerin seinerzeit auf der Pressekonferenz. Eröffnet wurden die Verhandlungen zur „transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft“ auf dem G-8-Gipfel in Loughe Erne (Nordirland). Ziel ist die Abschaffung von Handelsbarrieren wie Zöllen. Tarife sollen standardisiert, der Kauf und Verkauf von Gütern erleichtert werden.  

Bertelsmann-Stiftung: Einbußen für deutsche (Export-)Wirtschaft

Die Gespräche werden momentan weitgehend unter Ausschluß der Öffentlichkeit und selbst der Parlamente geführt. Ihren Optimismus speisen Merkel und Obama  aus einer von der EU in Auftrag gegebenen Studie. Demnach würden die Einkommen je EU-Bürger im Schnitt um 545 Euro pro Jahr wachsen, die der US-Bürger sogar um 655 Euro.  

Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung dämpft die allzu hohen Erwartungen hingegen sehr kräftig. Zwar würde der deutsch-amerikanische Export leicht ansteigen, wobei das jeweilige Handelsvolumen von 2010 zugrunde gelegt wird. Doch träfe auf das Handelsvolumen der deutschen Ausfuhren nach Großbritannien das genaue Gegenteil zu. Denn rechnet man die geringeren natürlichen Handelsbarrieren wie Kultur und Sprache mit ein, würde der Handel zwischen London und Washington kräftig anziehen, wogegen für den deutschen Export in Richtung Großbritannien ein Absturz um mehr als 40 Prozent vorhergesagt wird. Überhaupt werden - bezogen auf den innereuropäischen Handel - fast nur Verluste für die deutsche Wirtschaft prognostiziert.

Verlust der klassischen europäischen Handelspartner

Zu ähnlichen Ergebnissen kommt das renommierte Münchner ifo-Institut. Länder wie Frankreich oder Spanien könnten demzufolge vom Freihandelsabkommen profitieren, weil sie die Möglichkeit erhielten, teure Einfuhren aus dem Norden durch preiswertere aus den USA zu ersetzen. Dort kann die Industrie wegen günstiger Strompreise als Folge des Frackings immer billiger produzieren.
Auch würde die BRD ihre klassischen (europäischen) Handelspartner zugunsten der USA verlieren. „Unberücksichtigt“, so Autorin Rebecca Bellano in der Preußischen Allgemeinen (29.6.2013), „bleibt jedoch, daß andere Länder die neue Freihandelszone als Affront gegen sich betrachten könnten und im Gegenzug ihre Märkte dichtmachen könnten, so daß hier Umsatzverluste die Folge wären.“

Genmais und Chlorhuhn nach Europa?

Umweltverbände befürchten auf dem Gebiet des Verbraucherschutzes einen gewaltigen Rückschritt, was nicht von ungefähr kommt. Könnten doch bei Abschluß des Abkommens beispielsweise Genmais oder chlorbehandeltes Hühnchenfleisch nach Europa gelangen.  

Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft e. V. erwartet eine „Angleichung“ der Standards für Lebensmittel zulasten der meist höheren europäischen Standards. „Dies betrifft Kennzeichnungs-Regelungen, die Behandlungen von Nutztieren mit Wachstumshormonen (in den USA als gängige Masthilfe eingesetzt, z. B. bei Rindern) oder aber das Inverkehrbringen von Lebensmitteln aus geklonten Tieren …“, heißt es in einer Stellungnahme der AbL vom 17. Juni dieses Jahres. Beim Saatgutrecht ist deutschen Bauern derzeit noch der Nachbau von selbsterzeugtem Getreide erlaubt, wogegen für die USA hier bereits ein Verbot gilt.  

NPD für Regionalisierung der Lebensmittel-Wirtschaft

Die NPD wendet sich strikt gegen das geplante Freihandelsabkommen, weil mit ihm die Handlungsfähigkeit der Völker und Staaten weiter unterminiert werden würde. Letzte Schutzmechanismen wie Einfuhrzölle und die relativ weit entwickelten Standards für den Verbraucherschutz würden ebenso wie die noch bestehenden letzten Sozialstandards ausgehöhlt werden. Gewinner wären wieder einmal die die international agierenden Konzernriesen. Der Bürger stünde erneut auf der Verliererseite.

Frank Waguscheit ist vollkommen beizupflichten, wenn er in der Wochenzeitung Der Schlesier (2./9.8. 2013) feststellt: „Pferdefleischskandale und Schlimmeres wären in der großen transatlantischen Freihandelszone künftig an der Tagesordnung, weil die Staaten über keinerlei Kontrollbefugnisse mehr verfügen würden. Verbraucherschutz – das war einmal.“

Das geplante Super-Abkommen bietet überdies den Anlaß, sich nachdrücklich für eine regionale Lebensmittel-Wirtschaft (mit möglichst vielen bäuerlichen Existenzen als Grundlage) einzusetzen, die Transportwege spart und Kontrollkosten minimiert. Ganz zu schweigen von der größeren Nähe (= Vertrauen) zwischen Produzenten und Konsumenten.
zurück | drucken Erstellt am Donnerstag, 05. September 2013