Wenn man in einem bestimmten Milieu Karriere machen will, sollte man die richtigen Sprüche auf den Lippen haben. Daran mangelte es bei Stefan Rochow nicht, so lange er sich in der nationalen Bewegung tummelte. Eher schon an der Qualität und Intensität seiner Arbeit, weshalb ihn die NPD-Fraktion im Schweriner Landtag auch nachdrücklich aufforderte, seine Sachen zu packen und zu verschwinden. Um das klarzustellen: Seine Darstellung, er habe aus edlen Gewissensgründen seine Anstellung aufgegeben, entspricht nicht der Wahrheit. Man warf ihn schlicht und einfach raus. Eine neue Karriere mußte her. Und in dieser Situation fiel Rochow etwas richtig Schlaues ein.
Die katholische Kirche ist reich. Sie gebietet über ein riesiges Heer von Arbeitskräften. Ein gut bezahlter Job ist dort durchaus abzustauben, wenn man es richtig anfängt und sich auf die katholische Mentalität einzustellen weiß. Im Gegensatz zu den eher zur Selbstgerechtigkeit neigenden Protestanten haben die Katholiken nämlich eine echte Schwäche für bekehrte Sünder. Je schlimmer einer früher gewesen war, desto spektakulärer seine Bekehrung und desto größer später die Anerkennung, die bis zur Heiligsprechung reichen kann.
Also spielt Rochow jetzt allen Ernstes eine klassische mittelalterliche Heiligenlegende nach.
In seinem Bekenntnisbuch, das den Titel "Gesucht, Geirrt, Gefunden" trägt, stellt er sich als eine Art heiliger Paulus für ganz Arme vor. Die üblichen Elemente einer solchen Story sind:
Sünderleben, Bekehrung, Belohnung. Schauen wir mal, wie Rochow da im Vergleich zu anderen Heiligen da steht.
Der heilige Franz von Assisi verbrachte seine Jugend als verlotterter Playboy mit allem, was dazu gehörte. Wein, Weib, Gesang, bis der Arzt kam, und das alles auf Kosten seines reichen Vaters. Dem stand der heilige Augustinus nicht nach. In seinem Werk "Bekenntnisse" , das Rochow wohl nachzuahmen versucht, schilderte er sein Partylöwendasein als junger Mann in allen den gemeinen braven Kirchgänger bis ins Mark erschütternden Einzelheiten. Kaiser Konstantin, der gefeierte "Vater des christlichen Abendlandes", regierte auf dem moralischen Niveau Neros, den einen oder anderen kleinen Verwandtenmord inklusive. Der heilige Paulus schließlich, vormals Saulus, hatte sich sogar hauptberuflich auf das Jagen und Töten von Christen spezialisiert.
Und jetzt Rochow. Zitieren wir aus seinem Buch:
"Gewalt und Einschüchterung prägten das Bild in unserem Viertel. Wir lungerten in der Gegend herum- vorzugsweise in Hausfluren. Wir terrorisierten die Anwohner."...
"Wehrte sich ein Bewohner, kam es nicht selten vor, daß wir ihn mit Fäusten und Stiefeln traktierten, manchmal krankenhausreif. Es ist ein kleines Wunder, das nie jemand zu Tode getreten wurde. Wir haben es mit unserem Auftreten in Kauf genommen. Wirklich klar waren wir uns darüber nicht. Wir waren die Könige im Viertel und keiner konnte uns Paroli bieten."
( Seiten 58,59).
Wow! Das hätte ihm gar keiner zugetraut, der ihn jemals gesehen hat. Stefan Rochow, King of Terror! Franz und Augustinus, diese langweiligen Partygänger, wären damit schon einmal aus dem Rennen. Aber weiter im Text:
"Besonders Punks, Linke und Ausländer lebten in unserem Viertel gefährlich." (Seite 59)
"Wir treffen uns, um gemeinsam das städtische Asylantenheim oder das von Punks besetzte Haus in der Stadt anzugreifen. Fast jedes Wochenende kommt es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen und Straßenkämpfen." (S.67)
"Unsere Wut auf die Asylbewerber ist unbeschreiblich groß. Es kommt, wie es kommen muß.
In der Halbzeit gehen wir zum Angriff über. Steine fliegen, Kinder und Frauen suchen Deckung im Haus, während die Männer verzweifelt versuchen, sich gegen uns zur Wehr zu setzen. Es kommt zu einer Straßenschlacht. Der Polizei gelingt es nur mit großer Not, uns zurückzudrängen. Die Asylbewerber verlassen aus Angst noch in der Nacht die Stadt." ( S.68)
"Am Abend ziehen wir vor das örtliche Studentenwohnheim, Scheiben werden eingeschmissen, Autos brennen und Studenten werden durch die Strassen gejagt. (S.68)
Komisch, daß sich keiner von denen, die in den 90èr Jahren in Greifswald lebten, an solche Szenen erinnern kann, ganz zu schweigen von einem knallharten Gewalttäter Rochow.
Wenn man das so liest, wundert man sich, daß er nicht auch noch gleich den NSU gegründet hat. War das nun sein ganzes Sündenregister? Oh nein! Eine Steigerung ist immer drin. Und was ist schlimmer als das Jagen von Asylanten und Studenten?
Ganz genau: "Ein ganzes Paket "Remer-Depeschen" bestelle ich und verteile diese zusammen mit meinem Bruder in die Briefkästen der Stadt. Der Kampf gegen die Holocaustlüge ist meine erste politische Aktion." (S.76)
Glücklicherweise ist all dies schon verjährt. So vorsichtig ist Rochow bei aller zur Schau getragenen Bußfertigkeit schon, um zu sagen:" Nicht im juristischen Sinn bin ich schuldig geworden, wohl aber im ethischen Sinn." (S. 135)
Ob die anderen Heiligen auch so berechnend waren?
Umgebracht hat Rochow zwar keinen, was ihn hinter Paulus und Konstantin zurückwirft. Aber er war verdammt nah dran. Holocaustleugnung!
Um seine große Wandlung vom Nazi-Saulus zum Aussteigerpaulus glaubhaft zu verkaufen, benötigte er unbedingt ein anständiges Bekehrungserlebnis.
Denn: "Der Leser wird fragen, warum ich diese Ideen mitgetragen habe und darüber hinaus Menschen mit solchen Ansichten infiziert habe. Die Antwort ist einfach und erschreckend zugleich. Ich war in diesem Punkt gedankenlos und habe die Folgen nicht wirklich durchdacht." (S.143)
O Herr, laß Hirn vom Himmel regnen, hätte er da beten können.
Womit wurde er nun erleuchtet und auf den rechten Weg zurückgeführt?
Zum heiligen Franz sprach Christus persönlich: "Franziskus, geh und baue mein Haus wieder auf, das, wie Du siehst, ganz und gar in Verfall gerät ", sagte er im Hinblick auf eine Kirchenruine, an deren Wiederaufbau sich Franz sogleich machte.
Auch Augustinus wurde von Gott angesprochen. Er sollte eine bestimmte Bibelstelle lesen und dann gefälligst sein Leben ändern, und zwar gründlich. Konstantin erschien ein Kreuz am Himmel zusammen mit der Losung: "In diesem Zeichen wirst Du siegen." Paulus wurde sogar von einem blendenden Licht vom Pferd geworfen, und Jesus fragte ihn: "Saulus, Saulus, warum verfolgst Du mich."
Das sind Geschichten, die sich zumindest eindrucksvoll anhören. Und hier vergeigt es Rochow. Denn sein Bekehrungserlebnis besteht darin, daß er sich eines schönen Ostersonntags im Jahre 2005 durch die Fernsehprogramme zappte und dabei den Papst sah.
Den hatte er früher wegen seiner Herkunft und Reiselust gerne als "polnische Flugente" tituliert. (S. 174). Aber auf ein Mal war er unglaublich beeindruckt von dem Mann, obwohl der zu diesem Zeitpunkt schon seit 26 Jahren im Amt und Stammgast in allen TV-Programmen gewesen war. Anschließend will Rochow noch ein paar Bücher vom nächsten Papst gelesen haben, und das sei der Grund dafür gewesen, daß er plötzlich alles ganz anders sah. Das hinderte ihn zwar nicht daran, ein Jahr später einen bezahlten Job bei der NPD-Fraktion in Schwerin anzunehmen und auch ein weiteres Jahr lang auszuüben, aber egal: So wie Saulus hatte ihn ein blendendes Licht, wenn auch aus dem Fernseher, zu einem neuen, den Faschismus verabscheuenden Menschen gemacht.
Dafür erwartet er sicher eine Belohnung. Franziskus wurde heilig gesprochen und Gründer eines neuen Ordens, Augustinus brachte es zum Bischof, Konstantin wird von der orthodoxen Kirche als Heiliger verehrt, und Paulus gilt gar als zweiter Begründer des Christentums.
Da muß doch auch für Rochow etwas drin sein!
Aber: "Eine Perspektive in der Gesellschaft eröffnet sich für mich nicht."( S.200).
"Ich erlebe in den nächsten Monaten jedenfalls fast ausschließlich nur Ablehnung .....
"Meine Bewerbungen sind fruchtlos....."
"Eine Chance bekomme ich nicht" ( S. 201)
Gegen Ende des Buches gerät Rochow ins Jammern, ja sogar ins Betteln.
"Meine Sünden haben nicht ewig Bestand, auch wenn der eine oder andere Zeitgenosse hier ganz anderer Meinung sein sollte" (S.222), hofft er, daher plädiert er auch für eine "Kultur des Verzeihens und Erbarmens". (S.221)
Sein Kumpel Molau stimmt im Nachwort in das Klagelied ein. Leider, leider gäbe es zwar zahlreiche Aussteigerprogramme, aber wenig Einstiegsmöglichkeiten.
Nun, Rochow hat jetzt immerhin einen Verleger gefunden. Wenn er sich weiter so tüchtig an die Kirche heranschmeißt, wird es ja vielleicht doch noch etwas mit der Karriere.
Doch Vorsicht. Auch Katholiken erwarten Arbeitsqualität und Arbeitsintensität!
Daran ist es bei Rochow ja schon einmal gescheitert.