Monsterkreise – lange Fahrten, kaum noch Zeit

Zu den hervorstechendsten Merkmalen heutiger Minus-Politik gehört ein Handeln, dessen Akteure die Folgen ihres Tuns kaum noch oder gar nicht mehr abschätzen. Ein Beispiel ist die vor knapp zwei Jahren durchgedrückte Kreisgebietsreform. Die ersten Abgeordneten gaben ihr Mandat wegen der weiten Anfahrtswege zurück.  

Die teils sehr langen Anfahrten zu den Sitzungen der neuen Kreistage „sind ein großes Problem“, wie Jan Peter Schröder, Geschäftsführer des Landkreistages MV, kürzlich laut Ostsee-Zeitung erklärte. Vor allem Freiberufler, die sich in den Ausschüssen ehrenamtlich engagieren, scheuten die weiten Entfernungen. „Handwerker und Bauern können es sich nicht leisten, so lange von ihrer Arbeit fernzubleiben.“ Irgendwann, so Schröder, dürfte der gewünschte Bevölkerungsquerschnitt in den Gremien fehlen, weil es sich dann fast nur noch Berufspolitiker leisten könnten, an den Sitzungen teilzunehmen.

Im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte, mit weit über 5.000 Quadratkilometern doppelt so groß wie das Saarland, gab es bislang acht Mandatsniederlegungen. Bei 77 Kreistagsmitgliedern macht das rund zehn Prozent! Der Kreistag Vorpommern-Rügen war unlängst gezwungen, sich mit 16 (!) Nachbesetzungen für verschiedene Ausschüsse zu beschäftigen. In Vorpommern-Greifswald wurden seit September 2011 immerhin 13 Wechsel bei den Ausschuß-Mitgliedern vollzogen; 14 waren es bei den Stellvertretern. 

An mahnenden Stimmen hat es nicht gefehlt

Doch auch auf anderen Gebieten werden die Folgen der Reduzierung auf sechs Monster-Landkreise überaus deutlich. Alte traditionsreiche Kreisstädte veröden (siehe dazu). Kommunen können überdies für Verbindlichkeiten der Alt-Kreise zur Kasse gebeten werden.

Erinnern wir uns: Fünf der bis zum Sommer 2011 existierenden zwölf Kreise sowie zwei von damals sechs kreisfreien Städten hatten gegen das Reformprojekt der rot-schwarzen Regierung Klage beim Landesverfassungsgericht in Greifswald eingereicht (und bekanntlich verloren). Die Argumente der Kläger waren allerdings die schlechtesten nicht. Ihrer Auffassung zufolge verstießen die XXL-Kreise, mit denen wir uns jetzt konfrontiert sehen, gegen das Prinzip der Überschaubarkeit. Auch würde es Selbständigen und Freiberuflern aufgrund der teilweise sehr langen Fahrtwege immer schwerer fallen, ein Mandat vollumfänglich auszufüllen.   

Einer Forsa-Umfrage lehnten im Sommer 2011 nahezu 70 Prozent der Landsleute das Reformvorhaben ab – wieder einmal traten die Herrschenden Volkes Willen mit Füßen, wobei sowohl etablierte Politik als auch Richter alle wohlbegründeten Warnungen mit typischer Arroganz in den Wind geschlagen haben.

Kleine Kreise = Bürgernähe
 
Wichtig wäre jetzt eine Rückkehr zu den alten Strukturen, zumal kleinere Kreise auch mehr Bürgernähe bedeuten. Auch würde es den Mandatsträgern so leichter fallen, über Bauvorhaben, Zuschüsse, etc. möglichst gründlich durchdachte Entscheidungen zu fällen.

Aber wie sagte Egon Olsen in den dänischen Gaunerkomödien um die Olsen-Bande so schön, wenn bei den Coups etwas aus dem Ruder lief? „Bin ich denn nur von Hohlköpfen, Piesepampeln und lausigen Amateuren umgeben?“ Auf die „Macher“ der letzten Kreisgebietsreform trifft diese Bemerkung ohne weiteres zu.
zurück | drucken Erstellt am Mittwoch, 27. Februar 2013