Wie ein Parteiverbot zur Lachnummer wird

Nehmen wir einmal an, trotz aller V-Mann-Affären und entgegen der Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte würde es den Etablierten tatsächlich gelingen, ein NPD-Verbot durchzusetzen.

Dann könnte der Tag nach dem Parteiverbot so aussehen:

Der Ferdinandshofer Gemeindevertreter Tino Müller geht ganz normal zur Sitzung seines Stadtparlaments. Anschließend verteilt er Flugblätter, in denen er den Bürgern seine Politik erläutert. Und weil ihm das noch nicht reicht, meldet er eine Demonstration gegen Kinderschänder an.

In Anklam schlendert der Stadtvertreter Michael Andrejewski ebenfalls zur Sitzung. Am Vormittag hat er bereits eine Hartz-IV-Beratung in dem Gebäude an der Pasewalker Straße durchgeführt, in dem sich seine Rechtsanwaltskanzlei befindet. Auch er verteilt Flugblätter und meldet eine Kundgebung gegen Hartz-IV-Unrecht an.

Trotz Parteiverbots. Geht das? Klar geht das.
 
Nach BRD-Recht, dem der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte allerdings sehr kritisch gegenübersteht, fallen die Mandate einer verbotenen Partei weg, aber nur, wenn sie auch über Listen dieser Partei errungen wurden. Praktischerweise finden die nächsten Kommunalwahlen schon im Juni 2014 statt. Was liegt also näher, als in ausgewählten Gemeinden nicht als NPD, sondern als Wählergemeinschaft oder, wenn man ganz sicher gehen will, mit Einzelkandidaten anzutreten. Diese dürfen trotz Verbots ihre Mandate behalten.
 
Die Gretchenfrage lautet: Würden sie ungeachtet eines laufenden Verbotsverfahrens oder gar eines bereits ausgesprochenen Verbots gewählt werden? Wie würden ihre Wähler auf ein Parteiverbot reagieren? Eingeschüchtert und folgsam, wie es sich Figuren wie Caffier und Sellering wünschen? Oder trotzig und mit einer „Jetzt erst recht!“-Einstellung?
 
Wahrscheinlicher ist Letzteres. NPD-Wähler sind ohnehin Totalverweigerer der herrschenden Politik. NPD wählen ist das Gleiche wie das Stellen eines Ausreiseantrages aus der DDR, eine Unabhängigkeitserklärung vom System.
 
Sollten insbesondere die Landtagsabgeordneten alle in ihre Gemeindeparlamente wiedergewählt werden, wäre das eine Verhöhnung des Parteiverbots und aller etablierten Politiker. Eine Verhöhnung, die mit jeder Gemeindevertretersitzung aufs Neue statt fände.
 
Was die Parteiverbotsfetischisten in ihrer primitiven Trophäenjägermentalität nicht beachten ist: Aus einem Parteiverbot folgt kein politisches Betätigungsverbot. Verboten ist nur, die Parteiarbeit fortzusetzen. Das ist aber gar nicht nötig, weil wir, anders als Caffier wohl glaubt, nicht mehr in den 50er Jahren leben.

Man darf zu Wahlen antreten, Flugblätter verteilen, Hartz-IV-Beratung machen und Demonstrationen anmelden. All dies kann ein einzelner mit den Mitteln tun, die uns die heutige Zeit bietet. Mit einem Computer kann er ein Flugblatt in guter Qualität entwerfen. Mit einem handelsüblichen Drucker kann er leicht Tausende davon produzieren oder sich welche bei einem der unzähligen Anbieter bestellen. Mit einer Facebookseite ist er sein eigenes Massenmedium. Direkter Kontakt zu anderen ehemaligen NPD-Mitgliedern wäre gar nicht notwendig, erst recht kein organisatorischer Zusammenhalt. Jeder kann im Internet lesen, was die anderen gerade machen.

Die Immobilien, die sich im Privatbesitz nationaler Bürger befinden, werden von einem Parteiverbot nicht berührt. Gleiches gilt für die Zulassung von Rechtsanwälten. Damit wird das Parteiverbot zur Lachnummer. Am gefährlichsten für das System sind Regionen, die aus dem BRD-Konsens herausfallen oder gar offen gegen ihn rebellieren. Stadtvertreter, die dank ihrer  jahrelangen kontinuierlichen Arbeit trotz eines Parteiverbotsverfahrens wiedergewählt werden und einfach unbeeindruckt weitermachen, würden diese Entwicklung noch verstärken. Mit Martyrerstatus und dennoch aktiv. Dagegen kann das System gar nichts machen.
zurück | drucken Erstellt am Montag, 19. November 2012