Vor 15 Jahren: Rostocks Hafen verscherbelt

Komplett verkauft wurde jüngst die Seehafen Rostock Umschlagsgesellschaft (SHR-U) an die Luxemburger Hafen-Holding „Euroports“. Diese hielt bislang die Hälfte der Anteile. 1997 erfolgte die Hafen-Privatisierung, die von weiten Teilen der Bürgerschaft durchgewunken wurde. Käufer war seinerzeit die eigens für den „Deal“ gegründete „Kent-Gruppe“.
 
Der damalige Präsident des Landesrechnungshofes M/V meldete in einem vertraulichen Schreiben an OB Arno Pöker (SPD) und das Innenministerium schon im Vorfeld des Verkaufs „starke juristische Bedenken“ an. Ein Vorwurf: Der „Kent-Gruppe“ seien „sehr einseitige Garantien“ gegeben worden, derweil die Risiken des Verkaufs nahezu ausschließlich bei der Stadt liegen würden. Auch sei „die Schere zwischen dem Substanzwert der Umschlagsgesellschaft“ in Höhe von immerhin 70 Millionen Mark und dem vorgesehenen Kaufpreis von lediglich 19 Millionen viel zu groß. Der Spiegel (Ausgabe 28/1997) berichtete seinerzeit unter der Überschrift „Schnäppchen in Rostock“. Die Ausschreibung war übrigens nichtöffentlich …  
 
Eine Groteske aus dem Tollhaus
 
Im Juli 1997 stimmte die Bürgerschaft dem Verkauf an die Kent Investment Holding Ltd., bestehend aus den Geschäftsleuten Lord Young of Graffham (Großbritannien), Menachem Atzmon (Israel) und Ezra Harel (USA), dann zu. Im Ostpreußenblatt (09.12.2000) hieß es rückschauend darüber: „Die Geschichte klang von Anfang an wie eine Groteske aus dem Tollhaus: Die Stadt Rostock verkaufte … ihren Hafen, der ihr seit dem Mittelalter Ruhm und Wohlstand beschert hatte, unter dubiosen Umständen an eine auf den Marshall-Inseln registrierte Investment-Gesellschaft. Rostocks Oberbürgermeister Arno Pöker (SPD) und die Funktionäre der ÖTV (eine Gewerkschaft! – d. Red.) versicherten den ungläubigen Hafenarbeitern nach dem Verkauf der ,Seehafenumschlagsgesellschaft’: Alles wird gut.“
 
Industriepark? Nur heiße Luft!
 
Die Kent-Gruppe verpflichtete sich, innerhalb von eineinhalb Jahren mehrere Unternehmen im Hafen anzusiedeln. Heraus kam letztlich nur eine gehörige Portion heißer Luft. Ein einziges Unternehmen, eine Wellpappenfabrik, deren Aufbau natürlich mit Fördergeld vom Land unterstützt wurde, stand auf der Habenseite der großsprecherisch auftretenden „Investoren“.
 
Angesichts des Schnäppchens stellte sich unter anderem für das Ostpreußenblatt die eine oder andere Frage: „Warum das Engagement dieser internationalen Kaufleute? Und warum gerade Rostock? Leider untersucht derzeit kein Staatsanwalt die Frage, aus welchem politisch-strategischen Interesse die britische Briefkastenfirma auf den Marshall-Inseln den Rostocker Hafen erworben hat.“  
 
Immerhin räumte ein Gutachten von Anfang 2000 der Stadt die Möglichkeit ein, Schadenersatzansprüche zu stellen bzw. die Rückabwicklung des Verkaufs in die Wege zu leiten. Entsprechende Reaktionen folgten allerdings nicht. Schließlich kaufte „Euroports“ die Hälfte der SHR-U-Anteile.
 
Rückkauf: NPD-Bürgerschaftsabgeordneter reichte Anfrage ein
 
Anfang 2012 trat Roland Methling (mitten im OB-Wahlkampf) mit der Überlegung an die Öffentlichkeit, Möglichkeiten zu einer Re-Kommunalisierung der SHR-U auszuloten. Offen bleibt vorerst, wie Rostock die Summe für einen Rückkauf aufbringen könnte. Andererseits handelt es sich um einen Bereich der Daseinsvorsorge.
 
Der NPD-Bürgerschaftsabgeordnete Thomas Jäger hat deshalb jetzt eine Anfrage eingerecht, in der er sich nach Plänen für einen eventuellen, schrittweisen Rückkauf des Filetstücks erkundigt. 
zurück | drucken Erstellt am Mittwoch, 08. August 2012