Werften: Nationale Interessen und EU-Bürokratie

Schiffbau, Reparaturen, Offshore-Industrie: Mit deutschen Fachleuten wird im zentralasiatischen Turkmenistan eine Werft aus dem Boden gestampft. Währenddessen droht hierzulande selbst Betrieben, die sich auf die Reparatur von Schiffen spezialisiert haben, ein heftiger Schlag ins Genick.
 
Zwei Rostocker Unternehmen zogen einen dicken Fisch an Land. In Turkmenistan  planen und überwachen sie den Bau einer Werft, die äußerst breit aufgestellt sein wird. „Das Besondere daran ist: Erstmals betreuen wir so ein Projekt von der grünen Wiese bis zur Schlüsselübergabe“, sagte der Projektleiter einer der Firmen den Norddeutschen Neuesten Nachrichten.
 
Turkmenistan: Neue Werft entsteht
 
Errichtet werden soll der Betrieb am Rande des Seehafens Turkmenbaschi am Kaspischen Meer. Besteller für den millionenschweren Auftrag ist der staatliche Dienst für den See- und Binnenschiffsverkehr des zentralasiatischen Staates. Das Investitionsvolumen beläuft sich auf 240 Millionen Euro. Bis zu 2.000 Beschäftigte sollen später auf der Werft arbeiten; der Startschuß fällt in drei Jahren.  
 
Weiter beachtenswert: Bislang wurden Reparaturen und Durchsicht aller turkmenischen Schiffe im Ausland durchgeführt. Auch dieser Bereich wird mit dem Bau der Werft in Turkmenbaschi abgedeckt werden, womit einmal mehr bewiesen ist, mit welcher Selbstverständlichkeit andere Staaten zuzupacken verstehen, wenn es ihre eigenen Interessen erfordern.
 
Bundesrepublik: Kurzarbeit droht auf Reparatur-Werften
 
Derweil verzweifeln hierzulande selbst Betriebe, die Schiffe „nur“ instandsetzen, an der EU-Bürokratie. Wie regionale Medien berichten, versäumte das Marinearsenal in Wilhelmshaven, Reparatur-Aufträge für Schiffe der Bundeswehr europaweit auszuschreiben, eine Vorgabe, die seit August 2011 Gültigkeit hat.
 
Im April bemerkten Kontrolleure des Wehrtechnik-Bundesamtes die bislang fehlende Umstellung auf EU-Recht. In vorauseilendem Gehorsam gegenüber Brüssel wurden nunmehr alle laufenden Vergabe-Verfahren gestoppt. Die Folge: Tausenden Beschäftigten in insgesamt 15 Betrieben (darunter die Rostocker Tamsen-Werft sowie P+S Wolgast) droht monatelange Kurzarbeit.
 
Die SPD-Bundestagsabgeordnete Karin Evers-Meyer befürchtet laut Ostsee-Zeitung monatelange Reparatur-Staus, hält es aber für eher unwahrscheinlich, daß beispielsweise Rostocker Schnellboote bald zu Billigpreisen im Ausland durchgesehen und repariert werden. Schließlich hätten es andere Länder wie Frankreich geschafft, ihre Schiffe weiter im eigenen Land ausbessern zu lassen.  
 
Brüssel endlich den Rücken kehren!
 
Nun ja, Frau Evers-Meyer: Im Gegensatz zu uns schlafmützigen Deutschen nimmt Frankreich, wenn es drauf ankommt, wie selbstverständlich nationale Interessen wahr. Paris hat außerdem viel größeren Einfluß auf seine Werften, die als Schlüssel-Industrie betrachtet werden.  
 
Der „Fall Marinearsenal Wilhelmshaven“ verdeutlicht wieder einmal, wie sklavengleich sich die Verantwortlichen hierzulande den Vorgaben der EU-Bürokratie beugen. Für Deutschland ist es ohnehin an der Zeit, dem Brüsseler Monster den Rücken zu kehren. Dann werden auch große Projekte umgesetzt werden können – wie in Turkmenbaschi zum Beispiel.
zurück | drucken Erstellt am Freitag, 15. Juni 2012