Erneute Buchveröffentlichung zum Dauerbrenner „Rechtsextremismus in Ostdeutschland“

„Rechtsextremismus in Ostdeutschland – Demokratie und Rechtsextremismus im ländlichen Raum“ - so lautet der etwas sperrige Titel eines neuen Buches, das gestern Abend in der Landeszentrale für politische Bildung Mecklenburg-Vorpommern erstmals öffentlich präsentiert wurde. Bei dieser Buchvorstellung sollte es sich um das Ergebnis eines - wie es im Rahmen einer diesbezüglichen Pressemitteilung heißt - „mehrjährigen gemeinsamen Forschungsprojektes der Institute für Politikwissenschaft der Universität Greifswald und Rostock“ handeln, „das durch die Exzellenzinitiative des Landes Mecklenburg-Vorpommern gefördert wurde.“
 
Wer bei derartigen Vorabinformationen gleich eine weitere Märchenstunde von selbsternannten „Anti-Rechts-Experten“ vermutet hätte, sollte gestern recht behalten. In Anwesenheit der Autoren Prof. Dr. Hubertus Buchstein (Universität Greifswald), Dr. Gudrun Heinrich (Universität Rostock) und Dr. Dierk Borstel (Universität Greifswald und Bielefeld) und der Mitinitiatorin Tatiana Volkmann (Universität Greifswald) erlebten etwa 50 Gäste - u.a. der Staatssekretär Thomas Lenz und der Chef der Verfassungsschutzabteilung Reinhard Müller - eine Art Versuch, sich fundiert und wissenschaftlich nüchtern dem „Phänomen Rechtsextremismus“ zu nähern.
 
Inkognito unter „Rechtsextremen“
 
Den Beginn der Präsentation machte Professor Buchstein, der sich als graue Eminenz des mehrjährigen Forschungsprojektes vorstellte. Buchstein wies darauf hin, daß sich die Erkenntnisse, die sich im Buch über 500 Seiten erstrecken, aus Vorort-Recherchen ergeben, die in drei Regionen Mecklenburg und Pommerns durchgeführt wurden.
 
Quasi „inkognito“ sammelte u.a. Dierk Borstel in Anklam und Umgebung Informationen aus erster Quelle, in dem er sich dort mehrere Jahre (!) einquartierte. Angestellt als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Greifswald, referierte Herr Borstel dann auch in seinem Vortrag über seine Erfahrungen mit einem aus seiner Sicht „rechtsextremen“ Wohnnachbarn, mit dem, wie er zugab, er sich nicht politisch auseinandersetzte. Vielmehr sei bei derartiger Nähe der Umgang mit solchen Leuten besonders schwierig, da man erkennen mußte, daß „Rechtsextreme“ im Alltag doch recht patente Zeitgenossen sein können. Es sei, so Borstel, äußerst schwierig, die allgemeine Akzeptanz „rechten Gedankengutes“ zu durchbrechen, da „Rechtsextreme“ durch ihre sozialen und oft familiären Verflechtungen mit „rechtsextremen“ Kollegen, Bekannten etc. einen festen Rückhalt im Ort besitzen.
 
Hilflos gegen „Rechts“?
 
Tatiana Volkmann von der Philosophischen Fakultät der Universität Greifswald, die ebenfalls am Buch mitwirkte, machte ähnliche Erfahrungen in der pommerschen Gemeinde Ferdinandshof, in der sie ebenfalls für längere Zeit logierte. Hervorgehoben wurde, daß die Gemeinde einen Prozeß durch mache, der als typisch für viele Gemeinden in Mecklenburg und Pommern bezeichnet werden könne. Dort gelang es der NPD und „rechtsextreme“ Gruppierungen, in die Mitte der Gesellschaft zu rücken und sich der Umgang mit ihren Positionen weiterhin normalisiere.

Ähnlich wie Borstel in Anklam wurde bezüglich gezielter „rechtsextremer“ Aktionen, wie beispielsweise die NPD-Kampagne gegen Kinderschänder und mehr Kinderschutz, in Ferdinandshof besorgt darauf verwiesen, daß sich die Einheimischen derart stark mit den „Rechtsextremen“ solidarisierten, so daß die allgemeine Stimmung dort „leicht hätte kippen können.“
 
Zu guter letzt legte Dr. Gudrun Heinrich, die die Region um Lübtheen als Gegenstand ihrer Untersuchungen nahm, ihre Erfahrungen mit einer anderen Strategie der dort ansässigen „Rechtsextremen“ dar, die versuchen würden, „rechtsextremes“ Gedankengut mit dem Auftreten von  „Biedermännern“ in bürgerlichen Kreisen salonfähig zu machen. Auch Dr. Heinrich mußte konstatieren, daß es auch dort, so wie in Anklam und Ferdinandshof, kein Patentrezept gegen aufkeimenden „Rechtsextremismus“ gäbe. Vielmehr sei ein „lokal/regionaler Strategiemix“ erfolgversprechend, so Dr. Heinrich, ohne konkret zu werden.
 
Die NPD in manchen Regionen nicht eine Partei, sondern eine soziale Organisation
 
Alle Beteiligten des Forschungsprojektes schwadronierten mal mehr mal weniger in ihren Ausführungen über Gegenstrategien der „demokratischen Zivilgesellschaft“. Anzumerken ist, daß die Autoren erkannten, daß sich auf Seiten des „demokratischen Widerstandes“ meist betagte Akteure finden, die „Rechtsextremen“ sich jedoch auf jugendliche Aktivisten stützen können. In der anschließenden Diskussion wurde einhellig festgestellt, daß man der NPD nur partiell mit langwierigen Vor-Ort-Engagent und Bürgernähe das „Wasser abgraben könnte“, da die Partei vielerorts als „Kümmerer“ wahrgenommen werde. Versuche von Lokalpolitikern, Bürgerbüros in „sozialen Brennpunkten“ wie beispielsweise in Schönwalde I und II in Greifswald, einzurichten, um dort den Bürgern Beratungen zu alltäglichen Problemen anzubieten, würden einfach nicht angenommen.
 
Ein Gast warf schließlich in die Diskussionsrunde ein, ob den Anwesenden bekannt ist, daß man als kommunalpolitisch aktiver aufrechter Demokrat „politisch tot“ sei, insofern man in der Öffentlichkeit das Gespräch mit NPD-Stadträten suche. Nichtsdestotrotz wurde man sich schnell einig, daß es sogar kontraproduktiv sei, eine politische Ächtung durch eine persönliche Ächtung vermeintlich „Rechtsextremer“ zu beweisen.
 
„Anti-Rechts“ -Industrie blüht auf
 
So hätte der nette Plausch eigentlich weitergehen können. Abrupt wurde aber die Diskussionsrunde geschlossen, als ein anwesender Nationalist zu Wort kam und äußerte, daß beispielsweise in Frankreich sich mit vermeintlich „Rechtsextremen“ politisch auseinander gesetzt werde, statt wie im Rahmen der aktuellen Buchvorstellung politisch mißliebige Meinungen, Personen und Parteien zu kriminalisieren.
 
Fazit des Abends: Buchveröffentlichungen der geschilderten Art beweisen einmal mehr, daß sich in den letzten Jahren eine regelrechte „Anti-Rechts“ -Industrie entwickelte. Nicht Wenige reisen durchs Land, um vor meist ergrautem Publikum Vorträge über DAS Thema zu halten, welches solchen Personen ausreichend Auskommen und Lohn sichert: Rechtsextremismus. So wird das eine oder andere Buch der benannten Professoren und Doktoren trotz mehrjähriger empirischer Gesinnungsschnüffelei wohl kaum soweit gehen, ernsthafte Handlungsempfehlungen darzulegen, um den ach so verhaßten „Rechtsextremismus“ den Gar aus zumachen. Wieso sollte es beim Buch „Rechtsextremismus in Ostdeutschland“ anders sein? Wovon sollen denn nämlich in einer Welt ohne einer „rechtsextremen Gefahr“ Buchstein, Borstel und Co. leben können...
zurück | drucken Erstellt am Mittwoch, 19. Januar 2011