Das statistische Bundesamt bestätigte jüngst einmal mehr, daß Mecklenburg-Vorpommern im bundesweiten Vergleich nicht nur das Armenhaus der Nation, sondern leider auch eine Niedriglohn-Sonderzone darstellt. In einem im Sommer vorgelegten Bericht unter dem Titel "Niedrigeinkommen und Erwerbstätigkeit“ wurde eine Länderauswertung auf der Basis des Mikrozensus 2008 vorgenommen.
Im Ergebnis mußte konstatiert werden, daß 12,3 Prozent aller Erwerbstätigen in Mecklenburg-Vorpommern armutsgefährdet sind. Damit ist MVP wieder einmal bundesweites Schlußlicht, gefolgt von Sachsenanhalt mit 11,6 Prozent und Sachsen mit 10,4 Prozent.
Zahl der Aufstocker steigt
Im Zeitraum der Mikrozensuserhebung mußte bereits am anfang des vergangenen Jahres der DGB feststellen, daß zwischen 2006 bis 2008 die Zahl der sogenannten Aufstocker in Mecklenburg-Vorpommern um 9.420 auf 52.854 gestiegen ist. Somit ergab sich ein Zuwachs von 21,7 Prozent innerhalb von nur zwei Jahren. Zwischenzeitlich wird sich von insgesamt 524.000 sozialversicherungspflichtigen Festbeschäftigten in MVP jeder Zehnte staatliche Unterstützung in Form von Arbeitslosengeld-II-Leistungen holen müssen, um überhaupt ein Leben am Rande des Existenzminimums führen zu können.
Insbesondere in der hiesigen Vorzeigebranche des Fremdenverkehrs werden die bundesweit niedrigsten Löhne gezahlt. Nach Angaben der CDU-SPD-Landesregierung (siehe
hier) betrug 2006 der durchschnittliche Bruttoverdienst je Arbeitnehmer im Gastgewerbe lediglich 12.331 Euro im Jahr. 2008 lag der durchschnittliche Bruttostundenverdienst im Gastgewerbe bei 8,45 Euro.
Tarifverhandlungen im Gastgewerbe mit mickrigem Ergebnis
Im Rahmen der derzeit jüngsten Tarifverhandlungen zwischen der DeHoGa (Deutscher Hotel- und Gaststättenverband) und der NGG (Gewerkschaft Nahrung, Genuß und Gasstätten) muteten die Forderungen eines Mindestlohns zwischen 1.164 Euro (6,19 Euro Brutto die Stunde) und 1.300 Euro (6,91 Euro Brutto die Stunde) lächerlich an.
Der Tarifvertrag soll am 28. Oktober unterzeichnet werden – eine Garantie, einen auskömmlichen Lohn im Tourismus zusichern, ist dies aber noch lange nicht. Vielmehr geben solche „Durchbrüche“ Anlaß, die Abwärtsspirale von Lohndrückerei und die Abwanderung qualifizierter Fachkräfte eher noch zu verstärken. Man vergaß anscheinend bei den Tarifverhandlungen die Tatsache, daß Billiglöhner, die zusätzlich auch noch staatliche Leistungen in Anspruch nehmen müssen, weniger in der Arbeit motiviert und leistungsbereit sein können wie Normallöhner. Somit wächst die Zahl gering qualifizierter und verständlicher Weise wenig leistungsbereiter Arbeiternehmer, auf die der touristische Sektor aber zurück greifen muß.
Billiglohnspirale dreht sich weiter
Die Billiglohnspirale wird mit Verzögerungen auf deren Verursacher und ihr touristisches Geschäft zurückfallen. Schon jetzt finden die Hotels und Gaststätten kaum noch qualifiziertes Personal – Ausbildungsplätze bleiben vielerorts unbesetzt. Erinnert sei hierbei an das „Wachstumsbeschleunigungsgesetz“, welches insbesondere gastronomische Großbetriebe allein in diesem Jahr in den Genuß von Steuerersparnissen in geschätzter Höhe von 80 Millionen Euro brachte.
So versprachen am anfang des Jahres nicht wenige Hotelbesitzer, daß die Herabsenkung der Mehrwertsteuer von Übernachtungs-Dienstleistungen von 19 auf 7 Prozent sich in auskömmlichen Löhnen der Beschäftigten widerspiegeln sollten. Eine Korrektur der Billiglohnspirale fand bisher jedoch nicht statt.
Betriebsgemeinschaft statt Ausbeutung
Vom nationalen Standpunkt steht im allgemeinen Mittelpunkt des Wirtschaftsdenkens der soziale Arbeitsbegriff. Deshalb kann ein allein auf Gewinnmaximierung orientierter Betrieb nicht die Basis eines gesunden Wirtschaftens und menschlicher Arbeitsverhältnisse sein. Statt die Arbeitskraft von einer Vielzahl von Beschäftigten auszubeuten, sollte die Touristik nunmehr die Möglichkeit nutzen, um einen wahrhaften Arbeitsfrieden herzustellen, damit der Betrieb endlich als Leistungs- GEMEINSCHAFT vom Arbeitgeber wie vom Arbeitnehmer verstanden werden kann. Der eine bedingt unwiderruflich die ökonomische Zukunft des anderen.
Es dürfte unter den touristischen Arbeitgebern daher kein Geheimnis sein, daß eine loyale Betriebsverbundenheit die Leistungsbereitschaft unter Angestellten fördert, die wiederum eine Produktions- bzw. qualitative Dienstleistungssteigerung zu Folge haben. Lohnerhöhungen tragen ihren Teil zu einer Betriebsverbundenheit bei. Doch von solcher Einsicht fehlt bislang jede Spur.