Urteile des Bundessozialgerichts

Das Bundessozialgericht in Kassel hat am Montag mehrere Urteile zugunsten von Hartz-IV-Beziehern gefällt.
 
Wohnkosten: Klage von Rügener Köchin erfolgreich
 
Eines der Urteile betrifft den Problemkreis der Wohnkosten. Erhalten Bezieher von Arbeitslosengeld II eine befristete Beschäftigung, während der sie in eine neue und teurere Wohnung umziehen, muß die sie betreuende Arbeitsgemeinschaft auch diese Unterkunftskosten grundsätzlich übernehmen.
Im vorliegenden Fall hatte es eine gelernte Köchin von der Insel Rügen nach dem Bezug von Arbeitslosengeld II geschafft, eine befristete Beschäftigung zu bekommen. In dieser Zeit schloß sie einen neuen Mietvertrag ab. Die Wohnung war teurer als die bisherige, worauf sich die zuständige Arbeitsgemeinschaft (Arge) nicht bereit zeigte, die zwar noch angemessenen, jetzt aber höheren Wohnkosten zu übernehmen. Die spätere Klägerin habe schließlich gewußt, daß die Stelle nicht unbefristet gewesen sei und sie danach vermutlich wieder auf Hartz-IV-Leistungen angewiesen sein würde.
Dem hielten die Richter entgegen, daß hilfebedürftige ALG-II-Empfänger vor Abschluß eines Mietvertrages die Behörde zwar grundsätzlich um Erlaubnis fragen müssen. Doch war die Klägerin im vorliegenden Fall bei Unterzeichnung des Mietvertrages nicht hilfebedürftig gewesen.   
 
Zu erwartendes Vermögen und ALG II als Darlehen
 
Im Hinblick auf ein erst in Jahren zu erwartendes Vermögen darf die Arge nicht einfach das Arbeitslosengeld II nur noch als Darlehen gewähren. Das ist der Grundtenor eines weiteren Urteils der Kasseler Richter. Mindernd angerechnet werden kann auf das ALG II demnach nur ein Vermögen, das sich voraussichtlich innerhalb von sechs Monaten verwerten läßt.
Geklagt hatte in diesem Fall ein Hartz-IV-Opfer aus Kempten im Allgäu. Der Mann erhielt sein Geld von der Arge nur noch als Darlehen. Die Behörde begründete den Schritt mit der Tatsache, daß der Arbeitslose in elf Jahren, zu Beginn seines Rentenalters, von seinem Bruder 55.000 Euro erhalten soll. Zu einer solchen Zahlung war der Bruder verpflichtet worden, als er von der Mutter drei Grundstücke erbte. Das zuständige „Jobcenter“ vertrat den Standpunkt, Banken könnten ihm zumindest 30.000 Euro auf die in Aussicht stehende Summe zahlen. Der Kläger hatte aber – welch Wunder - keine Bank gefunden, die ihm zu diesem Zweck Geld zur Verfügung zu stellen gedachte.  
Das BSG entschied, die Verwertung eines bei Hartz IV zu berücksichtigenden Vermögens müsse wirtschaftlich zumutbar sein und voraussichtlich binnen sechs Monaten veräußert werden können. Weil die Vorinstanz laut Meinung der Kasseler Richter noch Tatsachen feststellen muß, wiesen sie den konkreten Fall an das Bayerische Landessozialgericht zurück. 
 
Abwrackprämie und Anrechnung auf Hartz IV
 
In der brutalen Praxis des BRD-Alltags ging die eine oder andere Behörde dazu über, die Abwrackprämie als Einkommen auf Hartz-IV-Leistungen anzurechnen. Klagen gegen eine solche Verfahrensweise können sich für Langzeitarbeitslose durchaus als lohnend erweisen, meint das Bundessozialgericht. Es verweist auf die Arbeitsgemeinschaft Cottbus, die wegen mangelnder Erfolgsaussicht in zwei Fällen ihre Sprungrevisionen zurücknahm, weshalb für den Bezieher von Hartz-IV-Zuwendungen günstige Urteile des Sozialgerichts Cottbus in Kraft sind.
Die Arge der Laussitzstadt kürzte einem Arbeitslosen wegen des Erhalts der 2.500 Euro hohen Abwrackprämie das ALG II. Das Sozialgericht stellte sich daraufhin auf die Seite des Klägers, indem es die Prämie in seinen Urteilen vom 21. Dezember 2009 als zweckgebundene Einnahme wertete, die nicht auf Hartz IV angerechnet werden darf. Ansonsten würde sich „Vater Staat“ nämlich die Abwrackprämie von Erwerbslosen über eine Anrechnung auf deren Einkommen zurückholen können.
 
zurück | drucken Erstellt am Dienstag, 31. August 2010